Nach der Krise ist vor der Krise: Neues zum Krisenmanagement des Netzbetreibers

Am 4.6.2021 hat der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. (VDE) einen Entwurf für die Anwendungsregel „Sicherheit in der Stromversorgung – Teil 1: Krisenmanagement des Netzbetreibers“ (E VDE-AR-N 4143-1) veröffentlicht. Sie legt einheitliche Regelungen für die Organisation und das Management der Stromnetzbetreiber im Krisenfall (einschließlich vor- und nachbereitender Maßnahmen) fest.

Bedeutung des Krisenmanagements für Netzbetreiber

Was tun in der Krise? Vor etwas mehr als einem Jahr rückte diese Frage unweigerlich auch in den Fokus der Energiebranche. Nach Ausbruch der Corona-Pandemie begaben sich die Mitarbeiter so mancher Netzbetreiber in Selbstisolation oder wurden von ihrem Arbeitgeber in der Leitwarte „kaserniert“, um den Ausfall von Personal an Schlüsselstellen des Versorgungssystems zu verhindern.

Mit dem nun vorgelegten Entwurf für eine Anwendungsregel erhält das Thema Krisenmanagement auch innerhalb der Regelwerke des VDE mehr Gewicht. Die bisher in dem technischen Hinweis S 1002 „Sicherheit in der Stromversorgung – Hinweise für das Krisenmanagement des Netzbetreibers“ festgehaltenen Grundsätze werden in die neue Anwendungsregel überführt und aktualisiert bzw. erweitert. Entsprechend soll mit dem technischen Hinweis S 1001, der ebenfalls das Krisenmanagement des Netzbetreibers betrifft, verfahren werden. Aus ihm soll die VDE-Anwendungsregel „Sicherheit in der Stromversorgung – Teil 2: Risikomanagement“ (E VDE-AR-N 4143-2) hervorgehen.

Netzbetreiber ist nicht gleich Netzbetreiber

Die E VDE-AR-N 4143-1 stellt nicht an alle Netzbetreiber die gleichen Anforderungen an das Krisenmanagement. Vielmehr differenziert die Anwendungsregel je nach Krisenbedeutung, nach Netzebene und Anzahl der Zählpunkte sowie danach, ob ein Netzbetreiber von der BSI-Kritisverordnung betroffen ist:

Anforderung Betroffene Netzbetreiber
hoch Übertragungsnetzbetreiber

Verteilnetzbetreiber > 100.000 Zählpunkte

Verteilnetzbetreiber fällt unter BSI-Kritisverordnung

mittel Verteilnetzbetreiber mit 30.000 – 100.000 Zählpunkten
gering Verteilnetzbetreiber mit < 30.000 Zählpunkten

Die E VDE-AR-N 4143-1 knüpft eine unterschiedlich strikte Verbindlichkeit an diese Differenzierung. Vieles, was durch Netzbetreiber der Anforderungsgruppe „hoch“ verpflichtend umgesetzt werden muss, steht den Netzbetreibern der Anforderungsgruppe „gering“ frei (kann/soll-Regelungen).

Drei-Phasen-Modell des Krisenmanagements

In zeitlicher Hinsicht unterscheidet die neue Anwendungsregel drei Phasen des Krisenmanagements. Im Fokus steht zunächst die Krisenvorbereitung. In dieser Phase verlangt die Anwendungsregel umfassende organisatorische und infrastrukturelle Vorbereitungen, die Identifikation von Krisenszenarien und (darauf aufbauend) die Entwicklung spezifischer Krisenabwehrmaßnahmen sowie entsprechende Schulungs- und Trainingsmaßnahmen.

Die Phase der Krisenbewältigung beginnt nach der Anwendungsregel mit dem Ausrufen der Krise und dem Einberufen des Krisenstabs. Auf Grundlage der Lagefeststellung und -beurteilung ist dieser ermächtigt, Maßnahmen zur Krisenbewältigung sowie zur Überwachung und Prüfung der Umsetzung zu ergreifen.

In der dritten Phase, der Krisennachbereitung, ist die Krisenbewältigung schließlich zu analysieren und auch rechtlich zu würdigen. Zudem sind die Erfahrungen aus der Krise sowie etwaige Verbesserungsvorschläge für künftige Krisen umzusetzen und in das Krisenmanagement einzuarbeiten.

Jetzt keine Zeit verlieren

Nach dem derzeitigen Stand sollen die Anforderungen der E VDE-AR-N 4143-1 innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten der Anwendungsregel umgesetzt werden. Bereits jetzt sollten sich Netzbetreiber also einen Überblick verschaffen, inwieweit Sie von den aktualisierten Vorgaben zum Krisenmanagement betroffen sind und wo ggf. Handlungsbedarf besteht.

Ansprechpartner*innen: Jan-Hendrik vom Wege/Dr. Michael Weise/Alexander Bartsch/Roman Schüttke

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