Corona-bedingte Vorgaben zur Unterschwellenvergabe in NRW, Rheinland-Pfalz und Bayern

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Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Bayern greifen das Rundschreiben des BMWi vom 19.3.2020 (wir berichteten) auf: Sie schaffen landespezifische Erleichterungen für Unterschwellenvergaben, die über das allgemeine Vergaberecht hinausgehen. Unterschwellenvergaben machen von jeher den überwiegenden Anteil der Beschaffung der öffentlichen Hand aus. So auch jetzt, wenn es darum geht, Waren und Leistungen zeitkritisch zu beschaffen, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen.

Aussetzen der Unterschwellenvergabeverordnung in NRW

Mit Schreiben vom 27.3.2020 teilen das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie und das Ministerium der Finanzen in NRW mit, dass kurzfristig ein Runderlass zur Beschaffung von Leistungen zwecks Eindämmung der Corona-Pandemie im Gesetzblatt veröffentlicht werden wird. Dabei betonen die Ministerien, dass der unverzüglichen Anwendung des Erlasses schon vor Veröffentlichung nichts entgegenstehe.

Bemerkenswert ist, dass dadurch im Land Nordrhein-Westfalen die Regelungen der Unterschwellenvergabe nicht einfach beschränkt, sondern vollständig ausgesetzt werden. Direktvergaben sind bis zu einem Wert von 3.000 Euro zulässig. Dabei bleibt der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit aus dem Haushaltsrecht weiterhin zu berücksichtigen. Weiter enthält der Erlass einen Hinweis auf die losweise Vergabe. Im Übrigen ist der Beschaffer in NRW völlig frei, soweit die Beschaffung auf Waren oder Dienstleistungen gerichtet ist, die im Zusammenhang mit der Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus stehen.

Direktvergabe in Rheinland-Pfalz

Das rheinland-pfälzische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau hat am 20.3.2020 Vergaberechtliche Erleichterungen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus SARS-CoV-2 dagegen nur Beschleunigung von Beschaffungen erlassen. Es vereinfacht die Beschaffung von Material, welches im Gesundheitsbereich und für Einsatzkräfte sowie zur Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung im Zusammenhang mit der Krise benötigt wird. Seit dem 20.3.2020 können daher in Rheinland-Pfalz Liefer-, Dienst- und Bauleistungen, die unmittelbar oder mittelbar dazu beitragen, die Corona-Pandemie einzudämmen, ohne förmlichen Vergabeverfahren beschafft werden (Direktauftrag). Dabei gilt es weiterhin, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu berücksichtigen.

Diese ungewöhnlich weitreichende Vereinfachung hebelt den Wettbewerb fast vollständig aus. Das macht deutlich, welch immense Bedeutung das Land Rheinland-Pfalz der schnelleren Beschaffung in dieser aktuellen Situation beimisst. Die Lockerungen gelten insbesondere für den Einkauf von Schutzkleidung, Schutzmasken, Einmalhandschuhen, Desinfektionsmitteln und medizinischen Geräten wie etwa Beatmungsgeräten sowie Gegenständen für die Errichtung von Corona-Test-Stationen. Die Regelungen erfassen auch die Einrichtung von Homeoffice-Arbeitsplätzen sowie Videokonferenztechnik und die Erweiterung der IT-Leitungskapazitäten, um den Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten. Bestehende Rahmenverträge sind jedoch weiterhin zu berücksichtigen. Das ist nicht nur rechtlich geboten, sondern auch sinnvoll, da der Abruf von Waren und Leistungen auf Basis bereits bestehender Verträge überwiegend schneller erfolgen kann, als die Durchführung einer (Direkt-)Vergabe.

Die neuen Regelungen gelten auch für Zuwendungsempfänger und sind zunächst befristet.

Höhere Wertgrenzen im Freistaat Bayern

Am 25.3.2020 hat auch der Freistaat Bayern seine Verwaltungsvorschrift zur Unterschwellenvergabeordnung mit Blick auf die Corona-Thematik angepasst. Die Regeln sind seit dem 26.3.2020 wirksam.

Bayern setzt mit sofortiger Wirkung neue Wertgrenzen, in deren Rahmen Verfahren erleichtert und Beschaffungen beschleunigt werden sollen. Die neuen Regelungen betreffen staatliche Aufträge und enthalten Hinweise zur Anwendung der Unterschwellenvergabeordnung sowie zur Kommunikation, zum Umgang mit Bauleistungen in Zeiten von Corona aber auch weitergehende Änderungen für die Zeit danach. Die Veröffentlichung soll die vorübergehende weitergehende Erhöhung der Wertgrenzen sicherstellen. Daneben sind eine dauerhafte Erhöhung von Wertgrenzen und weitere langfristige Erleichterungen vorgesehen.

Vorübergehende Erhöhung der Wertgrenzen, vereinfachte Kommunikation

Für staatliche Auftraggeber und für Kommunen, die sich bei ihren Vergaben auch an den Verwaltungsvorschrift zum öffentlichen Auftragswesen orientieren, gelten für die Zeit der Corona-Pandemie bzw. zunächst befristet bis zum 30.6.2020 erleichternde Beschaffungsregelungen.

Die vorübergehende weite Erhöhung der Wertgrenzen führt dazu, dass in der Corona-Krise begründete Beschaffungen über Liefer- und Dienstleistungen (insbesondere medizinischer Bedarfsgegenstände und Leistungen, die der Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs in der Verwaltung dienen) bis zu einer Wertgrenze in Höhe von 25.000 Euro ohne Umsatzsteuer (zuvor 1.000 Euro) durch Direktauftrag gem. § 14 UVGO durchgeführt werden dürfen. Für Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb des EU-Schwellenwertes von derzeit 214.000 Euro wird die Auswahl der zulässigen Verfahrensarten erweitert. Sie können im Wege der Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb bzw. im Wege der beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb vergeben werden. Dies wird das bisher überwiegend gewählte offene Verfahren voraussichtlich in den Hintergrund drängen. Denn die Beschaffung soll nicht nur schnell erfolgen, sondern auch auf die individuelle Situation angepasst sein. Möglichkeiten, auf bekannte, passgenaue Unternehmen zurückzugreifen und die Verhandlungsmöglichkeit auszuschöpfen, fördern dies weit besser als das wenig flexible offene Verfahren.

Darüber hinaus sieht eine Anpassung der Verwaltungsvorschrift auch für die Kommunikation eine wichtige Erleichterung vor. Angesichts der teilweise als aufwändig empfundenen und tatsächlich fehleranfälligen Nutzung von e-Vergabe-Portalen, legen die Neuregelungen fest, dass die elektronische Kommunikation bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen per einfacher E-Mail erfolgen kann. Diese Entlastung gilt, wenn eine beschränkte Ausschreibung oder eine Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb durchgeführt wird. Die e-Vergabe ist daher für Bayern zunächst nicht mehr für alle Verfahren verpflichtend anzuwenden.

Dauerhafte Erhöhung von Wertgrenzen auch außerhalb „Corona-Vergaben“

Sowohl die grundsätzliche Erhöhung der bisher geltenden Wertgrenzen für Direktaufträge, Verhandlungsvergaben und Bauaufträge  als auch die Neuregelung zur Kommunikation für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen gelten über die Corona-Befristung bis zum 30.6.2020 hinaus.

Nach § 14 UVGO ist der Direktauftrag für nicht Corona-relevante Beschaffungen ab sofort bis zu einer Wertgrenze von nun 5.000 Euro (zuvor  1.000 Euro) ohne Umsatzsteuer zulässig. Die Wertgrenze für die Verhandlungsvergabe bzw. beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb wird für alle Beschaffungen außerhalb der Corona-Relevanz auf 100.000 Euro (zuvor 50.000 Euro) ohne Umsatzsteuer festgelegt.

Die Wertgrenzen für Bauleistungen nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A) werden im Vergleich zum Teil höher angesetzt. Ein Direktauftrag ist nun zulässig bis zu einer Wertgrenze von 10.000 Euro (zuvor 3.000 Euro) ohne Umsatzsteuer; die Wertgrenze für die Freihändige Vergabe nach § 3a Abs. 3 VOB/A wird auf 100.000 Euro (zuvor 50.000 Euro) ohne Umsatzsteuer festgesetzt. Neu ist die Wertgrenze für beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb nach § 3a Abs. 2 Nr. 1 VOB/A in Höhe von 1 Mio. Euro ohne Umsatzsteuer.

Weitere grundsätzliche Regelungen über die Berücksichtigung von kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und bevorzugte Bieter, die Einbeziehung von Nachunternehmern, das Verbot der Vergabe von Bauleistungen an Generalübernehmer etc. bleiben bestehen.

Anwendungszeitraum und Übergangsregelung

Auf diejenigen Verfahren, die in Bayern vor dem Inkrafttreten der Bekanntmachung begonnen wurden, sind die Vergabebestimmungen anzuwenden, die zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens galten. Beschaffungen, die aufgrund besonderer Dringlichkeit mit Bezug auf die Eindämmung des Corona-Virus erforderlich sind, können zwischen dem 26.3.2020 bis zum 30.6.2020 vereinfacht durchgeführt werden. Auch danach gelten die bereits ab dem 26.3.2020 allgemein erhöhten Wertgrenzen fort.

Es ist wahrscheinlich, dass weitere Bundesländer die Beschaffung auch unterhalb der Schwellenwerte für die Zeit der Corona-Pandemie (und ihre Folgen) erleichtern werden. Gern halten wir Sie hier auf dem Laufenden.

Ansprechpartner: Dr. Roman Ringwald/Dr. Sascha Michaels/Anne K. Rupf

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