Das neue Geologiedatengesetz als Hilfe für die Standortsuche nach einem Endlager: zwischen Transparenz und dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen

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Das Lagerstättengesetz (LagerstG) von 1934 wird dem neuen Geologiedatengesetz (GeolDG) Platz machen, das Transparenz in der Standortsuche stärken und rechtlich absichern soll. Transparenz, öffentliche Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen und Öffentlichkeitsbeteiligung sind für die Atomendlagersuche essentiell und unverzichtbar, dabei dürfen aber auch die berechtigten Interessen der betroffenen Unternehmen nicht auf der Strecke bleiben. Doch die Tatsache, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nach einer starren Frist und Einzelfallbetrachtung öffentlich zu machen, sowie Fragen des Urheberrechts geben Anlass zu Bedenken.

Bisher liegt das GeolDG in der Entwurfsfassung vor, sein vollständiger Name lautet „Gesetz zur staatlichen geologischen Landesaufnahme sowie zur Übermittlung, Sicherung und öffentlichen Bereitstellung geologischer Daten und zur Zurverfügungstellung geologischer Daten zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben“. Das reizt zwar wenig zum Weiterlesen, tatsächlich geht es aber um ein gesamtgesellschaftliches Thema: die Suche und Auswahl eines Standortes für ein höchstsicheres Endlager in tiefer geologischer Formation für hochradioaktive Abfälle. Das betrifft nicht nur die Abfälle, die derzeit noch in vielen Zwischenlagern in Castoren neben noch laufenden oder bereits abgeschalteten Atomkraftwerken ausharren, sondern auch solche (insbesondere abgebrannte Brennelemente), die bis zu unserem Atomausstieg im Jahr 2022 noch hinzukommen. Als Grundlage für das nunmehr seit 2017 laufende, neue transparente Suchverfahren für den bestmöglichen Standort für hochradioaktive Abfälle dient der Abschlussbericht der pluralistisch zusammengesetzten Endlagerkommission. Sie tagte zunächst von 2014 bis Mitte 2016, nachdem Bundestag und Bundesrat erstmals 2013 das Standortauswahlgesetz (StandAG) beschlossen hatten (neugefasst 2017, um damit die Empfehlungen der Endlagerkommission in einen gesetzlichen Rahmen zu gießen).

Transparenz in der Endlagersuche rechtlich absichern

Eine wesentliche Grundlage bei der Endlagersuche ist die auf geologische Daten gestützte Kenntnis darüber, ob der jeweilige Untergrund sich für ein Endlager eignet – dafür muss er die hochradioaktiven Abfälle mindestens für eine Million Jahre sicher bewahren. Dies und das gesamte Suchverfahren – einschließlich der dabei durchzuführenden umfangreichen Öffentlichkeitsbeteiligungen – werden auch im StandAG festgelegt.

Die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE), staatlich betraut mit der Endlagersuche in Deutschland, geht zunächst von einer „deutschlandweiten weißen Landkarte“ aus: Kein Gebiet, keine Region wird anfangs von der Suche ausgenommen. Die BGE plant jedoch, im Herbst dieses Jahres mit einem Zwischenbericht solche Teilgebiete öffentlich bekannt zu geben, die schon nach erster Prüfung für ein Endlagerstandort nicht mehr infrage kommen. Zu diesem Bericht gehört natürlich auch die öffentliche Darlegung, wie diese Entscheidungen zustande gekommen sind. In dieser ersten Phase der Suche stützen sich Entscheidungen über herausfallende Teilgebiete in erster Linie auf solche geologischen Daten, die der BGE insbesondere durch zuständige Landesbehörden seit 2017 zur Verfügung gestellt wurden.

Das Gesetz unterscheidet zwischen Nachweis-, Fach- und Bewertungsdaten. Nachweisdaten sind nach § 8 solche Daten, die geologische Untersuchungen persönlich, örtlich, zeitlich und allgemein inhaltlich zuordnen; diese sind gemäß § 27 nach drei Monaten zu veröffentlichen. Fachdaten (§ 9) werden dagegen zumeist durch Messungen und andere Untersuchungen gewonnen. Bewertungsdaten (§ 10) erhält man durch Analysen, Einschätzungen und Schlussfolgerungen von Fachdaten (zum Beispiel in Form von Gutachten, Studien oder räumlichen Modellen des geologischen Untergrunds). Bewertungsdaten werden gemäß § 28 nicht veröffentlicht, gleiches gilt grundsätzlich für nachträglich angeforderte Fachdaten.

Nach dem neuen GeolDG haben die zuständigen Behörden alle bei ihnen vorhandenen geologischen Daten im Zusammenhang mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben – hier also auch gegenüber der BGE für die Suche eines nuklearen Endlagers – herauszugeben. Nichtstaatliche Fachdaten werden (siehe § 27) nach fünf Jahren öffentlich bereitgestellt; sollten diese Daten aber einen gewerblichen Bezug haben (beispielsweise bei gültiger Bergbauberechtigung), verlängert sich die Frist auf zehn Jahre.

In § 34 findet sich die „Erweiterte öffentliche Bereitstellung geologischer Daten“, wegen seines Absatzes 4 kann man diese Vorschrift wohl als „Atomabfall-Endlagersuche-Transparenz-Paragrafen“ bezeichnen: Aufgrund des öffentlichen Interesses können nichtstaatliche Fachdaten nach Absatz 1 Nummer 1 grundsätzlich bereits vor Ablauf der Fristen von fünf oder zehn Jahren und nachgeforderte Fachdaten entgegen der Regelung des § 28 überhaupt veröffentlicht werden. Bewertungsdaten hingegen stellen regelmäßig schützenswerte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, gegebenenfalls sogar Werke im Sinne des Urheberrechts dar, so dass das allgemeine Transparenzinteresse der Öffentlichkeit grundsätzlich zurücktreten muss. Allerdings sieht das Gesetz in § 34 Ausnahmen vor, etwa wenn Gründe des Allgemeinwohls für die öffentliche Bereitstellung wesentlich überwiegen.

Bevor eine Behörde jedoch Geodaten nach § 34 Absätze 1, 2 und 4 veröffentlicht, muss sie gemäß Absatz 3 den jeweiligen Dateninhaber anhören. Gegen die Veröffentlichung kann sich ein betroffener Dateninhaber mit Widerspruch und Anfechtungsklage rechtlich wehren. Allerdings findet sich im vorliegenden Entwurf des Gesetzes zur bisherigen Rechtslage eine „kleine“ Änderung mit erheblichen Folgen: Rechtsbehelfe gegen die Veröffentlichungsentscheidung haben im Falle der Standortsuche und -auswahl für ein Endlager keine aufschiebende Wirkung. Das heißt, sie können eine Veröffentlichung nicht für die Zeit der behördlichen oder gar gerichtlichen Nachprüfung (vorläufig) stoppen. Damit kann der Vorhabenträger (BGE) notwendige Arbeiten weiter durchführen, ohne den Fortgang der Standortsuche vor Ort unterbrechen zu müssen. Die Daten des Betroffenen wären aber in jedem Fall in der Welt, auch wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Entscheidung der Behörde rechtswidrig war.

Abgerundet wird das GeolDG in Kapitel 5 dramaturgisch musterhaft im Epilog: Falls man pflichtwidrig Nachweis-, Fach- oder Beweisdaten „nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig“ übermittelt, begeht man nach § 38 eine Ordnungswidrigkeit, es droht eine Geldbuße bis zu dreißigtausend Euro.

Wichtig ist die Veröffentlichung dieser Daten im Hinblick auf die Öffentlichkeitsbeteiligung im Endlagersuchverfahren, das transparent und nachvollziehbar zu gestalten ist. Letztendlich soll dadurch ein Endlagerstandort – einhergehend mit breitem gesellschaftlichem Konsens – gefunden werden, der auch von direkt vor Ort Betroffenen toleriert werden kann.

Es gibt noch Diskussionsbedarf

Die Entwurfsfassung ist natürlich noch nicht das fertige Gesetz. Der Bundesrat hat am 30. Januar getagt und in seinem ersten Durchgang zum GeolDG (Entwurf) eine umfangreiche Stellungnahme beschlossen (siehe BR-Drs. 13/20 (Beschluss)). Der Bundesrat stellt zum Beispiel fest, dass „die Umsetzung des Gesetzentwurfs bei den Ländern zu dauerhaften Personal- und Sachkosten in nicht unerheblicher Höhe führt. Darüber hinaus fallen in Bezug auf die Erweiterung der IT-Infrastruktur einmalige Investitionskosten von vorsichtig geschätzten 350.000 Euro je Land, mithin 5,6 Millionen Euro insgesamt, an“. Der Bundesrat fordert den Bund daher auf, die Kosten der einmaligen IT-Infrastrukturkosten zu tragen. Sicherlich kann der Bund hier gerade finanziell helfen, zumal die Bundesregierung ja große Digitalisierungsvorhaben bereits in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart hat und damit auch ein neues digitales Zeitalter in Deutschland einläuten will. Der ganze Aufwand, der mit den neuen Aufgaben aus dem GeolDG entsteht, bleibt aber hauptsächlich bei den Ländern hängen: Zuständig sind nämlich deren jeweilige Landesbehörden, die wohl intern schon angemerkt haben, dass sie die mit dem straffen Zeitplan – also Inkrafttreten des GeolDG in diesem Sommer und dem Zwischenbericht der BGE bereits im dritten Quartal – durchaus in die Bredouille kämen. Die Mehrbelastung zur Durchsicht und Freigabe der vielen Geologiedaten (ggf. auch Rückkopplung mit dem Vorhabenträger oder anderen Behörden) sei auch angesichts der Urlaubszeit und dem ohnehin knappen Personal zeitlich nur schwierig zu bewältigen.

Der federführende Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages wird am 9.3.2020 eine öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf durchführen. Es bleibt zu hoffen, dass im Austausch der Stakeholder die notwendige Balance zwischen den Interessen der jeweiligen Dateninhaber einerseits und der ebenfalls wichtigen Transparenz bei der Endlagersuche andererseits gefunden wird.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke

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