Agri-Photovoltaik: Rechtlich weit vom Maßanzug entfernt…

©Fraunhofer ISE

Werden Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen errichtet, gehen Flächen für die Erzeugung von Nahrungs- und Futtermitteln verloren. Es drohen Nutzungskonflikte, die den Ausbau der Solarenergie bremsen könnten. Agri-Photovoltaik (APV) kann hier Abhilfe schaffen, doch der Rechtsrahmen hemmt den Ausbau.

APV und Landwirtschaft

Mit APV bleibt die Bewirtschaftung der Felder nach wie vor möglich. APV-Projekte sind daher insbesondere prädestiniert dafür, dezentral von Landwirten getragen zu werden. In Kombination z.B. mit einer Biogasanlage könnte der komplette Bauernhof CO2-neutral gestellt werden. Je nach Konzeption lässt sich zudem der Bedarf an Bewässerung und Pflanzenschutzmitteln senken. Und nicht nur das: In einem Pilotprojekt erzielten Biobauern unter der APV-Anlage teilweise sogar höhere Erträge als auf den Vergleichsflächen. Die geringere Verdunstung und niedrigere Bodentemperaturen kamen dabei fast allen Gewächsen zugute und sind im Hinblick auf anstehende Klimaextreme willkommene Effekte. Auch in technischer Hinsicht ergaben sich keine gravierenden Schwierigkeiten: Die verwendeten Solarmodule waren teilweise transparent und konnten beidseitig Licht absorbieren.

Bei all diesen Vorteilen stellt sich die Frage, warum APV in Deutschland nicht weiter verbreitet ist. Das liegt vor allem an dem komplexen Rechtsrahmen.

EU-Beihilfen und Öffentliches Recht

Nach der DirektZahlDurchfV werden Flächen, auf denen sich Solaranlagen befinden, hauptsächlich für eine nicht-landwirtschaftliche Tätigkeit genutzt. Bei strenger Lesart hat das zur Folge, dass die EU-Beihilfen nicht beansprucht werden könnten. Die Verordnung muss jedoch europarechtskonform ausgelegt werden. Das bedeutet im Wesentlichen, dass die APV die landwirtschaftliche Tätigkeit durch ihre Intensität, Art, Dauer oder den Zeitpunkt nicht zu stark einschränken darf. Diese Vorgaben kann APV mit der richtigen Konzeption erfüllen, so dass der Weg zu den Fördertöpfen geebnet ist.

Zudem liegen die benötigten Flächen häufig im sog. unbeplanten Außenbereich, der grundsätzlich von einer Bebauung frei bleiben soll. Aber es gibt Ausnahmen: Beispielsweise – verkürzt gesagt – wenn das Vorhaben einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt. Ein hoher Eigenverbrauch des Stroms aus der APV kann hier den Ausschlag geben. Gelingt die Einordnung nicht, muss man über die Aufstellung eines Bebauungsplans nachdenken. Derzeit gibt es aber keinen maßgeschneiderten Siedlungsbaustein für APV in der BauNVO. Das bedeutet: Kreativ argumentieren oder – ein Wunsch an den Gesetzgeber – ein „Sondergebiet Agri-Photovoltaik“ schaffen.

Das EEG 2021

Eine finanzielle Förderung für Strom aus Freiflächenanlagen auf Ackerflächen ist in der Regel nicht möglich. Liegt die Fläche jedoch z.B. längs von Autobahnen oder Schienenwegen in einer Entfernung von bis zu 200 m – und im Bereich eines Bebauungsplans – ist ein großer Schritt in Richtung Förderung getan. Die Bundesländer haben die Möglichkeit, die Flächenkulisse des EEG für „Ausschreibungsanlagen“ darüber hinaus noch zu erweitern. Davon haben bislang aber nur Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland Gebrauch gemacht.

Im Rahmen der jüngsten EEG-Novelle wurde bei den sogenannten Innovationsausschreibungen für den Gebotstermin am 1.4.2022 ein Segment in Höhe von 50 MW für besondere Solaranlagen reserviert. Deshalb lohnt es sich, hier einmal näher hinzuschauen…

Zu den besonderen Solaranlagen gehören neben PV-Anlagen über Parkplätzen und Floating-PV auch „Solaranlagen auf Ackerflächen bei gleichzeitigem Nutzpflanzenanbau auf der Fläche“. Die genauen Anforderungen an diese Anlagen soll die Bundesnetzagentur (BNetzA) bis zum 1.10.2021 bestimmen. Problematisch ist, dass mit Blick auf APV nur Ackerflächen adressiert sind. Streng am Wortlaut verhaftet sind deshalb Anwendungen für Sonder- und Dauerkulturen oder im Obstbau, bei welchen ein besonders hohes Potenzial erwartet wird, ebenso ausgeschlossen wie Anlagen auf Dauergrünland. Zudem stellt sich die Frage, ob sich die hoch aufgeständerten AVP-Anlagen aufgrund ihrer Kostenstruktur in dem Segment der „besonderen Solaranlagen“ überhaupt durchsetzen können. Da gerade diese Anlagen mit Blick auf die geschilderten positiven Effekte erhebliche Chancen eröffnen, ein weiterer Appell an den Gesetzgeber: § 88d Nr. 1 EEG 2021 ermöglicht es, ein eigenes Segment für die hoch aufgeständerten APV-Anlagen zu schaffen. Bitte zugreifen!

§ 37 EEG 2021 ist für die besonderen Solaranlagen nicht anzuwenden, sodass die Anforderungen für die finanzielle Förderung bezüglich Flächenkulisse und Bebauungsplan nicht beachtet werden müssen. Dies schafft willkommene Freiräume.

Der Netzbetreiber zahlt für den Strom einen festen Betrag pro Kilowattstunde, eine sogenannte fixe Marktprämie. Voraussetzung ist natürlich, dass der Bieter für „seine“ angebotene fixe Marktprämie den Zuschlag erhält. Der maximale Wert eines bei der Ausschreibung zugelassenen Gebots wird voraussichtlich bei ca. 7,43 ct/kWh liegen. Das hört sich attraktiv an, zumal als zweite Einnahmequelle die Erlöse aus dem Verkauf des Stroms winken. Teilnahmeberechtigt sind allerdings nur Anlagenkombinationen, die zudem eine installierte Leistung zwischen 100 kW und 2 MW aufweisen müssen. Die APV-Anlage muss daher z.B. mit einem Speicher zusammengeschlossen werden und mit diesem über einen gemeinsamen Netzverknüpfungspunkt einspeisen. Außerdem darf der Strom grundsätzlich nicht selbst verbraucht werden.

Es zeigt sich: Der Rechtsrahmen für Agri-PV zwickt noch an der einen oder anderen Stelle…

Ansprechpartner*innen: Dr. Martin Altrock/Jens Vollprecht

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