Der EFET-Rahmenvertrag – das unbekannte Wesen?

(c) BBH
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Kein Vertragswerk im Großhandel mit Strom und Gas ist weiter verbreitet als die von der European Federation of Energy Traders (EFET) herausgegebenen Standardverträge. Gleichwohl scheuen sich gerade (kleine) Stadtwerke, aber auch Industrieunternehmen vor dem Abschluss eines solchen EFET-Vertrages; sie halten ihn für zeitaufwendig, mühsam und risikobehaftet. Zu Recht?

Auf den ersten Blick mag der EFET-Rahmenvertrag über die Lieferung und Abnahme von Strom bzw. Gas mit seinen über 50 Seiten abschreckend wirken – zumal er auch noch in englischer Sprache abgefasst ist. Doch tatsächlich beschränkt sich der Verhandlungsspielraum nur noch auf die wenigen Seiten des „Election Sheet“, d. h. auf die Anpassungsvereinbarung. Denn der EFET-Vertrag ist als Rahmenvertrag konzipiert. Damit ähnelt er den (individuellen) Rahmenverträgen für Strom oder Gas, die typischerweise von den größeren Konzernen vorgelegt werden. Diese bestehen regelmäßig aus dem Rahmenvertrag, in dem die allgemeinen Regelungen für die Lieferung und Abnahme von Energie geregelt sind, sowie der Einzelvereinbarung mit den wesentlichen Konditionen (z. B. Menge, Lieferzeitpunkt, Preis) der einzelnen Transaktion. Beim EFET ist lediglich eine weitere Stufe zwischengeschaltet, die so genannte Anpassungsvereinbarung.

Der EFET-Vertrag ist also letztlich so aufgebaut:

  • Zunächst gibt es das „General Agreement“. Dies ist der Rahmenvertrag und zugleich der standardisierte, nicht abänderbare Hauptvertragsteil, in dem die wesentlichen, dauerhaft geltenden Bedingungen der Handelsbeziehung vorgegeben werden, wie z. B. der Vertragsgegenstand, die Leistungspflichten, die Kündigungsrechte usw.
  • Hierzu gehört das bereits erwähnte „Election Sheet“ – die Anpassungsvereinbarung. An dieser Stelle können die Parteien den Vertragstext des Hauptteils individuell ändern und ergänzen und so ihre jeweiligen Bedürfnisse und wirtschaftlichen Gegebenheiten zur Vertragsgrundlage machen.
  • Tatsächlich abgeschlossen wird der Vertrag allerdings für die jeweiligen Einzeltransaktionen durch Einzelverträge, die mit der sog. „Confirmation“ bestätigt werden können.
  • Hinzu kommen – je nach Bedarf – noch weitere Anhänge, z. B. der Allowances Appendix für den Handel mit Emissionsberechtigungen oder besondere Bestimmungen für bestimmte Handelspunkte.

Damit lohnt sich der EFET bereits dann, wenn nur eine einmalige Lieferung gewollt ist. Denn der EFET ist inhaltlich ausgewogen und so standardisiert, dass der Prüfungsaufwand insgesamt geringer ist als wenn man einen individuellen Vertrag vereinbart.

Zudem: Will man bereits auf Basis des EFETs eine bestehende (Einzel-)Lieferbeziehung ausbauen, kann man weitere Lieferungen unproblematisch unter den EFET fassen. Die Einzelverträge beziehen sich nur noch auf die wesentlichen Elemente der Transaktion, nämlich auf das zu liefernde Produkt, die Liefermenge, den Preis und den Lieferzeitpunkt – eine juristische Prüfung oder Verhandlung der Vertragsbedingungen ist regelmäßig nicht mehr nötig.

Einen weiteren Vorteil, den der EFET-Vertrag bietet: Er folgt dem „Single-Agreement-Konzept“. Alle Elemente des Vertragswerkes bilden also eine Einheit mit der Folge, dass im Falle der Kündigung die gesamte Vertragsbeziehung aufgelöst und die Berechnung eines Beendigungsbetrages ermöglicht wird.

Schließlich sieht der EFET-Vertrag noch weitere Schutzmechanismen vor: Er regelt die Absicherung der Forderungen aus Einzelverträgen und erlaubt den Parteien nicht nur, am Anfang der Handelsbeziehung Sicherheiten von der anderen Partei zu fordern. Auch im weiteren Verlauf, wenn – zuvor festgelegte – Parameter darauf hindeuten, dass ein Handelspartner ausfallen könnte, ist die Sicherheiten(nach)-forderung verabredet.

Insgesamt ermöglicht der EFET-Rahmenvertrag damit nicht nur, Handelsgeschäfte schnell, unkompliziert und kostengünstig abzuschließen. Er ist oft auch ein gutes Mittel zur Vereinheitlichung und Vereinfachung des Vertragsmanagements.

Außerdem: Die meisten Rahmenhandelsverträge orientieren sich am Aufbau und Inhalt des EFETs. Wird Ihnen aber ein solcher Rahmenhandelsvertrag von Ihrem Handelspartner vorgelegt, haben Sie in der Regel kaum noch eine Möglichkeit, Ihre eigenen Vorstellungen einfließen zu lassen …

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau

PS. Sie wollen mehr über den EFET-Vertrag wissen? Dann schauen Sie doch einmal in die neue und 3. Auflage vom Zenke/Schäfer, Energiehandel in Europa!

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