(Gesunder) Wettbewerb im Gesundheitswesen: Bundeskartellamt startet Sektoruntersuchung bei Krankenhäusern

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Seit der 7. GWB-Novelle im Jahre 2005 haben die Kartellbehörden von Bund und Ländern die Möglichkeit, bestimmte Wirtschaftszweige oder branchenübergreifend bestimmte Arten von Vereinbarungen zu untersuchen. Diese sogenannten Sektoruntersuchungen sind nach § 32e GWB zulässig, wenn „starre Preise oder andere Umstände vermuten [lassen], dass der Wettbewerb im Inland möglicherweise eingeschränkt oder verfälscht ist“. Seitdem die Kartellbehörden über dieses Instrument der Marktüberwachung verfügen, hat allein das Bundeskartellamt (BKartA) flächendeckend in Deutschland zehn solcher Untersuchungen durchgeführt – u.a. in den Infrastrukturbereichen der Strom-, Erdgas- und Fernwärmeversorgung (wir berichteten). Auch die Kartellbehörden der Länder haben inzwischen wiederholt von dieser Befugnis Gebrauch gemacht.

Möglicherweise aufgeschreckt durch das Urteil (Az. I ZR 263/14) des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 24.3.2016  (wir berichteten), bei dem es um die Beurteilung ging, ob die Zuschussgewährung zum Ausgleich von Verlusten defizitärer kommunaler Krankenhäuser durch ihren Träger (Kommune) zu einer Wettbewerbsverzerrung führt, wendet sich das BKartA nunmehr den Wettbewerbsbedingungen des Krankenhauswesens zu. Dort rollt seit einigen Jahren eine beachtliche Konsolidierungswelle, und das BKartA hatte eine Reihe von Fusionskontrollverfahren durchzuführen. Für die Sektoruntersuchung will die Behörde bundesweit rund 500 Krankenhäuser von unterschiedlicher Größe, aus unterschiedlichen Regionen und in unterschiedlicher Trägerschaft befragen, um ein repräsentatives Bild des gesamten Marktes zu erlangen.

Das BKartA sieht seine Rolle im Bereich der Fusionskontrolle vor allem in der Sicherung von Qualitätswettbewerb. Daher verspricht es sich von der jetzt anlaufenden Sektoruntersuchung insbesondere Erkenntnisse über die aktuelle Marktsituation und die Wettbewerbsintensität. Im Bereich der akutstationären Krankenhausbehandlungen sind neben kommunalen und freigemeinnützigen Trägern zunehmend auch privatwirtschaftlich organisierte Krankenhäuser in privater Trägerschaft tätig. Neben der Marktstruktur soll mit Hilfe der Sektoruntersuchung auch analysiert werden, welche Steuerungsmöglichkeiten den Krankenhäusern jenseits der staatlichen Krankenhausplanung und sonstiger regulatorischer Vorgaben wie etwa des Sozialrechts (bspw. durch die Kostenträger) verbleiben. Zudem will das BKartA das Auswahlverhalten bzw. die Entscheidungsgrundlage der Patienten für ein Krankenhaus und die Möglichkeiten von Krankenhäusern, sich im Wettbewerb voneinander abzuheben, besser verstehen. Nicht zuletzt wird die Sektoruntersuchung auch die Personalsituation auf den unterschiedlichen Ebenen, die Vergütungsstrukturen und die finanzielle Situation der Krankenhäuser näher beleuchten.

Die wesentlichen Erkenntnisse des BKartA zu den genannten Punkten werden nach Abschluss der Untersuchung in einem Bericht veröffentlicht. Wann dieser kommt, steht derzeit allerdings noch in den Sternen, zumal die Datenauswertung für die rund 500 Krankenhäuser ihre Zeit braucht. Auch wenn das BKartA auf den ersten Blick „lediglich“ den Markt besser verstehen will, sollten die befragten Krankenhäuser die Untersuchung keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen. In der Vergangenheit kam es nach Sektoruntersuchungen regelmäßig auch zu individuellen Kartellverfahren, soweit sich in der Analyse Unregelmäßigkeiten zeigten. Daher gilt auch hier: Bitte lesen und beantworten Sie den Anamnesebogen des BKartA sorgfältig!

Abschließend bleibt jedoch die Frage, ob bzw. inwieweit es gelingen kann ein Verständnis für den Krankenhausmarkt zu erhalten, in dem man lediglich die Situation bei den Krankenhäusern (wenn auch in repräsentativer Form) abfragt, die weiteren Marktteilnehmer – dies sind insbesondere die Krankenkassen als Kostenträger – jedoch nicht in die Befragung mit einbezieht.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann

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