Nun auch Amazon und Google: Bundeskartellamt leitet Verfahren nach neuen Vorschriften für Digitalkonzerne ein

Das Bundeskartellamt (BKartA) hat letzte Woche (erneut) ein kartellrechtliches Verfahren gegen Amazon eingeleitet und vorgestern mit zwei Verfahren gegen Google bzw. Alphabet direkt nachgelegt – dieses Mal auf Grundlage einer neuen Vorschrift für Digitalkonzerne im kürzlich novellierten Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Neben einem entsprechenden, schon im Januar 2021 eingeleiteten Verfahren gegen Facebook bieten sich damit für die Wettbewerbshüter weitere Möglichkeiten, sich auf dieses neue Instrument zu stützen.

Hintergrund – Missbrauchskontrolle über (Digital-)Konzerne nach § 19a GWB

Als eine der wichtigsten Neuerungen der 10. GWB-Novelle gilt die Modernisierung der Missbrauchsaufsicht vor dem Hintergrund der Veränderung von Märkten durch die fortschreitende Digitalisierung der Wirtschaft (wir berichteten). Herzstück ist der neue § 19a GWB, der dem BKartA die Möglichkeit geben soll, frühzeitiger und effektiver gegen wettbewerbsschädliche Entwicklungen auf digitalisierten Märkten einzuschreiten. Diese Zentralnorm gibt dem BKartA bei der Untersuchung von Sachverhalten mit digitalen Bezügen ein wichtiges, neues Instrument zur Kontrolle von Unternehmen mit überragender Marktstellung an die Hand. Dieses ist zweistufig ausgestaltet. Im ersten Schritt kann die Behörde eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb feststellen, um im zweiten Schritt gegen missbräuchliche Praktiken vorzugehen, die den Wettbewerb schädigen oder gefährden.

Worum geht es in den jetzigen Verfahren?

Gestützt auf § 19a GWB leiteten die Wettbewerbshüter aus Bonn nun mehrere (weitere) Verfahren gegen mächtige Digitalkonzerne ein.

Eines der Verfahren betrifft den weltweit führenden Online-Handelsplatz Amazon. Nach § 19a Abs. 1 Satz 1 GWB möchte das BKartA nunmehr zunächst feststellen, ob Amazon ein Unternehmen mit ,,überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb‘‘ ist. Laut Präsident des BKartA Andreas Mundt erfordere dies ein Ökosystem, das sich über verschiedene Märkte erstreckt – eine schwer angreifbare wirtschaftliche Marktstellung. Diese Eigenschaften werden Amazon als marktführendem Online-Händler mit der weltweit größten Auswahl an Produkten, mit seinen zahlreichen Online-Marktplätzen und seinen weiteren (digitalen) Angeboten nur schwer abzusprechen sein. Das jetzige Verfahren gegen Amazon kommt dabei nicht ganz überraschend. Schon vor Inkrafttreten der neuen Missbrauchsregelungen hatte das BKartA zwei Verfahren gegen Amazon eingeleitet. Eines betrifft das Verhalten von Amazon im Zusammenhang mit Preiskontrollmechanismen. Konkret dreht es sich um die Algorithmen, die Amazon auf den von ihm betriebenen Online-Marktplätzen einsetzt. In dem anderen Verfahren geht es um Vereinbarungen zwischen Amazon und Markenherstellern, durch die Dritthändler vom Verkauf von Markenprodukten auf dem Amazon-Marketplace ausgeschlossen werden sollen.

Neben Amazon (und Facebook) hat das BKartA auf der Grundlage des § 19a GWB zudem auch den führenden Internet-Suchmaschinen-Anbieter Google ins Visier genommen. Auch hier möchte die Bonner Behörde zunächst feststellen, ob Google eine Stellung mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb innehat, worauf verschiedene tatsächliche Anhaltspunkte (wie die Vielzahl an digitalen Diensten und Anwendungen wie YouTube, Maps, Android oder Chrome) hindeuteten. Gleichzeitig hat das BKartA aber auch bekannt gegeben, sich in einem auf dieser Feststellung aufsattelnden, parallel bereits eingeleiteten zweiten Verfahren eingehend mit den Datenverarbeitungskonditionen von Google zu befassen. Dabei nannte Kartellamtspräsident Mundt als eine der zentralen Fragen, „ob Verbraucherinnen und Verbraucher ausreichende Wahlmöglichkeiten zur Nutzung ihrer Daten durch Google haben, wenn sie Google-Dienste verwenden wollen.“

Wie es weitergehen könnte

Die Verfahren gegen Facebook, Amazon und Google sind ein wichtiges Barometer für die Anwendung und Wirksamkeit der neuen Missbrauchsvorschrift für Digitalkonzerne im GWB. Eine streitige gerichtliche Auseinandersetzung ist dabei durchaus denkbar. Und auch hier gibt es Neuerungen, die darauf warten, durch die Praxis mit Leben gefüllt zu werden.

Für den Fall, dass Facebook, Amazon und/oder Google etwaige Entscheidungen des BKartA nach § 19a GWB angreifen möchten, stünde den Unternehmen nämlich ein (instanzentechnisch) verkürzter Rechtsweg zur Verfügung. Entscheidungen der Behörde können mit einem erheblichen Zeitersparnis unmittelbar vom Bundesgerichtshof (BGH) entschieden werden, § 73 Abs. 5 Nr. 1 GWB. So wird es in Zukunft möglich sein, Rechtsunsicherheiten, die im Zusammenhang mit Missbrauchshandlungen der sog. Tech Giants bestehen, schnell aus dem Weg zu räumen. Wir werden berichten, wie die Dinge sich entwickeln.

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Dr. Holger Hoch

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