Fragen über Fragen: Entlastung „EEG-Umlage revers“

Das Entlastungspaket der Bundesregierung vom 3.9.2022 sieht als erste von zwanzig Maßnahmen bestimmte Erlös- bzw. Preisobergrenzen für „besonders profitable Stromerzeuger“ vor. Auf diese Weise sollen „Zufallsgewinne“ am Energiemarkt abgeschöpft werden. Völlig unklar ist bislang jedoch, wie die Umsetzung in der Praxis aussehen soll.

EEG-Umlage revers – So funktioniert’s

Im Maßnahmenpaket liest sich das Vorhaben ganz einfach: Es wird ein Höchstwert für Erlöse am Spotmarkt festgelegt. Der Differenzbetrag zwischen den am Markt erzielten Erlösen („Großhandelspreise“) und dem festgelegten Höchstwert („Erlösobergrenze“) soll an den Netzbetreiber abgeführt und administrativ über die Zahlungswege aus der EEG-Förderung („umgekehrter Weg der EEG-Umlage“) abgewickelt werden. Zuständig wäre der Netzbetreiber, an dessen Netz die Anlage angeschlossen ist, in der Regel also der Verteilernetzbetreiber.

EEG-Umlage „revers“ dürfte dabei zunächst einmal bedeuten: Während die Stromerzeuger – konkret die Betreiber von Anlagen zur Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien – im Erneuerbaren-Energie-Gesetz (EEG) eine finanzielle Förderung z.B. in Form der Einspeisevergütung oder Marktprämie von den Verteilernetzbetreibern erhalten (haben), müssten sie im „EEG-revers“ nun Zahlungen an den Verteilernetzbetreiber in Höhe der Differenz zwischen Großhandelspreis und Erlösobergrenze leisten. Die vereinnahmten Zufallsgewinne würden dann von den Verteilernetzbetreibern an die Übertragungsnetzbetreiber gewälzt und bundesweit gleichmäßig zwischen den Übertragungsnetzbetreibern verteilt. Und während die Stromlieferanten, die Letztverbraucher beliefern, bis zum 30.6.2022 die EEG-Umlage von den Letztverbrauchern vereinnahmt haben, um sie an den zuständigen Übertragungsnetzbetreiber weiterzugeben, sollen die vereinnahmten Zufallsgewinne dazu dienen, die bzw. bestimmt Letztverbraucher zu entlasten. Das dürfte dann heißen, dass im „EEG-revers“ die Stromlieferanten Zahlungen von den Übertragungsnetzbetreibern erhalten und ihrerseits damit an die Letztverbraucher eine „Entlastungs-Umlage“ bzw. „Abschöpfungs-Umlage“ leisten – vermutlich jedoch nur bis zum Basisverbrauch.

Kompliziert wird’s im Detail

Damit enden jedoch die Parallelen und beginnen die Fragen: Wegen der in dem Entlastungspaket bislang nur knapp skizzierten Maßnahme ist klar, dass bei der Umsetzung zahlreiche offene Fragen zu klären sind, und wie so oft dürfte der Teufel sich  im Detail der Anwendungspraxis verstecken.

Entscheidende wirtschaftliche Frage ist zunächst, wie hoch die Abschöpfung sein wird. Daran hängt vor allem für die Anlagenbetreiber die Schwere der Belastung – die in ihrer Ausgestaltung verfassungsrechtlichen Schranken unterliegt. Damit im Zusammenhang steht die Frage nach dem zeitlichen Anwendungsbereich: Gilt die Abschöpfung für alle Stromerzeugungsanlagen, sind auch Neuanlagen erfasst, gilt sie für alle börslichen und außerbörslichen Verkäufe und wie lange zurückwirkend in diesem Jahr soll die Abschöpfung erfolgen?

Werden auch die Anlagen in der sonstigen Direktvermarktung einbezogen? Vermutlich schon… Wie kommt die Entlastung konkret zu den Stromlieferanten, vom Übertragungsnetzbetreiber oder über die Verteilernetzbetreiber? Und wie wird sichergestellt, dass die Stromlieferanten die Entlastungen an Letztverbraucher weitergeben? Oder übernimmt das der Staat? Werden neben den Stromlieferanten bzw. den von ihnen belieferten Letztverbrauchern auch die Eigenerzeuger entlastet? Wird es ein System von Abschlägen und Spitzabrechnungen geben? Wie wird der Basisverbrauch bestimmt und auf welches Zeitintervall wird er bezogen, den Monat, das Jahr?

Zahlungspflichtig werden – soviel ist klar – nicht nur die Betreiber von Anlagen zur Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien sein, sondern ebenso die Betreiber der Atom- und Kohlekraftwerke. Nur: wer wird hier zuständig sein? Der Übertragungsnetzbetreiber, wenn die Stromerzeugungsanlage an das Höchstspannungsnetz angeschlossen ist ? Und bleibt es bei der Zuständigkeit des Übertragungsnetzbetreibers auch in den anderen bisher im EEG normierten Fällen, z.B. bei der teilweisen Lieferung von Strom aus der Stromerzeugungsanlage an Letztverbraucher und wenn ja, warum? Und was gilt in geschlossenen Verteilernetzen?

Die Einnahmen sollen auch dazu dienen, den Anstieg der Netzentgelte durch steigende Redispatch-Kosten zu dämpfen. Auch hierfür findet sich bislang keine Parallele im EEG. Geht es nur um die Redispatch-Kosten, die in Übertragungsnetzen anfallen? Oder auch um die in den Verteilernetzen? Wie bestimmt sich der Anteil an den Einnahmen, der zur „Dämpfung der Netzkosten“ verwendet wird? Welche Befugnisse sollen die Übertragungsnetzbetreiber insoweit haben? Soll es einen Ausgleich über die Regelzonen hinaus geben?

Und ganz wichtig: Wer muss was an wen wie melden? Sind die Einnahmen durch einen Wirtschaftsprüfer zu testieren? Welche Sanktionen sollen bei Verstößen greifen? Welche Ausnahmen werden gelten? Wer bestimmt wann die Erlösobergrenze? Soll es ein eigenes Konto („EEG revers-Konto“) geben oder soll das EEG-Konto herhalten? Was geschieht, wenn die Einnahmen nicht ausreichen oder über den Bedarf hinausgehen?

Und schließlich: Wo soll das alles geregelt werden: im EEG, im Energiefinanzierungsgesetz (EnFG) oder im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)?

Es gibt viel zu tun

Fragen über Fragen, für die wohl nur sehr eingeschränkt auf die „etablierten Zahlungswege aus der EEG-Förderung“ zurückgegriffen werden kann. Ganz wichtig ist jedoch: Die gesamte Branche braucht – jetzt, wo die Ideen veröffentlicht sind – schnell klare, verlässliche und umsetzbare Bestimmungen. Die Betreiber von Atom-, Kohle- und Erneuerbare-Energien-Anlagen müssen wissen, was sie wann zu tun (und zu zahlen) haben. Verteilernetzbetreiber können die neuen Aufgaben nicht von heute auf morgen stemmen. Stromlieferanten müssen ihre vertraglichen Regelungen rechtzeitig anpassen können. Und Investoren brauchen eine Vorstellung davon, welche Zufallsgewinne abgeschöpft werden, denn andernfalls lassen sich die Preise für ein Projekt kaum noch bestimmen, sollten auch Neuanlagen erfasst sein.

Viel Arbeit für die Bundesregierung, insbesondere das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ….

Ansprechpartner*innen: Dr. Martin Altrock/Jens Vollprecht/Andreas Große/Dr. Wieland Lehnert/Christoph Lamy

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