Jetzt wird es exklusiv – Die Europäische Kommission konkretisiert die Leitlinien für die Strompreiskompensation in der 4. Handelsperiode

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Für viele Unternehmen stromintensiver Industrien ist die sog. Strompreiskompensation ein essentieller Bestandteil der Kostenkalkulation. Doch diese willkommene Entlastung ist für einige Branchen in Gefahr. Der Grund: die EU-Kommission überlegt, die Leitlinien dafür in der kommenden Handelsperiode deutlich zu verschärfen.

Im EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) können sich Unternehmen in ausgewählten Sektoren seit der 3. Handelsperiode von den Mehrkosten entlasten lassen, die ihnen dadurch entstehen, dass die Stromerzeuger die Preise für die CO2-Zertifikate auf den Strompreis aufschlagen, die bei der Stromproduktion in emissionshandelspflichtigen Anlagen nun einmal anfallen. Die CO2-Kosten, die bekanntlich in den letzten Jahren kräftig gestiegen sind, sollen nämlich nicht die internationale Wettbewerbsfähigkeit der versorgten Unternehmen beeinträchtigen. Schon nach den von der Europäischen Kommission für die 3. Handelsperiode aufgestellten Leitlinien waren nicht alle Sektoren begünstigt, die im EU-ETS als abwanderungsbedroht gelten (Stichwort: Carbon Leakage), sondern nur 14 Sektoren und sechs weitere Teilsektoren.

Seit Frühjahr 2019 werden diese Leitlinien (wir berichteten) für die 4. Handelsperiode ab 1.1.2021 überarbeitet. Inzwischen existiert ein Entwurf dieser „Guidelines on certain State aid measures in the context of the greenhouse gas emissions allowance trading scheme post 2021“.

Und dieser Entwurf hat es in sich: Der exklusive Kreis der Sektoren, denen künftig eine Strompreiskompensation gewährt werden darf, soll sich nochmals verringern, auf nunmehr nur noch 8 Sektoren. Herausfallen sollen namentlich die Gewinnung von Mineralien für die Herstellung von chemischen Erzeugnissen, die Herstellung von Düngemitteln und Stickstoffverbindungen, die Erzeugung und erste Bearbeitung von Kupfer, die Herstellung von sonstigen organischen Grundstoffen und Chemikalien, die Baumwollaufbereitung und -spinnerei, die Herstellung von Chemiefasern, der Eisenerzbergbau und die bisher begünstigten Teilsektoren aus dem Sektor der Herstellung von Kunststoffen in Primärformen. Hinzu kommt allerdings der Sektor der Mineralölverarbeitung.

Bei der Gewährung der Beihilfe bleibt nach dem Entwurf die Beihilfehöchstintensität mit 75 Prozent der anfallenden Kosten für Betroffene auf dem auch nach der aktuellen Leitlinie für die Jahre 2019 und 2020 vorgesehenen Niveau und wird somit nicht weiter absinken. Allerdings ist eine neue Regelung für diejenigen Sektoren vorgesehen, bei denen dies zum Schutz vor Carbon Leakage nicht ausreicht. Den Mitgliedstaaten wird die Möglichkeit eingeräumt, die Kosten auf einen bestimmten Prozentsatz der Bruttowertabschöpfung eines Unternehmens zu begrenzen, der allerdings bisher noch nicht näher definiert ist. Neu ist zudem, dass die Kommission eine Ex-post-Evaluierung der gewährten Beihilfen verlangen kann und ggf. den jeweiligen Mitgliedstaat auffordern wird, entsprechende Berichte zu übersenden bzw. zu notifizieren.

Darüber hinaus sollen Kompensationen nur noch gewährt werden, wenn die Betroffenen nachweisen, dass sie ein Energieaudit nach Art. 8 der EU-Energieeffizienzrichtlinie durchgeführt oder ein Energie-Management-System installiert haben. Bisher sind die Standards dafür noch nicht näher geregelt. Fällt ein betroffenes Unternehmen bisher nicht unter die Regelungen zum Energieaudit, sollen die Mitgliedstaaten zudem trotzdem sicherstellen, dass es innerhalb von vier Jahren nach dem ersten Antrag zur Beihilfe ein Audit durchführt und dies im Nachgang alle vier Jahre wiederholt. Außerdem sollen die Mitgliedstaaten überwachen, dass energieauditpflichtige Unternehmen entweder die Empfehlungen ihres Auditberichts umsetzen, wenn die Rückzahlungszeit für relevante Investitionen nicht unter fünf Jahren liegt und die Investitionskosten angemessen sind, oder dass sie ihren CO2-Fußabdruck, der durch ihren Stromverbrauch entsteht, z.B. über sog. CO2-freie Power Purchase Agreements oder Stromlieferverträge reduzieren.

Insgesamt überrascht es nicht, dass der Entwurf kritisch kommentiert wird, auch von der deutschen Bundesregierung. Diese hat bereits angemahnt, dass die Gefahr des Carbon Leakage weiter besteht, also industrielle Produktion in Regionen mit geringerem klimapolitischem Ambitionsniveau verlagert werden könnte, und dass die Kommission daher von der beabsichtigen Kürzung der Liste der begünstigten Sektoren absehen sollte. Außerdem kritisiert sie, dass wegen der pauschal absinkenden Beihilfehöchstintensität nicht einmal für die stromeffizientesten Anlagen eine vollständige Kompensation der CO2-Kosten gewährt werden kann.

Mit dem Entwurf ist das letzte Wort für die heute und künftig begünstigten stromintensiven Industrien noch nicht gesprochen. Angesichts des klar dokumentierten Willens der Kommission, die Kriterien für die Förderfähigkeit künftig deutlich restriktiver zu handhaben, dürfte hier aber noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten sein. Dass es „nur acht Sektoren auf der Liste sein dürfen“, wie man hört, ist dabei sicher kein sachlicher Grund.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

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