Bundeskartellamt: Schnell entschieden, aber zu knapp begründet

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Einstweilige Anordnungen können nicht nur Gerichte, sondern auch Behörden verhängen. Sie tun dies, um zu verhindern, dass Betroffene im Hinblick auf anstehende Behördenentscheidungen Tatsachen schaffen, auf diese Weise die Behördenentscheidungen konterkarieren und so das Verfahren ad absurdum führen können. Mit einer einstweiligen Anordnung soll ein Rechtszustand vorläufig geregelt und dadurch irreversible Tatsachen vermieden werden. Von dieser Handlungsoption wird in der Praxis viel Gebrauch gemacht, doch rechtlich ist sie oftmals problematisch. Regelmäßig stolpern die Behörden beim Versuch, die Anordnung ordnungsgemäß zu begründen. So wie zuletzt auch das Bundeskartellamt (BKartA) im Fusionskontrollverfahren zwischen EDEKA und Kaiser‘s Tengelmann.

Am 3.12.2015 hatte das BKartA in diesem Verfahren eine solche einstweilige Anordnung (Az. B2-96/14) getroffen. Die beiden Einzelhandelsketten wollen fusionieren und hatten mit der Vorbereitung bereits begonnen, bevor sie ihr Vorhaben beim BKartA anmeldeten. Sie hatten konkrete Maßnahmen vereinbart, gemeinsam Waren zu beschaffen und zu verrechnen und Teile des Filialnetzes, Lager und Fleischwerke mitsamt den damit verbundenen personellen Veränderungen zusammenzulegen. Das BKartA untersagte ihnen dies vorläufig bis zur Entscheidung im Fusionskontrollverfahren, da die Fusion selbst nach Ansicht der Behörde Markt- und Wettbewerbsstrukturen bzw. -prozesse unumkehrbar hätte beeinträchtigen können.

Laut aktuellen Pressemeldungen hat das OLG Düsseldorf diese einstweilige Anordnung nun nach Beschwerde der Beteiligten mit Beschluss vom 9.12.2015 aufgehoben. Damit musste das BKartA im Bereich des Lebensmittelhandels nun die zweite Niederlage binnen kurzer Zeit verkraften, nachdem erst jüngst die Untersagung der „Hochzeitrabatte“ im Rahmen der EDEKA/Plus-Übernahme verworfen wurde.

Auch die Eilverfügung des BKartA im Fall EDEKA und Kaiser’s Tengelmann ist aus Sicht des OLG Düsseldorf rechtlich ungenügend. Eine einstweilige Anordnung darf nämlich nur dann getroffen werden, wenn ein besonderes öffentliches Interesse daran besteht. Dieses Interesse muss über dasjenige hinausgehen, welches die entsprechende Entscheidung in der Hauptsache selbst rechtfertigt. Also mit anderen Worten: Es muss einen triftigen Grund von besonderer öffentlicher Bedeutung geben, weswegen man nicht bis zur Hauptsacheentscheidung warten kann. Diesen besonderen Anordnungsgrund hatte das BKartA in der einstweiligen Verfügung jedoch nicht ausreichend dargelegt.

In einem solchen Fall vor Gericht Recht zu erhalten, kommt für die Beteiligten jedoch häufig zu spät. Denn dass Gerichte schneller entscheiden als die Behörden in der Hauptsache, ist äußerst selten. Oft ist, bis das Gericht entscheidet, das Hauptsacheverfahren der Behörden seinerseits schon entschieden und die einstweiligen Anordnungen durch diese bereits abgelöst. Das war nun auch bei der EDEKA-/Tengelmann-Fusion der Fall, die das BKartA schließlich durch einen Ablehnungsbeschluss stoppte. Daher hat die Entscheidung des OLG Düsseldorf jedenfalls keine direkten Auswirkungen auf die angedachten, aber dann doch untersagten Maßnahmen der Beteiligten. Dennoch erinnert die Entscheidung des OLG Düsseldorf daran, die Begründungspflicht einer einstweiligen Anordnung nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.

Wie geht es weiter?

Jenseits moralischer Genugtuung könnte die Entscheidung des OLG Düsseldorf aber unter Umständen doch auch materiell für die Beteiligten etwas bringen. So deutet sich in einigen Pressemeldungen an, dass die Beteiligten Schadensersatz verlangen könnten. Dem würden jedoch sicherlich einige Hindernisse im Wege stehen. Nicht nur wäre es juristisch schwierig, auf eine unzureichende Begründung der Eilverfügung einen Schadensersatzanspruch zu stützen. Auch auf der Tatsachenseite wäre es sicherlich schwer nachzuweisen, worin genau der Schaden der Betroffenen liegt. Um die Erfolgschancen eines solchen Anspruchs besser zu beurteilen, wird man aber ohnehin die vollständige Begründung der Entscheidung des OLG Düsseldorf abwarten müssen, die noch nicht vorliegt. So oder so wäre es außergewöhnlich, das BKartA auf Schadensersatz zu verklagen. Mit den bereits seit langem heiß geführten Diskussionen um die klassische private Kartellrechtsdurchsetzung (sog. Private Enforcement) gegenüber Kartelltätern (wir berichteten) hat diese Konstellation schließlich nichts zu tun.

Neben der Frage möglicher Schadensersatzansprüche nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf ist auch das letzte Wort über den Zusammenschluss von EDEKA und Kaiser’s Tengelmann selbst noch nicht gesprochen. Zurzeit liegt das Fusionsvorhaben zur Letztentscheidung auf dem Schreibtisch des Bundeswirtschaftsministers Gabriel, der die Fusion per Ministererlaubnis nach § 42 GWB doch noch ermöglichen könnte. Die Monopolkommission, die im Rahmen des Ministererlaubnisverfahrens nach ihrer wettbewerblichen Einschätzung zu befragen ist, hatte sich in einem Sondergutachten kürzlich gegen die Freigabe der Fusion ausgesprochen. Nun steht also noch die abschließende Entscheidung des Bundeswirtschaftsministers an, die natürlich wohl durchdacht sein will. Der letzte gesamtwirtschaftlich bedeutsame Fall einer (gegen das Votum des BKartA und der Monopolkommission) erteilten Ministererlaubnis betraf schließlich die Fusion E.ON/Ruhrgas, mit deren strukturellen Folgen die Energiebranche bekanntlich noch lange Jahre zu kämpfen hatte.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann

PS: Sie interessiert dieses Thema, dann schauen Sie gern hier.

 

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