Auf dem Weg zur Dekarbonisierung: Bundesweite Pflicht zur Wärmeplanung

Am 3.5.2023 haben das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) den Referentenentwurf des Wärmeplanungsgesetzes vorgelegt. Er sieht eine bundesweite Pflicht zu einer flächendeckenden kommunalen Wärmeplanung vor, deren Adressat die Bundesländer sind, die diese Aufgabe per Landesgesetz auf die Kommunen übertragen können. Darüber hinaus werden ordnungsrechtliche Pflichten an den Betrieb von Wärmenetzen gestellt.

Zielsetzung

Das Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze soll einen wesentlichen Beitrag zu der Dekarbonisierung der Wärmeversorgung in Deutschland leisten. Dabei konzentriert es sich auf die Dekarbonisierung der leitungsgebundenen Wärmeversorgung über Wärmenetze. Der Anteil an erneuerbaren Energien und unvermeidbarer Abwärme an dem jährlichen Wärmeenergieverbrauch soll in Wärmenetzen im bundesweiten Mittel bis zum 1.1.2030 auf mindestens 50 Prozent erhöht werden.

Verpflichtende Wärmeplanung

Ein zentrales Instrument des Gesetzesentwurfs ist eine bundesweit einheitliche und verpflichtende Wärmeplanung. Dadurch sollen kommunale Dekarbonisierungspotenziale identifiziert und Planungssicherheit für Investitionen in den Ausbau der erneuerbaren Energien und unvermeidbarer Abwärme gewährleistet werden. Für die Durchführung der Wärmeplanung soll eine planungsverantwortliche Stelle nach Landesrecht bestimmt werden.

Staffelung nach Einwohnerzahl

Für Gemeindegebiete, in denen mehr als 100.000 Einwohner gemeldet sind, sind die Länder verpflichtet, die Erstellung und Einhaltung der Wärmepläne bis zum Ablauf des 31.12.2027 sicherzustellen. Bereits bis zum Ablauf des 31.12.2025 soll dieses Ziel erreicht sein. Für Gemeindegebiete, in denen mehr als 10.000 Einwohner gemeldet sind, soll die Wärmeplanung zunächst bis zum Ablauf des 31.12.2027 erfolgen, anschließend gilt eine Frist bis zum Ablauf des 31.12.2028 für die verpflichtende Durchführung. Für Gemeindegebiete unter 10.000 Einwohner kann insgesamt von einer Wärmeplanung abgesehen oder ein vereinfachtes Verfahren eingeführt werden.

Beteiligung an der Wärmeplanung

Die Wärmeplanung ist nach dem Gesetzesentwurf als transparenter Beteiligungsprozess ausgestaltet. Die Öffentlichkeit, alle Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereiche durch die Wärmeplanung berührt werden können, natürliche oder juristische Personen sowie Energiegemeinschaften, sofern ihre Interessen durch die Wärmeplanung erheblich berührt werden oder ihre Beteiligung für die Durchführung der Wärmeplanung unerlässlich ist, sollen beteiligt werden.

Bestandteile der Wärmeplanung

Die Wärmeplanung beginnt nach dem Entwurf mit einem Aufstellungsbeschluss. Anschließend wird in einer Bestandsanalyse die Ausgangssituation der aktuellen Wärmeversorgung untersucht. Die darauf folgende Potenzialanalyse dient dazu, die vorhandenen Potenziale zur Erzeugung und Nutzung von Wärme aus erneuerbaren Energien und unvermeidbarer Abwärme innerhalb des beplanten Gebiets zu ermitteln. Die langfristige Entwicklung der Wärmeversorgung wird dann in einem Zielszenario festgehalten. Anschließend wird das beplante Gebiet in sogenannte Wärmeversorgungsgebiete eingeteilt. Dabei werden bestimmte Wärmeversorgungsarten den einzelnen Teilgebieten der Kommune zugewiesen. Zum Abschluss werden konkrete Umsetzungsmaßnahmen entwickelt. Der Wärmeplan wird anschließend alle fünf Jahre überprüft.

Die Festlegungen des Wärmeplans sind bei Abwägungs- und Ermessensentscheidungen bei der Flächen- und Bauleitplanung sowie bei der Entscheidung über die Zulässigkeit von Bauvorhaben zu berücksichtigen.

Verpflichtende Einhaltung der 50-Prozent-Vorgabe

Als weiteres Instrument sieht der Entwurf eine Pflicht für Betreiber von Wärmenetzen zur Erreichung des Anteils der Wärme von 50 Prozent aus erneuerbaren Energien und unvermeidbarer Abwärme vor. Grundsätzlich gilt diese Vorgabe ab dem 1.1.2030.

Der Entwurf sieht jedoch einige Ausnahmen vor:

  • Für ein Wärmenetz, für das ein Transformationsplan im Sinne der Richtlinie für die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) erstellt und durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) genehmigt wurde, verlängert sich die Frist bis zum 14.9.2032. Bei einer Verlängerung der Bewilligungsfrist nach der BEW verlängert sich die Frist längstens bis zum 14.9.2034.
  • Für ein Wärmenetz, das mit einem Anteil von mindestens 50 Prozent mit Nutzwärme durch den Einsatz fossiler Wärme aus einer geförderten KWK-Anlage gespeist wird, verlängert sich die Frist bis zum 12.2035.
  • Ebenso kann eine Fristverlängerung bis zum 12.2035 gewährt werden, wenn eine unzumutbare wirtschaftliche Härte vorliegt und der Antragsteller spätestens bis zum 14.9.2028 einen Transformations- oder Wärmenetzausbauplan vorlegt und hierin darlegt, wie die Zielvorgabe erreicht werden soll.

Nach Ablauf dieser Fristen darf eine Förderung aus Mitteln des Bundeshaushalts nicht bewilligt werden, wenn der Förderzweck darin besteht, den gesetzlich vorgegebenen Anteil an erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme in einem Wärmenetz zu erreichen. Zur Erreichung der übergeordneten Ziele müssen alle Wärmenetze zudem bis 2045 vollständig klimaneutral sein. Gelingt dies den Betreibern der Wärmenetze nicht, darf das jeweilige Wärmenetz nicht mehr betrieben werden. Bei einem Verstoß sieht der derzeitige Entwurf ein Bußgeld von bis zu einer Million Euro vor.

Darüber hinaus werden alle Betreiber eines Wärmenetzes dazu verpflichtet, für das eigene Wärmenetz bis zum 31.12.2026 einen Transformations- und Wärmenetzausbauplan zu erstellen. Ausgenommen sind Betreiber, die bereits einen Transformationsplan oder eine Machbarkeitsstudie im Sinne der BEW erstellt und dafür eine Genehmigung des BAFA erhalten haben.

Für neue Wärmenetze sieht der Entwurf vor, dass bereits ab dem 1.1.2024 ein Anteil von 65 Prozent aus erneuerbaren Energien, vermeidbarer Abwärme oder einer Kombination aus beiden erzielt wird.

Zusammenspiel mit anderen Gesetzen und Förderprogrammen

Das Wärmeplanungsgesetz soll neben das bestehende Förderangebot – insbesondere in Gestalt der BEW – treten. Dies wird dadurch verdeutlicht, dass Wärmenetze, für die ein Transformationsplan nach der BEW erstellt worden ist, eine längere Frist (14.9.2032) erhalten, um die Vorgaben des Wärmeplanungsgesetzes zu erfüllen. Darüber hinaus werden bereits bestehende Transformationspläne sowie Machbarkeitsstudien nach der BEW durch das Wärmeplanungsgesetz anerkannt.

Zudem ist das Wärmeplanungsgesetz an die Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) angeglichen. Der Entwurf des GEG sieht vor, dass ein Anteil von 65 Prozent an erneuerbaren Energien bzw. unvermeidbarer Abwärme erzielt wird. Diese Vorgabe wird in dem Wärmeplanungsgesetz im Hinblick auf die Anforderungen an neue Wärmenetze aufgegriffen.

Ansprechpartner*innen BBH: Ulf Jacobshagen/Dr. Markus Kachel/Dr. Heiner Faßbender
Ansprechpartner*innen BBHC: Roland Monjau/Lars Dittmar/Lina Taube

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