Vom Tiger zum Bettvorleger: Die Kommission beerdigt CCS

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Es hatte auch zu schön geklungen: Europas Anlagenbetreiber pressen ihr CO2 einfach in die Erde. Durch Rohrleitungssysteme wird das Gas in saline Aquiferen verbracht und dort in flüssiger Form sicher verwahrt. Schmerzhafte und teure Maßnahmen, den Ausstoß zu verringern, bleiben ihnen erspart, und das Weltklima wird trotzdem gerettet. Insbesondere die Europäische Kommission und das EU-Parlament (EP) verliebten sich auf der Stelle in die neue Idee mit dem schmucken Kürzel CCS (Carbon Capture and Storage). Wäre es etwa nach dem Umweltausschuss des EP gegangen, so wären Kohlekraftwerke ohne Abscheidung in der EU gar nicht mehr möglich gewesen.

Doch die Zweifel ließen nicht lang auf sich warten. So gelang es den Befürwortern der neuen Technologie nicht, der Bevölkerung ihre Ängste vor dem vergrabenen Klimagas zu nehmen. Auch Fachleute wurden zunehmend nervös. Denn auf wichtige Fragen nach der Umweltverträglichkeit der neuen Technik gab es keine oder wenig überzeugende Antworten. Angesichts dessen ist es nicht erstaunlich, dass die geologisch betroffenen norddeutschen Bundesländer CCS durchweg ablehnen.

Zu alledem war stets klar: CCS würde sehr, sehr teuer werden. Selbst Optimisten rechneten mit mindestens 50 Euro pro vermiedener Tonne CO2. Damit würde sich CCS erst dann rechnen, wenn die Minderungsziele im Emissionshandel substanziell andere wären als heute oder die Technologieeinführung hoch subventioniert würde. Darauf hatte die Kommission auch hingearbeitet, obwohl schon damals Kritiker darauf hinwiesen, dass man mit anderen Technologien mehr CO2 pro eingesetzter Mittel einsparen kann.

Die Kommission ließ die Kritik unbeeindruckt. Noch im Frühling dieses Jahres hat sie Investoren eine Förderung von bis zu 15 Prozent der beihilfefähigen Kosten in Aussicht gestellt (wir berichteten). Um so überraschender ist, dass die Kommission jetzt erklärt, die vorgesehene CCS-Förderung nun doch stoppen zu wollen. Grund hierfür ist aber nicht, dass sie auf die Linie der Kritiker einschwenkt. Vielmehr ist der Kommission sozusagen das Förderobjekt unter den Händen verendet: Kurz vor der Entscheidung der EU hatte das letzte verbleibende Projekt, das sich um die 1,5 Milliarden Finanzierung durch die EU beworben hatte, seine Bewerbung zurückgezogen. Der Stahlgigant ArcelorMittal hat mitgeteilt, das CCS-Projekt Ulcos in Nord-Frankreich nicht umzusetzen. Der Traum der Kommission scheint damit vorerst begraben.

Für den Klimaschutz ist dies aber keine (wie manche sagen: „nur“) schlechte Nachricht. Denn die 1,5 Milliarden Euro sollen statt dessen in Erneuerbare-Energien-Projekte geleitet werden. Dies ist besonders für die Bundesrepublik erfreulich, da damit nun doch eine Chance besteht, dass ein Teil der im Emissionshandel eingenommenen Mittel Projekten in Deutschland zugute kommt. Details stehen noch aus, doch schon jetzt lässt sich bilanzieren: CCS mag als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet sein – doch auch an einem schönen Bettvorleger hat das eine oder andere Unternehmen vielleicht noch seine Freude.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann

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