FAQs zur Energie- und Finanzmarktregulierung (Teil 3)

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Fragen, Fragen und noch mehr Fragen zur Energie- und Finanzmarkt-regulierung, die wir mit unserem Fortsetzungsblog beantworten wollen. Zum Teil 1 unserer Serie geht es hier, zum Teil 2 hier.

Heute: Häufig gestellte Fragen zur EMIR

Nr. 1: Ich höre immer wieder von dieser EMIR. Das ist kein arabischer Fürst, oder?

Nein. Die EMIR ist ein Teil der Finanzmarktregulierung. Die Abkürzung steht für European Market Infrastructure Regulation. Sie soll den außerbörslichen Derivatemarkt (das heißt den nicht an einem geregelten Markt stattfindenden Handel mit Derivaten) beaufsichtigen und die Transparenz verbessern.

Nr. 2: Als ganz „normales“ Stadtwerk falle ich doch nicht unter die EMIR, oder?

Doch, denn die EMIR erfasst auch Unternehmen, die keine klassischen Finanzunternehmen wie zum Beispiel Banken oder Finanzdienstleister sind. Diese werden als so genannte „Nichtfinanzielle Gegenparteien“ (NFGP) bezeichnet. Zu diesen NFGPs gehören auch die Energieversorger.

Nr. 3: Was ist denn dieses Clearing überhaupt?

Beim Clearing müssen die Derivate über eine so genannte „zentrale Gegenpartei“ (CCP) abgewickelt werden, zum Beispiel über ein Clearinghaus wie die European Commodity Clearing (ECC) in Leipzig. Sie bedienen sich also einer dritten, zwischen Ihnen und Ihrem Handelspartner zwischengeschalteten Person.

Nr. 4: Ich bin ein NFGP und nutze Derivate auf Strom und Gas. Muss ich dann clearen?

Wahrscheinlich nicht. Sie müssen als NFGP nur clearen, wenn Sie die von der Europäischen Finanzaufsichtsbehörde ESMA (European Securities and Markets Authority) vorgeschlagenen Clearingschwellen überschreiten. Diese sind unterschiedlich für die verschiedenen Derivatekategorien. Für EVU ist typischerweise die Kategorie „Warenderivate und sonstige Derivate“ am relevantesten, zu der die Derivate auf Strom und Gas gehören. Hier liegt der Schwellenwert bei 3 Mrd. Euro, den man nicht mit seinen zusammengerechneten offenen Positionen überschreiten sollte.

Nr. 5: Ich schließe meine Geschäfte sofort wieder, habe also praktisch keine offenen Positionen …

Doch! Offene Positionen meint hier die noch nicht erfüllten Geschäfte. Für die Schwelle müssen also alle Nominalwerte der ausstehenden Verkaufs- und Kaufgeschäfte (und zwar die Bruttopositionen) addiert werden. Saldiert wird nicht.

Nr. 6: Aber ich muss doch Derivate zur eigenen Absicherung einsetzen können?

Ja. Und das ist das Gute! Bei der Berechnung der Schwelle bleiben solche Positionen unberücksichtigt, die der eigenen Absicherung (Hedging) dienen. Wenn Sie also zum Beispiel als EVU Ihre zukünftige Produktion auf Termin verkaufen oder die Mengen für Ihre Vollversorgungskunden auf Termin beschaffen, können Sie diese Geschäfte herausrechnen. Aus diesem Grund dürften die allermeisten EVU auch unter der Schwelle bleiben.

Nr. 7: Und was ist, wenn ich neben Warenderivaten (unter der Schwelle) noch Zinsderivate habe und ich mit diesen die Schwelle überschreite?

Dann unterliegen auch Ihre Warenderivate der Clearingpflicht. Denn nach der EMIR und den Vorstellungen der ESMA soll die Clearingpflicht insgesamt gelten, wenn nur eine Clearingschwelle irgendeiner Kategorie übersprungen wird.

Nr. 8: Betrifft die Clearingpflicht dann alle Derivate?

Nein. Gecleart werden nur die so genannten „qualifizierten“ Derivate. Welche das sind, wird von der ESMA festgelegt. Sie wird hierzu eine Liste erstellen, die die Derivate enthält, die sie zum Beispiel wegen ihres systemischen Risikos als clearingwürdig erachtet. Dass hierzu etwa typische Terminprodukte wie Jahresbänder gehören werden, ist nicht ganz unwahrscheinlich. Diese würden dann auch für die Berechnung der 3- Mrd.-Schwelle relevant (vgl. Nr. 4).

Nr. 9: Wenn ich keine Clearingschwelle überspringe, muss ich also meine Derivatkontrakte auch nicht clearen?

Grundsätzlich ist das richtig, Sie müssen nicht clearen. Nach der EMIR besteht die Pflicht zum Clearing nur, wenn beide Parteien clearingpflichtig sind. Vielleicht setzt sich aber in der Praxis durch, dass zum Beispiel Banken oder große Handelsunternehmen (also die über der Schwelle), die untereinander sowieso clearen müssen, auch gern mit ihren anderen Handelspartnern ins Clearing gehen würden …

Nr. 10: Gut, wenn ich nicht clearen muss, bin ich raus?

Nein. Sie müssen in jedem Fall alle Ihre Derivatkontrakte melden und so genannte Risikominderungsmaßnahmen ergreifen.

Nr. 11: Was sollen diese Risikominderungsmaßnahmen sein?

Hierzu gehört etwa, dass Sie regelmäßig Ihr Portfolio überwachen und die individuellen Bedingungen eines vereinbarten Derivats rechtzeitig (gegebenenfalls elektronisch) bestätigen. Soweit Sie die Clearingschwelle überschreiten sollten, müssten Sie zudem zum Beispiel für ein vernünftiges Sicherheitenmanagement sorgen.

Nr. 12: Ab wann muss ich melden?

Das steht noch nicht fest. Und hängt vor allem von der Einführung eines so genannten Transaktionsregisters ab, das alle Daten aufzeichnen und verwahren soll. Sollte dieses Register noch im dritten Quartal 2013 errichtet werden, müsste ab dem 1.1.2014 gemeldet werden.

Nr. 13: Muss ich auch Derivatkontrakte melden, die ich jetzt bereits schließe und erfülle?

Leider ja. Stichtag ist das Inkrafttreten der EMIR am 16.8.2012. Alle Derivate, die Sie an oder nach diesem Tag abgeschlossen haben oder die an diesem Tag noch aussstehen, müssen Sie melden – und zwar innerhalb von drei Jahren nach Meldebeginn. So will es die von der Europäischen Kommission erlassene Durchführungsverordnung Nr. 1247/2012 zum Format und zur Häufigkeit von Transaktionsmeldungen.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau

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