Compliance-Gesetz – Italien als Vorbild für Deutschland

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Wir Deutschen neigen dazu, uns in punkto Korrektheit und Gesetzestreue über unsere südlicheren Nachbarn zu erheben. Dass das nicht immer berechtigt ist, zeigt das Beispiel Italien: Dort gibt es bereits seit zehn Jahren ein Gesetz (Dekret 231/2001), das in Italien tätige Unternehmen verpflichtet, ein wirksames Compliance-Management-System einzurichten. Eine vergleichbare gesetzliche Regelung ist in Deutschland derzeit noch nicht einmal in Ansätzen zu erkennen.

Rechtstechnisch geht es bei der italienischen Regelung um Folgendes: Sie errichtet ein umfassendes Unternehmensstrafrecht und verbindet es mit einer Beweislastumkehr nebst Enthaftungsmöglichkeit. Im Einzelnen:

Seit dem Jahr 2000 wurde die Haftung von Unternehmen für Straftaten auf rund 100 Regeltatbestände ausgeweitet. Neben Bestechung, Subventionsbetrug und Kartellstraftaten sind auch Bilanzfälschung, Umweltdelikte oder Verstöße gegen Arbeitssicherheitsrecht oder die rechtswidrige Beschäftigung von Ausländern Delikte, für die die Unternehmen selbst und nicht nur ihre Mitarbeiter belangt werden können. Wenn ein Unternehmen eine dieser Straftaten begeht, drohen ihm Geldstrafe, Beschlagnahme, Gewinnabschöpfung, Betriebsschließung, Entzug von Erlaubnissen oder dem Ausschluss von öffentlichen Aufträgen. Verurteilungen müssen in der Presse bekannt gemacht werden.

Neben dem Unternehmen werden auch die handelnden Personen straf- und zivilrechtlich verfolgt. Wenn sich leitende Mitarbeiter des Unternehmens strafbar machen, wird die Schuld des Unternehmens von Gesetzes wegen vermutet; bei nicht leitenden Mitarbeitern muss dagegen der Vorwurf des Organisationsverschuldens vom Staat bewiesen werden. Der Beweislastumkehr kann das Unternehmen entgehen, wenn es ein Organisationsmodell eingeführt und angewandt hat, das geeignet ist, die verwirkten Regeltatbestände zu vermeiden, und eine Überwachungsinstanz besteht, die seine Einhaltung kontrolliert. Gefordert wird also die Einrichtung und Praktizierung eines sog. Compliance-Management-Systems.

Die vorstehenden Regeln gelten auch für ausländische Unternehmen ohne Niederlassung in Italien, wenn sie dort Geschäfte tätigen. Die beschriebene Rechtslage ist damit auch für deutsche Energieversorger relevant, die in Italien Wind- und Solarkraftwerke betreiben bzw. sich an entsprechenden Unternehmen beteiligen.

Darüber hinaus stellt sich ganz generell die Frage, ob die derzeit in der deutschen Politik vorherrschende Meinung, Compliance müsse (außerhalb des Finanzmarktes) nicht explizit geregelt werden, noch „state of the art“ ist. Wer sich in der Thematik auskennt und gelegentlich mit Polizei und Staatsanwaltschaften spricht, der weiß, dass die kürzlich von einer renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft publizierte Behauptung, Deutschland sei bald „korruptionsfrei“, ziemlich stark an der Realität vorbeigeht. Außerdem zeigt das italienische Beispiel, dass Compliance-Management deutlich mehr umfasst als „Korruptionsvermeidung“. Es dürfte an der Zeit sein, dass Deutschland nicht nur beim Fußball versucht, mit Italien qualitativ gleichzuziehen, sondern auch in der gesetzlichen Behandlung von Compliance-Management auf „Ballhöhe“ zu kommen.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau

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