Stromkostenintensive Industrie: Aufbruch zur CO2-freien (Eigen-)Versorgung?

Die EEG-Umlage wird abgeschafft, das ist so gut wie sicher. Für alle Stromverbraucher, die bisher die volle EEG-Umlage zu tragen hatten, sind das gute Nachrichten. Für alle Unternehmen, die bislang von der Umlagebegrenzung nach der Besonderen Ausgleichsregelung (BesAR) gemäß §§ 63 ff. EEG profitieren, im Grunde auch. Ob die Unternehmen am Ende aber wirklich weniger tief in die Tasche greifen müssen, ist fraglich.

Viele Änderungen sind zu erwarten

Die hohen Strompreise am Markt schlagen tief ins Kontor und eine deutliche Entspannung ist nicht in Sicht. Nichts anderes gilt für die übrigen Kostenbestandteile im Strombezug, denn die Netzentgelte werden voraussichtlich auch eher steigen als sinken.

Für stromkostenintensive Unternehmen bleiben deshalb die Entlastungsmöglichkeiten aufgrund intensiver Netznutzung (§ 19 Abs. 2 Satz 2 bis 4 StromNEV), wegen atypischer Netznutzung (§ 19 Abs. 2 Satz 1 StromNEV) oder durch den Netzanschluss über singulär genutzte Betriebsmittel (§ 19 Abs. 3 Satz 1 StromNEV) unverändert sehr wichtig. Die Unternehmen sind auch weiterhin auf die Entlastung von den Umlagen, die an die Netzentgelte gekoppelt sind (KWKG-Umlage, Offshore-Netzumlage und ggf. auch die § 19 StromNEV-Umlage), angewiesen. Nach allem, was derzeit dazu zu hören ist, soll sich hieran nichts Wesentliches ändern. Das Verfahren, das der Inanspruchnahme der reduzierten Umlage vorausgeht, wird sich in Zukunft wohl an den bisherigen Vorgaben für die Umlagebegrenzung über die Besondere Ausgleichsregelung orientieren. Ein eigenes Kostenentlastungsgesetz soll eine solche „BesAR-Light“ regeln. Einzelheiten dazu sind aber noch offen.

Es dürfte jedoch damit zu rechnen sein, dass in den gesetzlichen Vorgaben in einer solchen „BesAR-Light“-Regelung auch die neuen Anforderungen aus den Klima-, Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien der Europäischen Kommission (KUEBLL) (wir berichteten) berücksichtigt werden (müssen). Das heißt konkret: Nicht alle bislang begünstigten Branchen werden weiterhin auf Entlastung hoffen können – und die Unternehmen werden ein Mehr an „Gegenleistung“ erbringen müssen.

Auch von europäischer Ebene werden Änderungen kommen: Die Europäische Kommission diskutiert mit den Mitgliedstaaten über eine Novelle der Energiesteuer-Richtlinie (wir berichteten). Nach dem Vorschlag, der aktuell auf dem Tisch liegt, könnten die steuerlichen Entlastungsmöglichkeiten für die Industrie geringer ausfallen als bisher. Es zeichnet sich etwa ab, dass klimaneutral erzeugter Strom bzw. klimaneutral erzeugte andere Energieerzeugnisse zwar steuerlich belastet werden sollen, aber jedenfalls niedriger als klimarelevanter Strom bzw. andere Energieerzeugnisse. Die wirtschaftliche Belastung aufgrund von CO2-Emissionen würde damit nicht nur über den Europäischen Emissionshandel (TEHG) und den nationalen Emissionshandel (BEHG) zunehmen, sondern ggf. auch über die Steuer auf Strom und andere Energieerzeugnisse.

Ein möglicher Weg und viele Fragen

Es gibt also mehr als genug Gründe, sich als (stromkostenintensives) Industrieunternehmen mit Lösungen im Unternehmen selbst zu befassen. Das gilt umso mehr, als Unternehmen zunehmend Nachhaltigkeitsberichterstattungspflichten unterliegen werden (vgl. etwa die Novelle der CSR-Richtlinie  (wir berichteten), die Taxonomie-VO). Ein Weg kann (und wird) die Eigenversorgung mit CO2-freiem Strom sein. Aber welche Vorteile bringt es, wenn zumindest ein Teil des Strombedarfs über eine eigene Photovoltaik-Anlage, eine Windenergieanlage, eine Wasserkraftanlage usw. abgedeckt werden kann? Was folgt aus einer teilweisen Eigenversorgung für die bisher in Anspruch genommenen Entlastungen im Strombezug? Ist es unter Umständen vorteilhafter, den Strom über einen PPA von einem anderen Anlagenbetreiber zu beziehen? Was ist dabei zu beachten? Kurzum: Welche Chancen gibt es und welche Herausforderungen müssen bewältigt werden?

Es sind also viele Aspekte, die (stromkostenintensive) Industrieunternehmen berücksichtigen müssen. Denn über kurz oder lang wird die Eigenversorgung oder der Bezug von CO2-freiem Strom einen wesentlichen Bestandteil der Strombeschaffung bilden – und das „lang“ dürfte dabei wohl nur wenige Jahre umfassen.

Ansprechpartner*innen: Andreas Große/Christoph Lamy/

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