Nun hat es auch den letzten Schienenkartellanten erwischt!

(c) BBH
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Seit Mai 2011 ermittelt das Bundeskartellamt (BKartA) gegen eine Reihe namhafter Hersteller und Händler von Oberbaumaterialien für Eisenbahn- und Straßenbahntrassen (wir berichteten). Sie werden beschuldigt, beim Vertrieb von Schienen, Weichen und Schwellen den Markt unter sich aufgeteilt und Preise abgesprochen zu haben. Dabei ging der Behörde eines der „traditionsreichsten“ deutschen Kartelle ins Netz. Es bestand seit mindestens Anfang der 1980er Jahre und war nicht nur in Deutschland, sondern auch in Luxemburg und Österreich tätig.

Das BKartA beschränkte seine Ermittlungen auf den Zeitraum 2001 bis 2011, dem Jahr, in dem die Durchsuchungen des Amtes den wettbewerbsbeschränkenden Praktiken ohnehin ein Ende setzten.

Die Aufarbeitung des umfangreichen Streitstoffs durchlief mehrere Phasen. Bereits im Juli 2012 wurden gegen vier Hersteller und Lieferanten von Schienen Bußgeldbescheide wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen zu Lasten der Deutsche Bahn AG in Höhe von insgesamt 124,5 Mio. Euro verhängt (wir berichteten). Davon trafen 103 Mio. Euro alleine die ThyssenKrupp AG. Mit dem Bußgeldbescheid gegen den vergleichsunwilligen „Nachzügler“ Moravia Steel konnte der Komplex der Absprachen zu Lasten der Deutsche Bahn AG am 11.7.2013 abgeschlossen werden.

Damit war die Angelegenheit aber noch keinesfalls erledigt, denn nicht nur die DB AG, sondern auch Nahverkehrsunternehmen, Privatbahnen, Industriebahnen und nicht zuletzt Straßenbahnunternehmen waren durch die Preis- und Quotenabsprachen des Schienenkartells über Jahrzehnte hinweg geschädigt worden. Für die Kartellierung dieser Märkte verhängte das Kartellamt am 23.7.2013 weitere Bußgelder gegen acht Kartellanten in Höhe von insgesamt 97,64 Mio. Euro – davon wiederum 88 Mio. Euro für ThyssenKrupp. Fast alle Kartellanten waren geständig, erklärten sich in sog. Settlements mit den Bußgeldentscheidungen einverstanden und verzichteten auf Rechtsmittel.

Lediglich die Vossloh Laeis GmbH, langjähriger Marktführer in Deutschland für Weichen, stellte sich quer. Zwar hatte sie anfangs kooperiert, doch dann widersetzte sie sich einer einvernehmlichen und damit beschleunigten Verfahrensbeendigung. Vor wenigen Tagen allerdings hat nach ausführlichem Verfahren das BKartA bestätigt, dass auch Vossloh Laeis am Kartell beteiligt war. Am 10.3.2016, noch rechtzeitig vor Eintritt der Verfolgungsverjährung, verhängte das BKartA gegen Vossloh Laeis ein Bußgeld in Höhe von 3,5 Mio. Euro. Bei der Bemessung des Bußgelds kam dem Unternehmen seine anfängliche Kooperationsbereitschaft zugute. Gleichwohl war dies das höchste Bußgeld im Kreis der „kleinen“ Kartellbeteiligten.

Bisher liegt nur eine Pressemitteilung vor. Was der Präsident des BKartA darin schreibt, ist aber eindeutig. Wörtlich heißt es dort:

Vossloh Laeis hat im Zeitraum von 2001 bis 2011 beim Vertrieb von Weichen und Schienen mit anderen Unternehmen Absprachen getroffen, die zu Lasten von Nahverkehrsunternehmen, Privat-, Regional- und Industriebahnen sowie Bauunternehmen gingen. Die Absprachen zielten darauf ab, Ausschreibungen bzw. Projekte unter den Kartellbeteiligten aufzuteilen. Mit diesem Fall ist das letzte noch anhängige Verfahren wegen des Verdachts von Kartellabsprachen im Markt für Gleisbauobermaterialien abgeschlossen.

Zivilrechtlich geht es mit den Schadensersatzklagen freilich noch weiter. Für Zivilgerichte ist die Feststellung des BKartA, dass Vossloh Laeis am Kartell beteiligt war, bindend. Damit ist es für die Geschädigten nunmehr einfacher, eine Wiedergutmachung zumindest in Höhe der meist vereinbarten Schadenspauschalen zu erstreiten. Gerade öffentliche Unternehmen dürften hier sehr gute Chancen haben.

Und dabei geht es nicht nur um Schadensausgleich zwischen Vertragsparteien. Man sollte nicht vergessen: Straßenbahn- und Nahverkehrstrassen werden vollständig aus öffentlichen Mitteln bezahlt. Letztlich geht es also um das Geld der Steuerzahler.

Ansprechpartner: Dr. Christian Jung/Dr. Olaf Däuper/Anna Lesinska-Adamson

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