Das Bundeskartellamt nimmt den Telekommunikationssektor unter die Lupe
Die Bundesnetzagentur (BNetzA) steht zwar bei wichtigen Entscheidungen als zentrale Infrastrukturbehörde für den Telekommunikationsmarkt regelmäßig im Vordergrund, doch nimmt auch das Bundeskartellamt (BKartA) immer wieder maßgeblich Einfluss auf den Telekommunikationssektor in Deutschland. Das zeigt sich in jüngerer Vergangenheit immer wieder.
Prüfung einer Behinderung von 1&1 durch Vodafone und Vantage Towers
Das BKartA prüft aktuell die Beschwerde der 1&1 Mobilfunk GmbH (1&1) gegen die Vodafone GmbH (Vodafone), beziehungsweise die Vantage Towers AG (Vantage Towers), ein mit der Vodafone verbundenes Funkturm-Unternehmen. Es besteht der Verdacht, dass 1&1 rechtswidrig bei der Mitnutzung von Funkturmmasten behindert wird. Dabei steht ein Verstoß u.a. gegen die kartellrechtlichen Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) im Raum.
1&1 und Vantage Towers hatten im Frühjahr 2021 einen Vertrag über die Mitnutzung einer großen Anzahl der Funkturmstandorte geschlossen. Bei der Bereitstellung traten massive Verzögerungen auf, die teilweise andauern. Die betroffenen Funkturmstandorte sind dabei ein wichtiger Bestandteil des geplanten Mobilfunknetzes der 1&1.
Seit 1&1 Lizenzen für 5G-Mobilfunkfrequenzen ersteigerte und damit ein viertes Mobilfunknetz in Deutschland plant, kommt der Ausbau bislang noch nicht richtig in Fahrt. Das Netz der 1&1 soll zwar Ende des Jahres 2023 aktiv geschaltet werden, aber hierfür fehlen noch einige Antennenstandorte. Dazu ist die 1&1 auch verpflichtet, da an den Erwerb eines Frequenzspektrums eine Ausbaupflicht gekoppelt war und das bisherige Roaming-Modell so nicht fortgeführt werden durfte.
Vantage Towers (im Wesentlichen die ehemalige Funkturmsparte der Vodafone, wobei diese weiterhin Mehrheitsaktionärin und auch Hauptmieterin der Funkturmstandorte für das eigene Mobilfunknetz ist) vermietet Flächen zur Antennenmontage und verfügt über ca. 19.400 Antennenstandorte.
Andreas Mundt, Präsident des BKartA, begrüßte in der Pressemitteilung vom 2.6.2023 den Markteintritt der 1&1. Er verwies gleichzeitig auf die unternehmerischen Risiken und auf die Aufgabe des Kartellrechts, „dem Verhalten von Unternehmen faire Spielregeln zu setzen“. Es werde nun geprüft, ob etwaige Verzögerungen bei der Bereitstellung der für den Aufbau des Mobilfunknetzes erforderlichen Mobilfunkmasten eine unbillige Behinderung darstellen würden.
Parallel und unabhängig von dem Verfahren vor dem BKartA prüft die BNetzA die Verhängung eines Bußgeldes gegen die 1&1, da diese nicht entsprechend der sich aus dem Frequenzerwerb ergebenden Ausbaupflicht zu Beginn dieses Jahres 1.000 5G-Basisstationen errichtet hatte. Die Einreichung der Beschwerde beim BKartA dürfte somit auch für den Fall einer Bußgeldauferlegung durch die BNetzA der Vorbereitung der Geltendmachung eines Regressanspruchs gegenüber Vantage Towers dienen.
Sektoruntersuchung Messenger- und Video-Dienste, Verstöße gegen DSGVO und UWG
Das BKartA hat am 17.5.2023 zudem den Abschlussbericht zu seiner Sektoruntersuchung zu Messenger- und Video-Diensten auf Grundlage des § 32e Abs. 5 des GWB vorgelegt. Es wurden über 40 in Deutschland verfügbare Dienste hinsichtlich der Einhaltung der Vorgaben für den Datenschutz und die Datensicherheit befragt. Rechtlicher Hintergrund waren insbesondere die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).
Die Untersuchung hat aus Sicht des BKartA ergeben, dass entsprechende Verstöße einiger Messenger- und Video-Dienste zumindest nahe liegen. So dürfte die dauerhafte Speicherung von Kontaktdaten von Nicht-Nutzer*innen im Rahmen der Synchronisation des Kontaktverzeichnisses von Nutzer*innen gegen Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a) DSGVO verstoßen. Außerdem wurde in dem Datentransfer und dem Speichern von Daten auf Servern in Drittländern in einigen Fällen ein Verstoß gegen Art. 45 DSGVO gesehen, da diese Daten insbesondere in den USA gespeichert würden. Die rechtskonforme Speicherung von Daten in Drittländern setzt voraus, dass dort ein angemessenes Datenschutzniveau sichergestellt ist und die Kommission dies festgestellt hat. Dies könne seit dem „Schrems II“-Urteil des EuGH (Urt. v. 16.7.2020, Az. C-311/18) für die USA nicht mehr angenommen werden. Wie brisant das Thema ist, zeigt ein Blick nach Irland: Die irische Datenschutzbehörde hat jüngst gegenüber der Meta Platforms Ireland Ltd. ein Rekordbußgeld für einen Verstoß gegen die DSGVO von 1,2 Milliarden EUR wegen unzulässiger Drittlandübermittlung in die USA verhängt.
Daneben wurden auch mögliche Verstöße gegen das Transparenzgebot des § 5a Abs. 1 UWG festgestellt, da Verbraucher*innen nicht immer ausreichend über die Verschlüsselung, insbesondere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, aufgeklärt worden seien.
Weiterhin wurde problematisiert, ob die Vorgaben des Art. 7 aus dem am 1.11.2022 in Kraft getretenen Digital Markets Act (DMA) mangels marktweiter interoperabler Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Vorgaben eingehalten werden könnten. Art. 7 DMA sieht vor, dass von der Kommission als Torwächter (sogenannter Gatekeeper) benannte Messenger-Dienste auf Antrag eines anderen Anbieters zur Schaffung von interoperablen technischen Schnittstellen für die grundlegenden Funktionen verpflichtet werden können.
Die Sektoruntersuchung zeigt, dass die Branche unter Beobachtung der Aufsichtsbehörden steht und wohl auch in den Fokus von Verbraucherzentralen rücken wird.
Strategischer Glasfaserüberbau – auch ein Thema für das BKartA?
Nach wie vor in aller Munde ist der strategische Glasfaserüberbau und noch immer ist keine Lösung in Sicht. Die Wettbewerber befeuern den Open Access (offener Netzzugang); aus der Politik kommen Wünsche nach rechtlich-regulatorischen Eingriffen und die Beschuldigten wehren sich mit Kooperationsgedanken.
Auch beim Glasfaserausbau wäre es zumindest nicht ausgeschlossen, dass das BKartA und/oder die BNetzA zumindest im strategischen Verhinderungs-Überbau im Einzelfall ein missbräuchliches rechtswidriges Verhalten im Sinne des Telekommunikationsgesetzes (TKG) oder des GWB feststellen könnten. Hierzu müsste jedoch ein Ausbaukonkurrent den ersten Stein werfen und ein entsprechendes förmliches behördliches Verfahren anstrengen. Erfolgsaussichten: offen!
Ansprechpartner*innen Telekommunikationsrecht: Axel Kafka/Julien Wilmes-Horváth/Robert Grützner
Ansprechpartner*innen Kartellrecht: Dr. Tigran Heymann/Dr. Holger Hoch
PS: Sie interessieren sich für das Thema? Dann treffen Sie uns bei unserem Sonder-Treffen zur akuten Problematik des strategischen Glasfaserüberbaus am 26.9.2023.