Bundesregierung packt Reform der Insolvenzanfechtung an

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Seit Jahren sieht sich der Geschäftsverkehr einem unverhältnismäßigen und nahezu unkalkulierbaren Risiko ausgesetzt – nämlich der Insolvenzanfechtung. Wenn ein Unternehmen insolvent wird, kann der Insolvenzverwalter unter Umständen Zahlungen zurückfordern, die bis zu zehn Jahre vor Stellung des Insolvenzantrages geleistet worden sind. Auch ganz verkehrsübliche Dinge – etwa wenn der Schuldner um Zahlungserleichterungen wie Stundungen oder Ratenzahlung bittet – bergen ein hohes Anfechtungsrisiko. Das liegt nicht nur an der Art, wie die Insolvenzverwalter das geltende Recht handhaben, sondern auch an der Rechtsprechung, die zunehmend großzügig beurteilt, ob angefochten werden kann oder nicht. Dazu kommt, dass sich Zivil- und Arbeitsgerichte dabei keineswegs immer einig sind, was Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen verunsichert, die ihr Arbeitsentgelt verspätet erhalten haben.

Jetzt reagiert der Gesetzgeber mit einer längst überfälligen Reform des Insolvenzanfechtungsrechts und versucht in einem Referentenentwurf des Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) zwischen den Interessen der Insolvenzgläubiger und derjenigen, die sich Anfechtungsansprüchen ausgesetzt sehen, einen angemessenen Ausgleich zu schaffen.

Kernpunkte des Entwurfs

  1. Die Vorsatzanfechtung soll neu geregelt werden. Bislang kann der Insolvenzverwalter bis zu zehn Jahre alte Zahlungen anfechten, wenn der Empfänger wusste, dass gezahlt wurde, obwohl der Zahler vor der Insolvenz stand und andere Gläubiger dadurch benachteiligt wurden. Der Anfechtungszeitraum soll von bislang zehn Jahren auf vier sinken. Außerdem soll die Anfechtung erschwert werden, wenn der Zahler in der geschuldeten Art und Weise geleistet hat (kongruente Deckung).
  2. Das so genannte Bargeschäftsprivileg soll konkretisiert werden: Es gilt für Fälle, wo der Zahler für sein Geld „unmittelbar“ eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat. Was heißt „unmittelbar“? Hierfür soll es künftig auf die Art der ausgetauschten Leistungen und die Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs ankommen. Die Zahlung von Arbeitsentgelt soll regelmäßig unanfechtbar sein, wenn zwischen Arbeitsleistung und Zahlung nicht mehr als drei Monate liegen.
  3. Die Anfechtbarkeit von Sicherungen und Befriedigungen, die ein Gläubiger durch Zwangsvollstreckung aufgrund eines gerichtlich erlangten und vollstreckbaren Titels erwirkt hat, soll erschwert werden.
  4. Schließlich soll der Anfechtungsanspruch nicht mehr (wie bisher) seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern nur noch unter den Voraussetzungen des Verzugs verzinst werden.

Auch das Anfechtungsgesetz (AnfG) soll entsprechend geändert werden.

Der Referentenentwurf ist nunmehr an die Länder sowie die betroffenen Fachkreise und Verbände mit der Gelegenheit zur Stellungnahme versandt worden. Wohin die Reise letztlich geht, bleibt abzuwarten. Aber ein Aufbruch ist der Entwurf allemal.

Ansprechpartner: Dr. Christian Jung/Oliver Eifertinger/Markus Ladenburger/Steffen Lux

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