Am Ende ging es doch ganz schnell – Einigung über den Umgang mit Geologiedaten bei der Endlagersuche
Bei der Suche und Auswahl eines Standortes als Endlager für hochradioaktiven Abfall spielen die Informationen über den Untergrund und damit das Geologiedatengesetz (GeolDG) eine zentrale Rolle (wir berichteten). Doch das Spannungsverhältnis zwischen dem berechtigten Informationsinteresse der Öffentlichkeit einerseits und dem Schutz des Eigentums des Dateninhabers andererseits machte noch vor der Verabschiedung im Bundestag erhebliche Nachbesserungen am Gesetzesentwurf nötig – was wiederum Kritik hervorrief (wir berichteten). Doch nun hat der Bundestag am 29.5.2020 einen Kompromiss verabschiedet, dem der Bundesrat am 5.6.2020 zugestimmt hat.
Aufgrund des Widerstands im Bundesrat schien es zunächst, als ließe ein fertiges Gesetz noch einige Zeit auf sich warten (wir berichteten). Der Bundesrat ließ das Gesetz am 15.5.2020 vor allem nach „grünem Widerstand“ durchfallen und verzichtete sogar darauf, den Vermittlungsausschuss (VA) zwischen Bundestag und Bundesrat anzurufen. Von der Bundesregierung wiederum wurde am 20.5.2020 verlangt, den VA (nach Art. 77 Abs. 2 GG) einzuberufen. Ein Kompromiss konnte dann schon am 27.5.2020 bei einem ersten Treffen zwischen Bund (hier Bundestag) und Ländern gefunden werden.
Die Vorgeschichte
Zur Erinnerung: In einem Endlager soll hoch radioaktiver Atomabfall mindestens 1 Mio. Jahre lang unterirdisch sicher lagern. Die Suche nach einem geeigneten Endlagerstandort wurde – auch um den jahrzehntelangen Streit um den Standort Gorleben zu beenden – vor drei Jahren völlig neu begonnen und soll nunmehr unter anderem rein wissenschaftlich, transparent und öffentlich unter Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern als Mitgestalter des Verfahrens durchgeführt werden. So jedenfalls gibt es das Standortauswahlgesetz (StandAG) vor.
Zur Entscheidungsfindung und Begründung der gefundenen Ergebnisse – wo gesucht wird, welche Gesteinsformation sich am besten eignet, welcher Standort sich als höchstsicher herausstellt – müssen insbesondere auch Geologiedaten Privater genutzt werden, etwa von Bergbauunternehmen oder aus der Erdgaserkundung. Das GeolDG verpflichtet diejenigen, die Geologiedaten über den Untergrund gewinnen, diese in weitem Umfang zu dokumentieren und diese auch der zuständigen Landesbehörde zur – mit dem GeolDG detailliert geregelten – Veröffentlichung zu übergeben. Das Gesetz bietet dazu eine neue Grundlage für den Umgang mit der Veröffentlichung solcher Daten: So dürfen diese Informationen, abhängig von der Art der Daten (Nachweis-, Fach- oder Bewertungsdaten), nach einem abgestuften Schutz unter verschiedenen Voraussetzungen auch veröffentlicht werden.
Kompromiss zugunsten des Informationsinteresses
Die nun von Bundestag und Bundesrat beschlossenen Änderungen stärken unter anderem die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen auch sog. Bewertungsdaten von privaten Unternehmen zu veröffentlichen. So können beispielsweise Studien und Modelle mit einbezogen werden, wenn diese im Einzelfall dem Standortauswahlverfahren dienen. Diese Daten werden, neben den Fachdaten, die bereits nach 10 Jahren veröffentlicht werden, was mit Inkrafttreten des Gesetzes den weitaus größten Teil dieser Daten betreffen wird, nach 30 Jahren veröffentlicht. Als gewichtig erweist sich vor allem die neue Regelvermutung des § 34 GeolDG, wonach für Verfahren nach dem StandAG „in der Regel davon auszugehen [ist], dass die Gründe des Allgemeinwohls für die öffentliche Bereitstellung wesentlich überwiegen“.
Damit wird der Konflikt zwischen dem verfassungsrechtlich verankerten Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen betroffener Unternehmen und der Transparenz der Daten für die Endlagersuche zugunsten des Interesses der Öffentlichkeit an den entscheidungserheblichen Daten entschieden.
Nationales Begleitgremium zeigt sich wegen seiner neuen Rolle skeptisch
Neu ist, dass die Aufgaben des Nationalen Begleitgremiums (NBG) erweitert werden. Das NBG sieht dies mit Skepsis hinsichtlich seiner bisherigen neutralen und vermittelnden Rolle, weil es nunmehr exklusiven Zugang zu jenen Geologiedaten erhält, die etwa wegen Rechtsstreitigkeiten zwischen der veröffentlichenden Landesbehörde und dem Dateninhaber (noch) nicht öffentlich gemacht werden. Solche werden in einem geschützten Datenraum bereitgestellt, in welche nur das NBG und fünf von ihm bestellte Experten Einsicht haben. Die Experten sollen sich – quasi als Vertreter der Öffentlichkeit – ein Bild davon machen, ob die Daten unter wissenschaftlichen Aspekten vollständig und plausibel für die Entscheidungen im Standortauswahlverfahren herangezogen und ausgewertet wurden. Dies soll die verbleibende Transparenzlücke ausgleichen und zugleich den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen von Unternehmen hinreichend Rechnung tragen. Welche Ressourcen und Möglichkeiten dem NBG zusätzlich an die Hand gegeben werden, wird die zuständige Bundesumweltministerin (BMU) hoffentlich rechtzeitig klären.
Das sehr rasch und konstruktiv durchgeführte Vermittlungsverfahren zeigt, dass die Parlamentarier in Land und Bund ein zentrales Ziel eint: Einerseits soll das Suchverfahren nicht unterbrochen werden; fest geplant ist für diesen Herbst ein erster Zwischenbericht der zuständigen Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), der erstmals bekannt geben wird, welche Gebiete oder Regionen in Deutschland für die weitere Suche nach einem Endlagerstandort endgültig nicht mehr in Betracht kommen. Andererseits will kein Parlamentarier, kein Politiker diesen ersten entscheidenden Zwischenbericht in das Bundestagswahljahr 2021 heben, hört man schon von draußen aus den geschlossenen Beratungssälen dringen.
Wie geht’s weiter?
Der Zwischenbericht gilt als erste Nagelprobe für die generelle Akzeptanz des Vorgehens, für die echte Bürgerbeteiligung, für das Vertrauen in alle kommenden Schritte des weiteren Suchverfahrens. „Die Festlegung des Standortes wird für das Jahr 2031 angestrebt“, gibt § 1 Abs. 5 Satz 2 StandAG vor. In der Zwischenzeit werden noch viele weitere Berichte und Entscheidungen folgen, mit denen das Gebiet für den möglichen Standort immer enger bestimmt wird und die sich in Statuskonferenzen und unterschiedlichen Bürgerkonferenzen dem kritischen Druck der Öffentlichkeit stellen müssen. Ab Mitte dieses Jahrhunderts sollen dann erste Castoren in das Endlager eingefahren werden, wird optimistisch geschätzt.
Apropos Endlager: Wussten Sie, dass „die Möglichkeit einer Bergung für 500 Jahre nach dem geplanten Verschluss des Endlagers vorzusehen ist“? So § 1 Abs. 4 Satz 2 StandAG. Sicherlich müssen die 500 Jahre auch von den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern vertrauensvoll akzeptiert werden. Absehbar ist dann die wohlbekannte „grüne Wiese“ nach Endlagerverschluss vor Ort noch lange nicht in Sicht und solange kann auch kein „Gras über das Endlager wachsen“.
Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke