Messstellenbetriebsgesetz ab 2.9.2016 in Kraft – Überblick zu den Auswirkungen für EVU

(c) BBH
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Das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende (GDEW) mit seinem Herzstück, dem neuen Messstellenbetriebsgesetz (MsbG), ist in Kraft getreten. Das MsbG wird die derzeitigen Energiemarktstrukturen und -prozesse tiefgreifend ändern. Was verändert sich, und was ist jetzt zu tun?

Zunächst zur Rekapitulation: Das MsbG verpflichtet den Messstellenbetreiber – in der Regel den Verteilernetzbetreiber – zum Rollout intelligenter Messsysteme und moderner Messeinrichtungen, und zwar zu einem durch Preisobergrenzen gedeckelten Preis. Das wirkt sich auf nahezu alle Bereiche eines Energieversorgers aus:

  • auf das Mess- und Zählerwesen, weil die Einbaupflichten umgesetzt werden müssen,
  • auf das Vertragsmanagement, weil neue Messstellenverträge ausgearbeitet und geschlossen werden müssen,
  • auf Abrechnung und Forderungsmanagement, weil die neuen Abrechnungsprozesse für das Messentgelt umgesetzt werden müssen,
  • auf das Regulierungsmanagement, weil die Entflechtung zwischen konventionellem und intelligentem Messstellenbetrieb buchhalterisch abgebildet werden muss,
  • auf die Marktkommunikation, weil das Interimsmodell ab 2017 umgesetzt und (voraussichtlich in 2020) auf die sternförmige Kommunikation umgestellt werden muss,
  • auf das Energiedatenmanagement, das neue Datenflüsse für die Strommengenbilanzierung und die Bilanzierung auf Basis von Zählerstandsgängen bewältigen muss,
  • auf die IT, die zukünftig die BSI-konforme sternförmige Marktkommunikation abbilden muss, und schließlich
  • auf den Vertrieb, der die neuen Mess- und Bilanzierungsverfahren vertraglich, tariflich und beschaffungsseitig abbilden sowie neue Angebote definieren muss.

Einige der neuen Rechtspflichten des MsbG sind bereits in diesem Jahr umzusetzen. Neben den konkreten To Do’s, die jetzt unmittelbar anstehen, stellen sich für alle Energieversorgungsunternehmen (EVU) grundlegende strategische Entscheidungen zur Umsetzung des MsbG, die von weitreichender Bedeutung für das gesamte Unternehmen sind.

Netzentgeltpreisblatt 2017

Mit dem GDEW ändert sich § 17 Abs. 7 StromNEV. Danach sind ab dem 1.1.2017 keine gesonderten Abrechnungsentgelte mehr festzulegen; der Aufwand ist integriert im allgemeinen Netznutzungsentgelt. Daneben ist ab dem 1.1.2017 auch kein gesondertes Messentgelt mehr zulässig. Nach § 17 Abs. 7 StromNEV ist (für den konventionellen Messstellenbetrieb) nur noch ein Entgelt für den Messstellenbetrieb, zu dem fortan auch die Messung gehört, festzulegen. Für das spätestens zum 15.10. dieses Jahres zu veröffentlichende Netzentgeltpreisblatt 2017 sind diese Punkte zu berücksichtigen.

Veröffentlichungspflichten

Zur Umsetzung des Rollouts enthält das MsbG zahlreiche Veröffentlichungs- und Informationspflichten. Je nach Rollout-Planung können diese für grundzuständige Messstellenbetreiber bereits in diesem Jahr umzusetzen sein. So haben diese gemäß § 37 Abs. 1 MsbG spätestens sechs Monate vor Beginn des Rollouts Informationen über die Rollout-Pflichten, über ihre Standardleistungen und mögliche Zusatzleistungen sowie Preisblätter mit jährlichen Preisangaben für mindestens drei Jahre zu veröffentlichen.

Auf der zweiten Stufe sind dann gemäß § 37 Abs. 2 MsbG spätestens drei Monate vor der Ausstattung der Messstelle Anschlussnutzer, Anschlussnehmer, Anlagenbetreiber und Messstellenbetreiber über den Einbau zu informieren.

Abhängig davon, ob auch bereits in diesem Jahr Kosten für die Umsetzung der Einbau- und Rolloutpflichten für intelligente Messsysteme oder moderne Messeinrichtungen entstehen, sind auch die Vorgaben zur buchhalterischen Entflechtung umzusetzen. Kosten, die dem Messstellenbetrieb mit modernen Messeinrichtungen und intelligenten Messsystemen zuzuordnen sind, müssen nach § 3 Abs. 4 MsbG grundsätzlich von den Netzentgelten getrennt werden. Es darf zu keiner „Verschmierung“ mit den Netzentgelten kommen.

Eine strategische Entscheidung

Alle Stromnetzbetreiber in Deutschland werden durch das MsbG in die Pflicht genommen. Als „geborene“ grundzuständige Messstellenbetreiber setzen sie die gesetzlichen Einbaupflichten für intelligente Messtechnik um. Darüber hinaus hat das MsbG Auswirkungen auf nahezu alle Bereiche eines „klassischen“ (kommunalen) Energieversorgers.

Von den Verpflichtungen des MsbG können sich Netzbetreiber nur befreien, wenn sie die Grundzuständigkeit für Einbau und Betrieb intelligenter Messtechnik ausschreiben. Eine solche Ausschreibung bedeutet jedoch mittel- bis langfristig, dass das Zähler- und Messwesen Strom im Unternehmen wegfällt – dies dürfte daher in der Regel keine Option sein.

Gerade für mittlere oder kleine Netzbetreiber stellt sich jedoch die Frage, wie man die Einbaupflichten des MsbG sinnvoll umsetzen kann.

Die Frage, was der Netzbetreiber selbst umsetzt, was er einkauft oder gegebenenfalls in Kooperation abarbeitet, sind strategische Entscheidungen von weitreichender Bedeutung für das Gesamtunternehmen. Im Spektrum zwischen Dienstleistungsbezug, Kooperation und eigener Umsetzung gibt es viele mögliche Varianten. Der Umsetzung muss eine strategische Entscheidung vorausgehen, und spätestens jetzt sollte jeder Netzbetreiber damit beginnen, sich Gedanken zu machen, wie die aussehen soll.

Spätestens bis zum 30.6.2017 haben sich die Netzbetreiber als grundzuständige Messstellenbetreiber gegenüber der Bundesnetzagentur (BNetzA) zu erklären. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der BNetzA schriftlich anzuzeigen, ob die Grundzuständigkeit für den intelligenten Messstellenbetrieb übernommen wird oder nicht (§ 45 Abs. 3 MsbG). Diese schriftliche Anzeige stellt dann zugleich auch den Startschuss für einzelne nach dem MsbG zu erfüllenden Rollout-Quoten dar.

Ansprechpartner BBH: Dr. Jost Eder/Jan-Hendrik vom Wege/Dr. Michael Weise
Ansprechpartner BBHC: Dr. Andreas Lied/Stefan Brühl

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