Klimaklagen: Wieder Neues aus Karlsruhe

Die Zahl der Klimaklagen steigt. In der vergangenen Woche wurde eine neue Verfassungsbeschwerde gegen das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) publik (wir berichteten) und erst gestern gab es eine weitere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in Sachen Klimaklagen: Die Karlsruher Richter nahmen mehrere Verfassungsbeschwerden gegen die (unterlassene) Klimaschutzgesetzgebung einzelner Bundesländer nicht zur Entscheidung an. Mit ihrem Beschluss zeigten sie die Grenzen der verfassungsgerichtlichen Überprüfung staatlicher Maßnahmen des Klimaschutzes auf.

Der Bundesgesetzgeber steht beim Klimaschutz in der Pflicht

Im Frühjahr vergangenen Jahres hatte das BVerfG mit seinem wegweisenden Klima-Beschluss die verfassungsrechtlichen Leitplanken für die Klimagesetzgebung in Deutschland festgelegt. Es erklärte die Ursprungsfassung des KSG teilweise für verfassungswidrig (wir berichteten): Weil der Minderungspfad nur bis 2030 bestimmt worden war, würden hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar in die Zeit danach verschoben, was eine eingriffsähnliche Vorwirkung auf die grundgesetzlich umfassend geschützte Freiheit darstelle. Der Gesetzgeber müsse deshalb frühzeitig transparente Maßgaben für die weitere Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion treffen und mit der Festlegung der Emissionsbudgets über die Zeit eine verhältnismäßige Verteilung von Freiheitschancen zwischen den Generationen wahren.

Diesen Auftrag versuchte der deutsche Gesetzgeber – gestärkt durch den Green Deal der EU –mit der Novellierung des KSG zum 31.8.2021 umzusetzen. Das Emissionsreduktionsziel für 2030 wurde gegenüber dem Basisjahr 1990 von 55 auf 65 Prozent angehoben und für 2040 auf 88 Prozent festgelegt, um schließlich in 2045 die vollständige Treibhausgasneutralität zu ermöglichen. Unterstützt durch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) traten mehrere Privatkläger gegen diese novellierten Vorgaben des KSG mit ihren Verfassungsbeschwerden erneut den Gang nach Karlsruhe an, weil mit den Zielen bis 2030 ihrer Ansicht nach das 1,5-Gradziel nicht erreicht werden könne.

Was für den Bund Recht ist, gilt für das Land nicht in gleicher Weise

In der Diskussion um die Handlungspflichten des Bundesgesetzgebers beim Klimaschutz ging fast unter, dass Klimaaktivisten seit dem Sommer vergangenen Jahres auch gegen die (fehlende) Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen in zehn Bundesländern vorgingen (Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt).

Das BVerfG lehnte die Annahme der Verfassungsbeschwerden jedoch ab, weil es nicht (im Ansatz) erkennen konnte, dass die Länder die grundrechtlich geschützten Freiheiten der Beschwerdeführer, die auch über die Zeit zu sichern und verhältnismäßig zu verteilen sind, verletzt hätten. Weil das Grundgesetz (GG) oder das einfache Bundesrecht den Ländern kein grob erkennbares Budget der insgesamt noch zulassungsfähigen CO2-Emissionen zugewiesen hatte, konnten die angegriffenen Landesregelungen keinen Verstoß gegen zeit- und generationengerecht verteilte Freiheitsbeschränkungen begründen. Auch Verstöße gegen Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 GG konnte das BVerfG nicht erkennen. Mit dem KSG existiere schließlich bereits eine gesetzliche Regelung auf Bundesebene, weshalb das etwaige Fehlen von Landesklimaschutzgesetzen nicht entscheidend sei.

Das nächste Urteil kommt bestimmt…

Die jüngsten Entwicklungen zeigen, dass mit dem berühmt-berüchtigten Klima-Beschluss des BVerfG in der verfassungsrechtlichen Debatte um die Klimaschutzbemühungen in Deutschland noch längst nicht das letzte Wort gesprochen ist. Gespannt darf man daher auf die nächsten klärenden Hinweise aus Karlsruhe warten. Wenn es soweit ist, wird das Thema „Klimaklagen“ sicher wieder in aller Munde sein.

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

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