Neue Herausforderung für Energieversorger: Verschärfung der Sperrvoraussetzungen

Bereits seit mehreren Wochen haben politische Entscheidungsträger über eine Verschärfung der Sperrvoraussetzungen wegen Zahlungsverzugs diskutiert. Mit der kürzlich beschlossenen Strompreisbremse (Gesetz zur Einführung einer Strompreisbremse und zur Änderung weiterer energierechtlicher Bestimmungen) sind diese Verschärfungen am 24.12.2022 umgehend und ohne Übergangs- oder Einführungsfristen in Kraft getreten.

Überblick über die wichtigsten Regelungsinhalte

Die deutlichste Änderung betrifft den Sondervertragsbereich: Über den neuen § 118 b EnWG werden die Verpflichtungen des Lieferanten aus § 19 Strom-/GasGVV unmittelbar auch im Sondervertragsbereich für Haushaltskund*innen geltendes Recht. Insbesondere ist den in Zahlungsrückstand befindlichen Kund*innen fortan vor Durchführung der Sperrung der Abschluss einer Abwendungsvereinbarung anzubieten.

Sowohl in § 118 b EnWG als auch in § 19 Strom-/GasGVV haben sich zudem die Anforderungen an Kund*innen gegenüber einzuhaltenden Informationspflichten verschärft. Darüber hinaus wurden die Pflichtinhalte der Abwendungsvereinbarung nochmals geändert. Künftig ist die Vereinbarung über die Fortsetzung der Belieferung nicht mehr auf Vorauszahlungsbasis, sondern auf Grundlage der vertraglichen Vereinbarung (Sondervertrag) bzw. auf Grundlage der Allgemeinen und ergänzenden Bedingungen (Grundversorgung) zu stützen. Auch sind Kund*innen berechtigt, bereits nach der Sperrandrohung um das Angebot einer Abwendungsvereinbarung zu bitten. Der Lieferant hat ihnen hierfür unaufgefordert ein standardisiertes Formblatt zur Verfügung zu stellen.

§ 118 b EnWG ist zeitlich befristet und soll bis zum 30.4.2024 gelten, das BMWK kann jedoch zum 31.12.2023 eine Verlängerung der Vorschrift beschließen. Die Änderungen des § 19 Strom-/GasGVV sind hingegen – mit Ausnahme eines Rechts des Kunden bzw. der Kundin auf Inanspruchnahme einer Ratenpause – unbefristet.

Umsetzung in Grundversorgung und in Sonderverträgen

Für die Geltungsdauer der Vorschrift sind abweichende Sperrklauseln in Sonderverträgen mit Haushaltskund*innen unwirksam. Wir gehen daher davon aus, dass eine Anpassung der Verträge mit Bestandskunden nicht erforderlich ist und § 118 b EnWG automatisch Wirksamkeit entfaltet

Im Rahmen der Grundversorgung werden Änderungen des § 19 Strom-/GasGVV als Teil der allgemeinen Bedingungen unmittelbar Vertragsbestandteil, ohne dass Sie Ihre Kund*innen hierüber informieren müssen.

Dennoch: Da die Voraussetzungen an eine rechtmäßige Anschlusssperrung in der Grundversorgung sowie im Sondervertragsbereich ab sofort deutlich verschärft werden, ist es für Versorger wichtig, die neue Rechtslage möglichst umgehend in den unternehmenseigenen Prozessen abbilden zu können. Hierfür stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne unterstützend zur Seite.

Ansprechpartner*innen: Dr. Erik Ahnis/Markus Ladenburger/Magnus Nissle

Share
Weiterlesen

22 Juli

Der BBH-Blog verabschiedet sich in die Sommerpause

Den Beginn der parlamentarischen Sommerpause nehmen wir bekanntlich gerne als Anlass, den aktuellen „Wasserstand“ abzulesen sowie einen kurzen Blick in die Zukunft, sprich die zweite Hälfte des Jahres zu werfen – also auf das, was auf die politischen Entscheider*innen und...

21 Juli

„Klimaneutralität“ und Kompensationszahlungen: Anforderungen der europäischen Anti-„Greenwashing“-Richtlinie

Die Anforderungen an Werbung mit umweltbezogenen Aussagen steigen. Erst am 27.6.2024 hatte der Bundesgerichtshof im „Katjes“-Urteil (Az.: I ZR 98/23) strenge Maßstäbe für die Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ formuliert. Die europäische Anti-„Greenwashing“-Richtlinie könnte die Regeln für das Werben mit...