Bundestag verabschiedet Reform der Insolvenzanfechtung

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Die lang ersehnte Reform des Anfechtungsrechts (wir berichteten) schreitet weiter voran. Kürzlich hat der Deutsche Bundestag den entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 16.12.2015 in der vom Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfohlenen Fassung verabschiedet. Sobald der Bundesrat sich dazu geäußert hat – mutmaßlich Mitte März 2017 – könnte das Gesetz einen Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten.

Mit folgenden Neuregelungen ist nunmehr zu rechnen:

(Doch) keine Einschränkung der Anfechtung inkongruenter Deckungen (§ 131 InsO)

Der Regierungsentwurf sah ursprünglich vor, dass Gläubiger, die nur von gesetzlich zugelassenen Zwangsmitteln Gebrauch machen und nicht wissen, dass der Zahlungsschuldner bereits zahlungsunfähig ist, privilegiert werden sollen. Deckungen, die in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag im Wege der Zwangsvollstreckung oder zu deren Abwendung erwirkt wurden, sind grundsätzlich nur unter den (erschwerten) Voraussetzungen des § 130 InsO anfechtbar. Der Anfechtungsgegner hätte also insoweit die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners konkret kennen müssen. Diese Änderungen wurden in letzter Minute gestrichen und damit nicht verwirklicht.

Einschränkung der Vorsatzanfechtung, insb. bei kongruenten Deckungen (§ 133 InsO)

Die Struktur der sog. Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO) bleibt grundsätzlich unverändert. Der Anfechtungszeitraum wird bei allen Deckungshandlungen (kongruent und inkongruent), die dem Gläubiger also eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, von bislang 10 auf 4 Jahre verkürzt.

Kongruente Deckungen, wenn also die Leistung in der geschuldeten Art und Weise erbracht wird, sollen zudem nur noch anfechtbar sein, wenn der Gläubiger die eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners erkannt hat. Bisher reichte bereits die Kenntnis von dessen drohender Zahlungsunfähigkeit.

Eine Anfechtung wird zudem eingeschränkt, wenn mit dem Schuldner Zahlungsvereinbarungen getroffen oder ihm Zahlungserleichterungen gewährt worden sind. Nunmehr wird gesetzlich vermutet, dass der Gläubiger bei Erhalt entsprechender Zahlungen die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte; der Insolvenzverwalter muss damit das Gegenteil beweisen.

In den paradigmatischen Fällen der Vorsatzanfechtung, etwa wenn Bankrotthandlungen und Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht werden, ändert sich zur bislang geltenden Rechtslage nichts. Es bleibt für diese Fälle bei dem 10jährigen Anfechtungszeitraum wie auch dabei, dass die Vermutung der Kenntnis des Anfechtungsgegners von dem Benachteiligungsvorsatz an die bereits drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners anknüpft.

Konkretisierung des Bargeschäftsprivilegs (§ 142 InsO)

Bargeschäfte bleiben auch weiterhin privilegiert. Leistungen des Schuldners, für die zeitnah eine gleichwertige Gegenleistung in dessen Vermögen gelangt ist, sollen weitgehend von der Vorsatzanfechtung ausgenommen sein. Eine Vorsatzanfechtung von Bargeschäften ist künftig nur noch dann möglich, wenn der Schuldner „unlauter“ handelte und der Gläubiger dies erkannt hat.

Was die Anfechtbarkeit von Lohnzahlungen betrifft, so ist nunmehr gesetzlich klargestellt, dass es sich um ein Bargeschäft handelt, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Lohnzahlung drei Monate nicht übersteigt.

Neuregelung der Verzinsung des Anfechtungsanspruchs (§ 143 InsO)

Richtet sich der Anfechtungsanspruch auf Geld, werden Zinsen künftig nicht mehr seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig, sondern nur noch nach Maßgabe der allgemeinen Verzugsregeln oder ab Klageerhebung. Das soll nicht nur Fehlanreize für die Insolvenzverwalter zur schleppenden Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen beheben, sondern auch den Rechtsverkehr vor übermäßigen Zinsbelastungen schützen. Darüber hinaus auch Nutzungsvorteile für einen erlangten Geldbetrag zu verlangen, ist ausgeschlossen.

Übergangsregelungen

Die besagten Regelungen gelten in Insolvenzverfahren, die am Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes oder später eröffnet werden, und zwar auch dann, wenn die angefochtene Rechtshandlung vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes vorgenommen wurde. Soweit die Anfechtung bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes gerichtlich geltend gemacht worden ist, sind grundsätzlich die bis dahin geltenden Vorschriften anzuwenden.

Ansprechpartner: Oliver Eifertinger/Markus Ladenburger/Steffen Lux

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