Aufregung im Norden: OVG Schleswig erklärt die regionale Windenergieplanung in Schleswig-Holstein für unwirksam

(c) BBH
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Die Regionalplanung in Schleswig-Holstein in Sachen Windenergie gerät ins Wanken. Am 20.1.2015 hat das OVG Schleswig die Teilfortschreibung des Regionalplans 2012 für die Planungsräume I und III zur Ausweisung von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung für unwirksam erklärt. Andere Planungsräume könnten folgen.

Das Urteil (Az. 1 KN 6/13 u.a.) ist noch nicht rechtskräftig und hat einstweilen noch keine allgemeine Verbindlichkeit; die schriftliche Begründung steht noch aus. Sobald sie vorliegt und innerhalb der zulässigen Frist keine Beschwerde erhoben wird, wird das Urteil rechtskräftig und damit auch von den Behörden, die derzeit mit Genehmigungsverfahren beschäftigt sind, zu beachten sein. Und dann stellt sich vor allem die Frage, ob damit die früheren Regelungen der jeweiligen regionalen Planungsräume in Sachen Windenergie fortgelten.

Bislang hat das OVG Schleswig die Teilfortschreibung in den Planungsräumen I (Kreise Herzogtum Lauenburg, Pinneberg, Segeberg und Stormarn) und III (Kreisfreie Städte Kiel und Neumünster sowie die Kreise Plön und Rendsburg-Eckernförde) für unwirksam erklärt. In den weiteren drei Planungsräumen, welche die übrige Fläche des Landes Schleswig-Holstein umfassen, sind ebenfalls Normenkontrollanträge nach § 47 VwGO anhängig. Ein Entscheidungszeitpunkt in diesen Verfahren steht noch nicht fest. Die Landesplanung rechnet sogar damit, dass womöglich auch der Landesentwicklungsplan von 2010 im Bereich Windenergie für unwirksam erklärt werden könnte. Das ist indes nicht einleuchtend, denn die einjährige Antragsfrist des § 47 Abs. 2 VwGO ist bereits abgelaufen. Sollte das Gericht die Gültigkeit des Landesentwicklungsplans inzident im Rahmen eines einzelnen Genehmigungsverfahrens prüfen, dann dürfte dies grundsätzlich keine allgemeine Verbindlichkeit erlangen.

Da die Entscheidungsgründe noch nicht vorliegen, lässt sich das Urteil des OVG Schleswig nur vorläufig auf Grund von Pressemitteilungen beurteilen. Sobald die Gründe vorliegen, werden wir darüber hier im Blog berichten.

Was war geschehen?

Das Land Schleswig-Holstein verfügt aktuell über einen Landesentwicklungsplan und fünf Regionalpläne. Diese Regionalpläne sind im Bereich Windenenergienutzung im Dezember 2012 fortgeschrieben worden, und zwar im Hinblick auf die Ziele des Landesentwicklungsplanes aus dem Jahr 2010. Bürger, Unternehmen und auch zwei Gemeinden hatten sich gegen diese Teilfortschreibung gewandt, da diese vorsah, die Eignungsgebiete für die Windenergie auszuweiten; sie fürchteten eine „Verspargelung“ der Landschaft. Windenergieunternehmen hingegen kritisierten, dass zu wenig Eignungsflächen ausgewiesen worden seien.

Kritik des OVG Schleswig an der Regionalplanung

Das OVG Schleswig nennt, wie der Pressemitteilung zu entnehmen ist, neben Verfahrensfehlern auch erhebliche Abwägungsmängel als Grund für die Entscheidung:

Der übergeordnete Landesentwicklungsplan 2010 setzt als Ziel, 1,5 Prozent der Landesfläche als Eignungsgebiet für Windenergienutzung auszuweisen. Um diese Fläche zu ermitteln, hatte das Land die Kreise gebeten, so genannte Kreiskonzepte zu geeigneten Flächen für die Windenergienutzung zu erstellen. In der Pressemitteilung des OVG Schleswig heißt es:

„Dabei sollten unabhängig von der fachlichen Eignung keine Flächen aus Gemeinden in die Eignungsflächen einbezogen werden, die die Errichtung von Windkraftanlagen ablehnen.“

Die Landesplanungsbehörde selber ermittelte die geeigneten Flächen anhand der fachlichen Eignung. Da danach genügend Potentialflächen zum Erreichen des Ziels zur Verfügung standen, meinte das Land, die Flächen in den Gemeinden unberücksichtigt lassen zu können, welche sich gegen eine Windenergienutzung ausgesprochen hatten. Dieses Vorgehen, das in Hinblick auf die Akzeptanz politisch viel für sich hat, hat das OVG rechtlich indessen nicht überzeugt.

Für das OVG kommt es darauf an, ob die Kommunen sich tatsächlich lediglich aufgrund politischer Gründe oder auch anhand fachlicher Kriterien entschieden haben, die Windenergie in ihren Gebieten auszuschließen. Das ist bislang nicht eindeutig. Die Pressemitteilung erweckt den Eindruck, dass ausschließlich der politische Wille Entscheidungsgrundlage für die Gemeinden war und allein die Landesplanungsbehörde nach fachlichen Kriterien abgrenzte. Regionale Raumplanung steht in besonderem Maße im Spannungsfeld zwischen Landesplanung und kommunaler Planung, so dass dieses Vorgehen, das vor allem auch auf Toleranz der Bevölkerung basiert, nicht per se unzulässig erscheint. Jedenfalls kann ein regionaler Raumordnungsplan nicht deshalb für unwirksam erklärt werden, weil Kreise und Gemeinden entsprechend in die Landesplanung einbezogen worden sind. Im Gegenteil: Nach Maßgabe des im Raumordnungsrecht verankerten Gegenstromprinzips ist dieses Verfahren nicht nur üblich, sondern geboten.

Darüber hinaus kritisiert das OVG Schleswig, dass nach einer zweiten Öffentlichkeitsbeteiligung die Pläne stellenweise erneuert worden seien, ohne ein weiteres Beteiligungsverfahren durchzuführen.

Schon aus diesen beiden Verfahrensfehlern solle sich die Unwirksamkeit der Teilfortschreibungspläne ergeben.

Darüber hinaus sieht das Gericht ebenfalls erhebliche materielle Abwägungsmängel. Insbesondere seien „harte“ und „weiche“ Tabuzonen nicht auf rechtmäßige Weise ausgewählt worden.

Was folgt nun aus dem Urteil?

Alle Eigentümer von Windenergieanlagen, die nach dem bislang geltenden Recht auf Grundlage eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes errichtet worden sind oder die über einen bestandskräftigen Verwaltungsakt verfügen, der ihnen die Genehmigung einer oder mehrerer Windenergieanlagen ermöglicht, müssen sich keine Sorgen machen: Diese Anlagen genießen Bestandsschutz.

Anders sieht es bei noch nicht genehmigten Windenergieanlagen aus, die in solchen Gebieten liegen, die erst im Rahmen der Teilfortschreibung als Windeignungsgebiete festgelegt wurden. Die Festlegung der Windeignungsgebiete nach der Teilfortschreibung gilt nach Eintritt der Rechtskraft als von Anfang an unwirksam. Mit Wegfall dürfte daher die alte Planung fortgelten. Dies bedeutet aber, dass bei der Genehmigung von Windenergieanlagen im Außenbereich die Ziele der (alten) regionalen Raumplanung als öffentliche Belange einer Genehmigung entgegenstehen, wenn Konzentrationsflächen ausgewiesen sind, welche eine anderweitige Bebauung ausschließen, und die jeweilige Windenergieanlage nicht in einem solchen Gebiet geplant ist.

Die Landesregierung vertritt die nicht näher begründete Auffassung, dass Genehmigungen für Windkraftanlagen nun nur auf Grundlage des geltenden Bau- und Immissionsschutzrechtes zu erteilen sind und keine Vorgaben der Regionalplanung zu berücksichtigen sind.

Mit Spannung darf daher erwartet werden, was das OVG Schleswig in seinen Entscheidungsgründen dazu sagen wird und ob es zu der Anwendbarkeit der ursprünglichen Regionalplanung Stellung nehmen wird. Es darf bezweifelt werden, dass das OVG Schleswig eine von der Landesraumplanung losgelöste, nur an baurechtlichen und bundesimmissionsschutzrechtlichen Maßstäben orientierte ungesteuerte Genehmigung von Windkraftanlagen befürwortet.

Somit müssen alle Betreiber von Windenergieanlagen, die sich im laufenden Verfahren befinden, zumindest bis zum Eintritt der Rechtskraft mit der Unterbrechung des Verfahrens rechnen sowie mit überwunden geglaubten Hürden bei der Genehmigung, wenn die Anlage in einem auf der Fortschreibung basierenden Eignungsgebiet liegt. Bei Fragen, die sich für Ihr Projekt aus dieser Situation ergeben, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Ansprechpartner: Stefan Lepke

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