BNetzA entscheidet zu Blindstromentgelten

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Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat am 17.03.2016 in einem Missbrauchsverfahren eine wichtige Entscheidung (Az. BK6-13-047) zum Thema „Blindstrom“ getroffen. Sie enthält über den konkreten Streitgegenstand hinaus interessante und aus Netzbetreibersicht erfreuliche Aussagen, wie Entgelte für Blindleistung abzurechnen sind.

Geklagt hatte ein Windparkbetreiber, der sich gegen die Art zur Wehr setzen wollte, dass sein Netzbetreiber Avacon AG Blindleistung beim Wirkstrombezug des Windparks ohne Einräumung irgendeiner Toleranz abrechnete. Kundeneigene Anlagen des Windparks zur Kompensation der Blindleistung gab es nicht. Der von der Avacon AG vorgegebene Netznutzungsvertrag enthielt eine Vorgabe, die beim Strombezug des Windparks keinerlei (unentgeltlichen) kapazitiven Blindleistungsaustausch mit dem Netz der Avacon AG zuließ. Der Windparkbetreiber unterzeichnete den Netznutzungsvertrag nur unter Vorbehalt und ließ die Vertragsregelungen zur Blindleistung überprüfen.

Vorerst mit Erfolg: Die BNetzA hat den Missbrauchsvorwurf des Windparkbetreibers in ihrer Entscheidung bestätigt. Ihm sei, so die BNetzA, ein Austausch von Blindleistung in Höhe von 5 Prozent der Anschlusswirkleistung unentgeltlich zu gestatten. Eine entsprechende Vorgabe ergebe sich aus den aktuellen Technischen Anschlussregeln (TAB) Hochspannung (VDE-AR-N 4120) der Anwendungsregel des Verbandes der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (VDE).

Die Entscheidung ist noch nicht bestandskräftig, es ist Beschwerde zum Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf eingelegt.

Welche grundlegenden Aussagen zur Abrechnung von Blindstrom enthält die Entscheidung?

Die Entscheidung der BNetzA enthält – über den konkreten Streitgegenstand hinaus – wichtige grundlegende Aussagen zur Abrechnung von Blindleistungen:

  • Blindstromentgelte pauschal abzurechnen anstatt Anlagen zur Kompensation von Blindstrom zu errichten, ist zulässig.
  • Die Abrechnung von Blindleistung kann gegenüber dem Netznutzer erfolgen. Entgelte/Pönalen im Zusammenhang mit Blindstrom müssen vom Netzbetreiber also nicht zwingend als Schadensersatz wegen Verletzung des Verschiebungsfaktors gegenüber dem Anschlussnutzer geltend gemacht werden.
  • Im Anwendungsbereich der TAB Hochspannung ist dem Netznutzer grundsätzlich eine Toleranz von 5 Prozent – bezogen auf die Anschlusswirkleistung – einzuräumen, in deren Rahmen Blindleistung nicht abgerechnet werden darf bzw. keine Kompensationsanlagen gefordert werden dürfen („Blindleistungs-Freiraum“).

Mit der Entscheidung sind die Diskussionen, die es bei der BNetzA in der Vergangenheit gegeben hat, zunächst beendet: Sind Blindstromentgelte zulässig, und wer ist der richtige Vertragspartner des Netzbetreibers für die Abrechnung von Blindleistung? Im Rahmen des Festlegungsverfahrens zum Netznutzungsvertrag Strom (Az. BK6-13-042) hatte die Behörde zunächst geplant, die Abrechnung von Blindstrom gegenüber dem Netznutzer zu untersagen, und stattdessen eine Pönalisierung gegenüber dem Anschlussnutzer favorisiert. Hiervon ist die BNetzA in der Entscheidung BK6-13-047 abgerückt.

Welche sonstigen Aussagen und Schlussfolgerungen ergeben sich aus der Entscheidung?

Die Entscheidung enthält darüber noch weitere interessante Aussagen zu den TAB Hochspannung:

  • Die BNetzA hält es grundsätzlich für möglich, von den Vorgaben der TAB Hochspannung (hier bezogen auf deren „Blindleistungs-Freiraum“ von 5 Prozent) im „vertragslosen Zustand“ abzuweichen. Wenn ein Netzbetreiber aber von der guten fachlichen Praxis, die bei Einhaltung der TAB Hochspannung vermutet wird, abweichen will, müsse er dies nachvollziehbar begründen. Im konkreten Fall hatte die Avacon AG dies nach Ansicht der BNetzA nicht getan.
  • Der Anwendungsbereich der aktuellen TAB Hochspannung erstreckt sich im Grundsatz zwar nur auf Erzeugungsanlagen, die 24 Monate nach Inkraftsetzung der TAB (Januar 2015) neu in Betrieb gesetzt worden sind. Nach Ansicht der BNetzA sollen die TAB hinsichtlich des „Blindleistungs-Freiraums“ aber auch für Bestandsanlagen gelten, da kein Grund ersichtlich sei, Neu- und Bestandsanlagen im Hinblick auf den „Blindleistungs-Freiraum“ unterschiedlich zu behandeln.

Die BNetzA hat mit der Entscheidung die Einhaltung der VDE Anwendungsregeln abermals rechtlich aufgewertet. Zudem ist bei der Umsetzung der Anwendungsregeln des VDE genau zu prüfen, ob diese im eigenen Netz der Norm entsprechend nur in die Zukunft gelten oder weitergehend auch Wirkung für bestehende Anschlüsse haben.

Ansprechpartner: Dr. Christian de Wyl/Dr. Martin Altrock/Dr. Thies Christian Hartmann/Silke Walzer

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