Europäische Regulierer bestätigen GABi Gas (weitgehend)

Die deutschen Ausgleichs- und Bilanzierungsregeln im Gassektor (GABi Gas) werden aller Voraussicht nach nicht von der europäischen Harmonisierung über den Haufen geworfen. Diesen Schluss lässt die Rahmenleitlinie zum Gas Balancing zu, die die europäische Regulierungsbehörde ACER (Agency for the Cooperation of Energy Regulators) am 18. Oktober 2011 mit leichter Verzögerung verabschiedet hat. Auf deren Grundlage wird die Europäische Kommission in Kürze die europäischen Fernleitungsnetzbetreiber (ENTSOG – European Network of Transmission System Operators for Gas) verpflichten, innerhalb eines Jahres, also bis etwa Ende 2012, einen detaillierten Network Code zu verfassen. Erste Vorarbeiten hierzu werden bereits in der nächsten Woche in Brüssel vorgestellt. Die europaweiten Bilanzierungsregelungen werden ein wichtiger Baustein des europäischen Gas Grid Codes. Den Netzbetreibern wird eine Umsetzungsfrist von weiteren 12 Monaten eingeräumt, so dass mit den neuen Regelungen zum 1. Januar 2014 gerechnet werden kann.

Dass die GABi Gas wahrscheinlich noch in weiten Teilen unangetastet bleibt, ist allerdings auch Folge von vielen Kompromisslösungen in Form von Alternativ- und Ausnahmeregelungen im Leitlinientext. Etwas provozierend gesprochen: So manchen Mitgliedsstaaten ist es gelungen, die wesentlichen Aspekte ihrer bestehenden Bilanzierungsregelungen in der Rahmenleitlinie zu verankern. Eine gesamteuropäische Harmonisierung sieht anders aus. Immerhin: Der dadurch zumindest mittelfristig geringere Umsetzungsbedarf wird die betroffenen Unternehmen freuen.

Zum Inhalt der Rahmenleitlinie:

  • Eine Bilanzierungszone kann jetzt doch nicht nur aus Fernleitungsnetzbetreibern, sondern auch Fernleitungs- und Verteilernetzbetreibern bestehen. Dies war bis zuletzt streitig.
  • Europaweit wird das System der Tagesbilanzierung eingeführt.
  • Die bekannten Stundenrestriktionen bleiben unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
  • Die Beschaffung von Regelenergie durch die Fernleitungsnetzbetreiber erfolgt grundsätzlich an den bekannten Handels- oder Börsenplätzen, weiterhin kann im Bedarfsfalle aber auch auf lokale Ausschreibungen zurückgegriffen werden.
  • Die Preisbildung für die Ausgleichsenergie im Falle von Bilanzkreisschiefständen erfolgt marktorientiert: Entweder der Börsenbeschaffungspreis für Regelenergie oder der bewährte GABi-Preiskorb.
  • Selbst das System der Regelenergie-Umlage mit seinem eigenen Grad an Sozialisierung von Allgemeinkosten bleibt.
  • Verschärft werden, wie befürchtet, die Anforderungen an die Informationsbereitstellung sowie die Datenübermittlung. Messwerte von Kunden mit Leistungszählern („RLM-Kunden“) müssen zukünftig mindestens zweimal innerhalb eines Liefertages aktualisiert werden (nach GABi Gas einmal täglich), und die Lastprofilprognosen für die nichtleistungs-gemessenen Kunden („SLP-Kunden“) muss untertägig aktualisiert werden. Diese Änderungen betreffen insbesondere Verteilernetzbetreiber.

Weitere Änderungen sind gut möglich: Erst der ENTSOG Network Code wird die wichtigen Details zum Nominierungs- und Re-Nominierungsverfahren, zur Prozessgestaltung und – wichtig – zu den Zeitpunkten für die Datenübermittlungen enthalten.

Juristisch sehr spannend bleibt die konkrete rechtliche Umsetzung der Network Codes, von denen gleich mehrere bei ENTSOG in Arbeit sind. Denkbar ist eine Umsetzung in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Fernleitungsnetzbetreiber. Nach aktuellen Planungen der Kommission könnte aber auch ein förmliches Kommitologieverfahren an den Network-Code-Prozess angehängt werden.

Spannend bleibt auch, auf welcher Basis die europäischen Fernleitungsnetzbetreiber und auch die europäischen Regulierer in Zukunft zusammenarbeiten werden. Noch bleiben die Umsetzungen in der Praxis auf nationale Systeme beschränkt. Die Einführung von europäischen Marktgebieten scheint nur eine Frage der Zeit. Dies hat vielleicht gar nicht so viel mit der europäischen Regulierung zu tun als vielmehr mit unternehmensgetriebenen Prozessen: Zumindest sind einige europäische Netzbetreiber wie beispielsweise die Gasunie, aber in jüngster Zeit auch die belgische Fluxys auf europäischer Einkaufstour. Und: die Netze der E.ON/Ruhrgas stehen zum Verkauf … Wenn es so weit kommt, dann müssen die zunächst weiterhin durchaus unterschiedlichen nationalen Systeme auf einen einheitlichen Nenner gebracht werden.

Ansprechpartner: Prof. Christian Held/Dr. Olaf Däuper/Christian Thole

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