Verjährung von Kartellschadensersatzansprüchen: BGH urteilt erneut zugunsten der Geschädigten

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Sind Schadensersatzansprüche für Kartellverstöße, die aus der Zeit vor Juli 2005 stammen, verjährt? Im Juli 2005 trat eine neue Norm im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in Kraft, wonach die Verjährungsfrist nicht weiter läuft, wenn ein Kartellverfahren eingeleitet wurde. Ob diese Vorschrift (§ 33 Abs. 5 GWB 2005) auch für Kartellverstöße vor dieser Zeit gilt, war lange heiß umstritten. Doch jetzt hat der Bundesgerichtshof (BGH) diesem Streit endlich ein Ende bereitet (Urt. v. 12.6.2018, Az. KZR 56/16 – Grauzementkartell II): In der Tat, auch in Altfällen verjährt der Anspruch der Kartellgeschädigten nicht während des kartellbehördlichen und eines ggfs. anschließenden gerichtlichen Beschwerdeverfahrens.

Die Entscheidung wurde ursprünglich bereits Ende Februar dieses Jahres erwartet, dann aber auf dem 12.6.2018 verschoben. Lang erwartet war sie auch deshalb, weil sie für die private Durchsetzung von Kartellschadensersatzansprüchen noch heute überragend wichtig ist, und zwar über den konkreten Fall weit hinaus etwa auch u.a. für Schadensersatzansprüche aufgrund des LKW-, Schienen- oder Zuckerkartells. So wäre bei einem negativen Ausgang Schätzungen zufolge rund die Hälfte der potentiellen Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem sog. LKW-Kartell (wir berichteten) bereits vor der Kommissionsentscheidung im September 2016 verjährt.

Im vorliegend entschiedenen Fall hatte ein Baustoffhändler einen Zementhersteller auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Kartellschadensersatz nebst Zinsen verklagt, der am Grauzement-Kartell beteiligt war. Das Landgericht (LG) Mannheim hatte ihm zunächst Recht gegeben (Urt. v. 30.10.2015, Az. 7 O 34/15 (Kart.)), nicht aber die Berufungsinstanz, das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe: Die 2005 eingeführte Vorschrift sei in Fällen, wo der Kartellverstoß vor dem Juli 2005 stattfand, nicht anwendbar (Urt. v. 9.11.2016, Az. 6 U 204/15 Kart. (2)).

Anders jetzt der Kartellsenat des BGH: § 33 Abs. 5 GWB 2005 sei auch auf solche Kartellschadensersatzansprüche anzuwenden. Denn dem allgemeinen Rechtsgedanken zufolge ist, wenn sich eine Verjährungsvorschrift ändert, die neue Regelung ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens auf bereits zuvor entstandene, aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährte Ansprüche anzuwenden. Hiervon zeugen auch die gesetzlichen Bestimmungen in Art. 169 EGBGB, Art. 231 § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 EGBGB und Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 EGBGB.

Möglicherweise enthält die Entscheidung auch noch weitere Weichenstellungen zur Anspruchsverjährung (insbesondere zum genauen zeitlichen Beginn der Hemmung). Dies lässt sich jedoch erst nach der Veröffentlichung der Urteilsgründe beantworten.

Die Entscheidung wird auch im europäischen Ausland auf großes Interesse stoßen. Denn den Geschädigten steht bei europaweiten Kartellen die Wahl über den Gerichtsstandort zu (sog. Forum Shopping). Dass der BGH  nach der berühmten ORWI-Entscheidung (Urt. v. 28.6.2011, Az. KZR 75/10) (wir berichteten) zu den Beweispflichten und zur Schadensweiterwälzung (sog. Passing-on-Defense) erneut die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen stärkt, dürfte im europäischen Wettbewerb der Gerichtsstandorte bei privaten Kartellschadensersatzklagen eine gewichtige Rolle spielen und Schadensersatzklagen in Deutschland zukünftig attraktiver machen.

Ansprechpartner: Dr. Holger Hoch/Anna Lesinska-Adamson

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