Nachsicht durch Aufsicht – Kann ein vorhandenes Compliance-Management-System eine Sanktion mildern?

(c) BBH
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Viele Unternehmen haben inzwischen ein funktionierendes Compliance-Management-System (CMS) bei sich implementiert. Und das ist auch gut so. Denn das CMS hilft dabei, Rechtsverstöße zu verhindern, die das Unternehmen selbst oder auch seine Leitungsorgane viel Geld kosten können. Doch was, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist? Bekommt man dann von den (Strafverfolgungs-)Behörden “mildernde Umstände“ zuerkannt, wenn man über ein CMS verfügt? In Großbritannien, Frankreich, Italien, Australien und Kanada zum Beispiel werden bei Verstößen gegen die Vorschriften des öffentlichen Wirtschaftsrechts „Rabatte“ gewährt, wenn ein funktionierendes CMS vorhanden ist. Doch wie sieht es hier bei uns aus?

Das Bundeskartellamt (BKartA) beispielsweise sieht eine bußgeldmindernde Berücksichtigung kritisch: Nach Auffassung des Bundeskartellamtspräsidenten Andreas Mundt würde dies einen falschen Anreiz setzen. Denn dadurch könnten möglicherweise auch Unternehmen mit ineffektiven und nicht gelebten CMS in den Genuss einer Minderung des Bußgeldes kommen. Die vorgesehenen Bußgelder hingegen seien nach Auffassung von Mundt Motivation genug, dafür zu sorgen, dass das CMS Verstöße auch entdeckt und verhindert.

Dass nicht alle die Auffassung des BKartA teilen, belegen allerdings jüngste Entwicklungen. So hat der Bundesverband der Unternehmensjuristen (BUJ) bereits einen Gesetzgebungsvorschlag zur Änderung der §§ 30, 130 OWiG unterbreitet. Darin forderte der BUJ unter anderem, dass bei der Bußgeldbemessung geeignete und angemessene organisatorische oder personelle Präventivmaßnahmen mildernd zu berücksichtigen sein sollen. Weiterhin hat auch ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 23.5.2016 für Aufsehen gesorgt. Inhaltlich ging es sowohl um die Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO als auch um die strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerrecht. Das BMF führte darin aus, dass die Einrichtung eines innerbetrieblichen Kontrollsystems, das der Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten dient, ggf. ein Indiz darstellt, das gegen Vorsatz oder Leichtfertigkeit sprechen kann. Sollte also der Nachweis eines wirksamen Tax-Compliance-Systems glücken, kann der unterlaufene Fehler möglicherweise auch nur als eine Singularität aufgefasst werden. Die Folge: keine Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit! Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat nun auf die Frage hin, wie so ein unternehmensinternes System auszusehen habe, seinen Compliance-Standard IDW PS 980 um einen Praxishinweis zu den Grundsätzen steuerrechtlicher CMS ergänzt. Die Entwurfsfassung finden Sie hier.

Im Ergebnis also Grund genug, ausgehend von den Grundsätzen der steuerrechtlichen Compliance, allgemeingültige Aussagen zu treffen und die Berücksichtigung von unternehmensweiten Compliance-Maßnahmen als bußgeldmindernden Faktor anzuregen!

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau

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