Distressed M&A im Zeichen der Corona-Pandemie

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Die Corona-Pandemie hinterlässt deutliche Spuren bei der (Welt-)Wirtschaft. Trotz umfangreicher Rettungspakete seitens der Bundesregierung könnten die Unternehmensinsolvenzen auf ein nie vorher bekanntes Ausmaß ansteigen. Wenn ein Unternehmen in Schieflage gerät, aber auch wenn es bereits Insolvenz angemeldet hat, stellt sich die Frage nach einem angemessenen Zukunftsplan. Eine mögliche Option ist die Übernahme eines Unternehmens, das sich in einer Krise oder in Insolvenz befindet, ein sog. Distressed M&A-Deal. Eine solche Übernahme kann nachhaltige Chancen bieten, allerdings gibt es dabei auch einiges zu beachten.

Bei einem Distressed M&A hat das Krisenunternehmen, in diesem Fall das Target (also das Ziel), den Fortbestand in irgendeiner Form zu gewährleisten. Daran sind nicht nur die Eigenkapitalgeber (Shareholder), sondern auch die zahlreichen Stakeholder (z.B. Kreditgeber, Mitarbeiter, Zulieferer) interessiert. Aufgrund der angespannten (finanziellen) Situation wirkt das Unternehmen für viele potenzielle Käufer (Buyer) im ersten Schritt unattraktiv. Dies könnte dadurch verstärkt werden, dass die wirtschaftliche Situation bei den potenziellen Käufern, insbesondere bei globalen exogenen Schocks, wie die Corona-Pandemie, selbst angespannt ist. Es sollten aber auch mögliche Chancen einer solchen Situation berücksichtigt werden. Bei einem Distressed M&A erwirbt der Käufer das Target zu einem vergleichsweise günstigen Preis, ohne dass die strategischen Ziele der Übernahme (z.B. Diversifikation des Portfolios, Skaleneffekte, neue Absatzmärkte und Kunden) davon beeinträchtigt werden.

Besonderheiten der Distressed M&As

Bei Distressed M&As bestehen im Vergleich zu dem „klassischen M&A“ im aktuellen Umfeld umfangreiche Herausforderungen. Die Kunst besteht darin, folgerichtig zu analysieren, weswegen das Target in Schieflage geraten ist. Dies wird im Regelfall im Rahmen einer Commercial und Financial Due Diligence herausgearbeitet. Bei einer Commercial Due Diligence (CDD) wird intensiv überprüft, ob das Geschäftsmodell des Targets zukunftsfähig ist. Hierbei steht eine Analyse des Markt-, Kunden- und Wettbewerbsumfeld im Fokus. Die Financial Due Diligence (FDD) soll dem potenziellen Käufer einen Überblick über die vergangene, derzeitige und vor allem die zukünftige, prognostizierte finanzielle Lage des Zielobjekts geben. Aktuell ist bei der Commercial und Financial Due Diligence sicherlich eine differenzierte Analyse erforderlich. Dabei sollten die Zeiträume in drei Cluster aufgeteilt werden: einen Zeitraum vor der Corona-Pandemie, einen Übergangszeitraum sowie eine krisenfreie Zeit, die nicht durch die Corona-Pandemie beeinflusst ist.

Mit den Ergebnissen der CDD und FDD können die genauen Gründe der Krisensituation herausgearbeitet werden (z.B. suboptimale Finanzierungsstrategie). Wesentlich hierbei ist, dass das Geschäftsmodell (und somit langfristig auch die Finanzierung) langfristig wettbewerbsfähig ist und die Corona-Krise nicht ein ohnehin wackeliges Geschäftsmodell zum Einsturz gebracht hat.

Die Erkenntnisse aus der Due Diligence werden anschließend in der Unternehmensbewertung verarbeitet. Hierbei sind auch die Besonderheiten zu berücksichtigen, die bei der Bewertung eines hoch verschuldeten Unternehmens auftreten können. Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat dazu im Jahr 2018 einen Praxishinweis veröffentlicht.

Darüber hinaus hat die Transaktionsstruktur (z.B. Asset Deal/Share Deal) bei einer solchen Risikoübernahme erhebliche Auswirkungen. So können bspw. Banken durch ihre Kredite in nicht unerheblichem Maße am Unternehmen „beteiligt“ sein. Es ist zu klären, wie deren Beteiligungsverhältnis im Rahmen der Transaktion gehandhabt wird. Je nach Situation können Kredite neu verhandelt oder umstrukturiert werden.

Gerade zu Krisenzeiten ergeben sich neue Marktdynamiken, welche zu den verschiedensten M&A-Konstellationen führen können. Es wird spannend sein zu sehen, welche M&As wirklich langfristig von Erfolg gekrönt sind, da auch aktuell nicht abschätzbar ist, wann sich die allgemeine wirtschaftliche Situation wieder stabilisiert. Dennoch kann sich durch einen Distressed M&A eine nachhaltige Chance ergeben.

Ansprechpartner: Thomas Straßer/Tobias Sengenberger

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