Sozialtarife für Strom und Gas – Vermeidung von Energiearmut oder doch nur Wahlkampf-Posse?

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Der Bundestagswahlkampf steht bevor, und eins der heißen Themen könnte das Schlagwort „Energiearmut“ sein. Wer vor dem Wahlvolk mit Kritik gegen die Energiewende punkten möchte, stellt das Kostenproblem oben auf die politische Agenda. Die Leidtragenden sind die kommunalen Energieversorger. Denn auch auf kommunaler Ebene wird fleißig Wahlkampf betrieben, und als Allheilmittel zur Abwendung von „Energiearmut“ wird nicht selten gefordert, dass die kommunalen Versorger Sozialtarife anbieten – zum Beispiel als günstiger Tarif oder als Einräumung von kostenlosen Stromkontingenten. Für die Stadt ist das auf den ersten Blick ein guter Deal – die Stadtwerke müssen die Einführung umsetzen und auch die Kosten tragen.

Aber Achtung: Ganz so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint, ist es häufig nicht! Die Aufgabe von Stadtwerken ist die Energieversorgung der Bürger und nicht die Erbringung von Sozialhilfe. Als privatwirtschaftliche Unternehmen sollen auch kommunale Energieversorger einen Gewinn erzielen. Diesem Zweck widerspricht eine Verpflichtung zu sozialen Hilfsmaßnahmen. Das kann sogar kommunalrechtlich vorgeschrieben sein. Wenn die Gemeinde den kommunalen Versorger noch dazu nicht allein trägt, haben auch die anderen Beteiligten ein Wörtchen mitzureden, wie ein Blick in die Gesellschafts- oder Konsortialverträge zeigen kann. Wer hier nicht aufpasst, hat schnell Schadensersatzklagen am Hals. Dann bedeutet die Einführung von Sozialtarifen nicht nur weniger Einnahmen, sondern auch höhere Ausgaben, um den Schaden der Mitanteilseigner zu begleichen. Auch die steuerlichen Konsequenzen dürfen nicht unterschätzt werden: Übernimmt das Stadtwerk eine Aufgabe der Gemeinde, kann darin eine verdeckte Gewinnausschüttung liegen, die die Stadtwerke doppelt belastet – das bedeutet weniger Einnahmen, aber höhere Steuerpflicht.

Ferner ist die Frage, ob ein Grundversorger risikolos Sozialtarife anbieten kann, nicht abschließend geklärt. Grundversorgungstarife müssen eigentlich allen Kunden gleichermaßen offen stehen. Werden die „energiearmen Kunden“ durch einen „Sonder-Sozialtarif“ zu Sondervertragskunden und Preisanpassungen für den Versorger zum Risiko? Auch die anderen grundversorgten Kunden dürften nicht unbedingt erfreut sein, wenn ihr Tarif steigt, um die Finanzierung der Sozialtarife sicher zu stellen. „Billig“ ist so eine Preisanpassung jedenfalls kaum.

Die Diskussion um die Einführung von Sozialtarifen mag gute Gründe haben. Haushaltskunden müssen immer tiefer in die Tasche greifen, um ihre Strom- und Gasrechnungen zu bezahlen. Als Wahlkampfthema ist Energiearmut also durchaus legitim, und dem Sozialstaat ist es auch zuzumuten, die dringlichsten Probleme zu mindern. Aus diesem Grund sind Energiekosten Teil des Regelbedarfs der Sozialhilfe, der gegebenenfalls angepasst werden muss. Die Einführung von Sozialtarifen durch Stadtwerke ist dagegen nicht der richtige Weg, um Energiearmut zu vermeiden.

Ansprechpartner: Dr. Christian de Wyl/Dr. Erik Ahnis

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