Der BGH stellt klar: Parallele Restschuldbefreiungsverfahren sind unzulässig

Häufig geben Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer natürlichen Person deren selbständige Tätigkeit aus der Insolvenzmasse frei. So darf der Schuldner trotz eines Insolvenzverfahrens weiterhin selbständig tätig sein, muss aber die pfändbaren Einnahmen an den Insolvenzverwalter abgeben. Bereits dies stellt Gläubiger vor Herausforderungen. Doch was passiert, wenn die fortgesetzte selbständige Tätigkeit des Schuldners abermals in eine Insolvenz führt und er nochmal einen Antrag auf Befreiung seiner Restschulden stellt, diesmal für die Verbindlichkeiten aus der fortgesetzten selbständigen Tätigkeit? Mit dieser Frage hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Entscheidung vom 22.7.2021, Az. IX ZB 7/20 auseinandergesetzt.

Worum geht es?

Der Insolvenzverwalter hatte in dem im Jahr 2014 eröffneten Insolvenzverfahren die selbständige Tätigkeit des Schuldners aus der Insolvenzmasse freigegeben. Der Schuldner kam jedoch auf keinen grünen Zweig und beantragte im Jahr 2018, während das Ausgangsverfahren noch lief, erneut die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und stellte, wie bereits im Jahr 2014, einen Antrag auf Restschuldbefreiung. Das Gericht eröffnete zwar das Insolvenzverfahren, erachtete den weiteren Antrag auf Restschuldbefreiung jedoch für unzulässig. Der BGH hat dieses Vorgehen für die vor dem 1.10.2020 geltende Rechtslage gebilligt.

In analoger Anwendung der Vorschrift des § 287a Abs. 2 Nr. 1 InsO geht der BGH davon aus, dass ein weiterer Restschuldbefreiungsantrag des Schuldners nach Freigabe seiner selbständigen Tätigkeit jedenfalls so lange unzulässig ist, wie die Entscheidung über den Restschuldbefreiungsantrag des Ausgangsverfahrens noch aussteht. Ein zweiter Restschuldbefreiungsantrag kann nicht gestellt werden, wenn über den Erstantrag noch nicht entschieden ist, da der Schuldner nicht fortwährend die Wohltat einer Restschuldbefreiung erlangen und insbesondere aus dem Erstverfahren Konsequenzen für sein wirtschaftliches Handeln ziehen soll. § 287a Abs. 2 Nr. 1 InsO in der bis zum 30.9.2020 geltenden Fassung enthielt für einen erneuten Antrag eine Sperrfrist von zehn Jahren, wenn dem Schuldner bereits zuvor Restschuldbefreiung erteilt wurde. Diese Verknüpfung zwischen Erst- und Zweitantrag gilt nach Ansicht des BGH auch, wenn der Zweitantrag Verbindlichkeiten betrifft, die aus einer vom Insolvenzverwalter freigegebenen selbständigen Tätigkeit des Schuldners stammen. Auf die Herkunft der Verbindlichkeiten des Schuldners komme es insoweit nämlich nicht an. Zudem könne der Schuldner die im Erstverfahren abgegebene Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 InsO nicht wirksam auf ein weiteres Verfahren erstrecken. Es ist davon auszugehen, dass der BGH hieran auch mit Blick auf die zum 1.10.2020 geänderten Reglungen über die Verkürzung der Restschuldbefreiung festhält.

Bewertung für die Praxis

Die Freigabe der selbständigen Tätigkeit soll es dem Schuldner ermöglichen, seine wirtschaftliche Selbständigkeit fortzusetzen. Spiegelbildlich bedeutet die Freigabe für Gläubiger aber die Gefahr von Forderungsausfällen, denn für die Verbindlichkeiten, die im Rahmen der fortgesetzten selbständigen Tätigkeit begründet werden, steht grundsätzlich nur noch das pfändungsfreie Vermögen des Schuldners als Haftungsmasse zur Verfügung. Es empfiehlt sich daher, frühzeitig Forderungen (etwa durch Vorauszahlungen) zu sichern. Die Entscheidung des BGH ist dennoch zu begrüßen. Nur auf diese Weise kann das in § 287a Abs. 2 Nr. 1 InsO verankerte Missbrauchsverbot wirksam umgesetzt werden. Der Schuldner soll die ihm spätestens aufgrund des Erstverfahrens bekannten Konsequenzen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit voll tragen.

Die augenscheinlich ungewöhnliche Konstellation zeigt einmal mehr, dass ein solide aufgestelltes und konsequentes Forderungsmanagement Forderungsausfällen entgegenwirken kann.

Ansprechpartner*innen: Markus Ladenburger/Steffen Lux/Johanna Schricker

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