Der Gordische Knoten der Energiewende

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Was hat man der Energiewende nicht schon alles nachgesagt? Mammutaufgabe, Generationenprojekt, sogar von der deutschen Mondlandung war schon die Rede. Das sind alles Begriffe, die Respekt und Ehrfurcht gegenüber einem Vorhaben ausstrahlen, das die Energiewirtschaft über Jahre beschäftigt hat und noch weiter beschäftigen wird. Mit der Energiewende als „Exportschlager“ wiederum hat man den Aspekt herausgestellt, dass Deutschland als Role Model für den Rest der Welt dienen könnte. Dass die Energiewende möglicherweise scheitern und der deutsche „Sonderweg“ eine Sackgasse sein könnte, ist eine These, die man heute ebenfalls vereinzelt hört. Denn auch wenn Deutschland es geschafft hat, aus der Atomenergie – mit einigem Hin und Her – auszusteigen und nun auch den Kohleausstieg geordnet und wohlüberlegt angehen möchten, ist es nicht gelungen, die Treibhausgasemissionen maßgeblich zu senken. Das ist irgendwo zwischen Warnsignal und einfach nur peinlich, je nachdem, wen man fragt.

Wie aktuell am 100-Tage-Gesetz (wir berichteten) zu sehen ist, wird es nicht unbedingt einfacher, dringend notwendige Gesetze zu verabschieden, die der Energiewirtschaft und der Industrie die benötigte Investitions- und Rechtssicherheit geben würden. Die zuständigen Ministerien blockieren sich gegenseitig, während die Wirtschaft das Nachsehen hat. Und das geht nicht nur der Erneuerbaren-Energien-Branche so. Das betrifft mittelständische Unternehmen, Stadtwerke und kommunale Unternehmen ebenso wie die Industrie.

Statt Rechtssicherheit führt der Weg immer weiter in Richtung Kleinteiligkeit. 13.750 Normen regeln bis ins kleinste Detail, welche Ausnahmeregelungen es für die ohnehin schon komplexen energierechtlichen Einzelnormen gibt. Mittelständler führen nicht nur ihr Unternehmen, sondern müssen nebenbei zu Verwaltungs-Experten werden, um ihr Unternehmen durch die Untiefen der Regulierung hindurchzuführen. So ganz nebenbei, versteht sich.

Dann aber auf der anderen Seite: Die Erneuerbaren sind im (globalen) Markt angekommen. Deutschland baut wieder Kraftwerke. Die Industrie produziert. Die AKW-Produktion in Europa ist rückläufig, denn es wird offensichtlich, dass die Atomkraft nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Scheitern, das sieht anders aus. Irgendwas scheint man doch sehr richtig zu machen.

Eine der grundlegenden Fragen, die es im Rahmen der Energiewende zu beantworten gilt, ist allerdings: Wie verhalten sich die Erneuerbare und konventionelle Erzeugung zueinander. Um die Klimaziele bis 2030 einhalten zu können, müssen 50 Prozent Öl, 50 Prozent Kohle und 25 Prozent Erdgas eingespart werden. Wenn wir das 2-Grad-Ziel des Paris Agreement ernst nehmen, kommen wir mit dem Klimaschutz einen großen Schritt voran. Auf dem Finanzmarkt passiert parallel aber etwas anderes: Die Investitionen in fossile Energieträger würden so zu Stranded Investments werden, totes Kapital. Umweltminister a.D. Jürgen Trittin sprach in diesem Zusammenhang bei der BBH-Energiekonferenz am 6.6.2018 deshalb auch von einer „Fossile Bubble“. Wie geht man damit um? Wie sicher sind Investitionen in Gas- oder andere fossile Kraftwerke denn nun?

Genau das macht schließlich die Energiewende so komplex und lässt sie – je nach Blickwinkel – als Erfolg oder Misserfolg erscheinen: Es gibt keine Stellschraube, die nicht auch eine andere Stellschraube mitbewegen würde, wenn man daran dreht. Als ein klares 1:0 für die Energiewende muss man aber z.B. sehen, wenn ein (ehemaliger) Kernkraftbetreiber den Schulterschluss mit einem Grünen-Politiker sucht. 80 Prozent der Rede von Jürgen Trittin hätte er genauso gehalten, behauptete der CEO der RWE AG Dr. Rolf Martin Schmitz bei der BBH-Energiekonferenz. Und auch dem Präsidenten der Bundesnetzagentur (BNetzA) stimmt er zu, dass bis 2030 auf die Hälfte der Kohlekraft verzichtet werden kann. Allerdings nur, wenn die Produktion aus Gas-Kraftwerken und Erneuerbaren entsprechend steigt.

Dr. Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des BDI, definiert die Energiewende übrigens als einen Versuch, die Industrie auf eine völlig neue Basis zu stellen. Das ist dann eben eine weitere von zahlreichen Aufgaben, die es bei der Energiewende zu meistern gilt. Neben der Versorgungsicherheit, der Überproduktion, dem Klimaschutz, der Investitionssicherheit, der Technologieentwicklung, den Wettbewerbsbedingungen, der Kostenfrage und der Sektorkopplung. Haben wir etwas vergessen?

Ansprechpartner: Prof. Christian Held/Prof. Dr. Ines Zenke

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