Kundenanlage und geschlossenes Verteilernetz – Probleme aus der Praxis: TEIL 1 einer Serie

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Mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) im August 2011 sind die Betreiber geschlossener Verteilernetze (ehemals Objektnetzbetreiber) in den Fokus der Regulierung gerückt. Kundenanlagen (regulierungsfrei) wurden erstmalig gesetzlich definiert.

Dieser Beitrag ist der erste Teil der Reihe „Kundenanlagen und geschlossene Verteilernetze – Probleme aus der Praxis“ und hat das Positionspapier der Bundesnetzagentur (BNetzA) zu § 110 EnWG nebst dem Erhebungsbogen für die Antragstellung zum Betrieb eines geschlossenen Verteilernetzes zum Thema. Betroffene Unternehmen haben bis zum 6.2.2012 (Posteingang) die Möglichkeit, Stellungnahmen zum Positionspapier und zum Erhebungsbogen abzugeben.

Das Positionspapier stellt, wie sich schon aus seinem Einleitungssatz ergibt, keine behördliche Festlegung und auch keine Verwaltungsvorschrift dar. Es soll den betroffenen Unternehmen lediglich als Orientierungshilfe dienen und auch keine Normen konkretisieren oder das Ermessen der BNetzA oder der Regulierungsbehörden der Länder binden. Das Positionspapier hat somit zwar keinerlei Rechtswirkung; gleiches gilt für den beigefügten Erhebungsbogen für die Antragstellung gemäß § 110 Abs. 3 EnWG. Da in der Vergangenheit jedoch derartige Positionspapiere/Leitfäden entscheidende Wirkung für die Praxis entfaltet haben und maßgeblich für eine spätere Behördenpraxis sein können, sollte die Möglichkeit, durch entsprechende – fristgemäße – Stellungnahmen Einfluss zu nehmen, unbedingt genutzt werden.

Hierfür bieten sich folgende praxisrelevante Ansatzpunkte an:

Im Positionspapier wird ausgeführt, dass geschlossene Verteilernetze mit mehr als 20 Haushaltskunden nicht mehr als Netze mit „geringer Zahl“ von Kunden im Sinne von § 110 Abs. 2 letzter Satz EnWG gelten können. Eine solche absolute Obergrenze ist unsachgemäß, denn es ist nicht ungewöhnlich, dass auch größere Komplexe mit Werkswohnungen der Beschäftigten auf dem Areal des geschlossenen Verteilernetzes existieren – beispielsweise ein 30-stöckiges Wohnhaus zu Wohnzwecken mit jeweils 20 Wohneinheiten pro Etage.

§ 110 Abs. 2 Nr. 1 EnWG fordert eine Verknüpfung der Tätigkeiten oder Produktionsverfahren der Anschlussnutzer des geschlossenen Verteilernetzes aus konkreten technischen oder sicherheitstechnischen Gründen. Die BNetzA legt diese Voraussetzung sehr eng aus und verlangt, dass die Tätigkeiten oder Produktionsverfahren in technischer Hinsicht „aufeinander aufbauen“. Sie solle nur dann gegeben sein, wenn die Tätigkeiten oder Produktionsverfahren der Anschlussnutzer eine „Wertschöpfungskette“ bildeten. Diese enge Auslegung erscheint deshalb problematisch, da bei dieser Lesart bereits die „klassischen“ geschlossenen Verteilernetze, die in den europäischen Richtlinien beispielhaft genannt werden (Bahnhofsgebäude, Flughäfen, Krankenhäuser, große Campingplätze mit integrierten Anlagen sowie Standorte der Chemieindustrie) jedenfalls keine Schwierigkeiten haben sollten, den Status des geschlossenen Verteilernetzes zu erreichen. Die Nutzung einer gemeinsamen Infrastruktur und die entsprechende technische Verknüpfung sollten bei richtlinienkonformer Auslegung hier ausreichen.

Darüber hinaus sind aber auch die mit dem Erhebungsbogen abgefragten Informationen problematisch, da diese erheblich über die gesetzlichen Vorgaben zu den im Antrag nach § 110 Abs. 3 EnWG notwendig enthaltenen Angaben hinausgehen. Folgende Angaben werden von der BNetzA bei der Antragstellung gefordert, sind gesetzlich jedoch nicht vorgegeben:

  • letztes abgeschlossenes Geschäftsjahr,
  • Eröffnungsbilanz (zum 1.1.2012),
  • Bilanzstichtag,
  • Netzkosten (aufwandsgleiche Kosten, Abschreibungen, kalkulatorische Eigenkapitalzinsen, kalkulatorische Gewerbesteuer, kostenmindernde Erlöse und Erträge, Angaben zu vorgelagerten Netzkosten, vermiedene Netzentgelte),
  • Leistungspreissystem (Entnahme mit/ohne Leistungsmessung, Mengenangaben zur Jahreshöchstlast, Netzreservekapazität, Entgelte für Entnahme und Einspeisung mit/ohne Lastgangzählung, Entgelte für Blindstrom),
  • Preise des vorgelagerten Netzbetreibers,
  • Preise angrenzender Netze.

Außerdem sollen diverse Angaben „zur Abgrenzung Kundenanlage“ gemacht werden, in denen weitestgehend die Tatbestandsmerkmale der Kundenanlage gemäß § 3 Nr. 24a EnWG und der Kundenanlage zur betrieblichen Eigenversorgung gemäß § 3 Nr. 24b EnWG abgefragt werden. Damit müssten die Netzbetreiber schriftlich gegenüber der Behörde darlegen, warum sie die Tatbestandsmerkmale der Kundenanlage nicht erfüllen. Wenn sie später vom Betrieb eines geschlossenen Verteilernetzes zum Kundenanlagenbetrieb übergehen wollen, kann das sehr hinderlich sein.

Wir empfehlen, für Ihr Unternehmen zu prüfen, ob die Inhalte des Positionspapiers der BNetzA gegebenenfalls die Einordnung als geschlossenes Verteilernetz für Ihren Standort gefährden könnten und, falls dies der Fall sein sollte, fristgerecht Ihre Stellungnahmen abzugeben.

Ansprechpartner: Dr. Thies Christian Hartmann

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