Das Osterpaket Teil 4: Strengere Kontrolle der Fernwärmepreise geplant

Die Bundesregierung plant, Fernwärme in den Anwendungsbereich des § 29 GWB aufzunehmen. Mit dieser Beweislastumkehr würden Fernwärmeversorger der verschärften Preismissbrauchsaufsicht unterliegen.

Pläne der Bundesregierung

Am 6.4.2022 hat die Bundesregierung den Entwurf für das „Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts im Zusammenhang mit dem Klimaschutz-Sofortprogramm und zu Anpassungen im Recht der Endkundenbelieferung“ veröffentlicht (wir berichteten in Teil 3, Teil 2 und Teil 1). Das Gesetzespaket befasst sich primär mit dem Ausbau des Netzes und den steigenden Energiepreisen. Damit einher gehen großflächige Anpassungen des Energiewirtschaftsgesetztes (EnWG), unter anderem zusätzliche Aufsichtsbefugnisse der Bundesnetzagentur (BNetzA).

Allerdings hat es auch die Fernwärme in den Gesetzesentwurf geschafft: Sie soll nunmehr in den Anwendungsbereich des § 29 GWB aufgenommen werden. § 29 GWB war im Jahr 2006 – zunächst zeitlich auf 5 Jahre befristet – für die leitungsgebundene Strom- und Gasversorgung eingeführt worden. Er sollte die Liberalisierung des Strommarktes in Deutschland begleiten und so dazu beitragen, einen voll funktionierenden Wettbewerb zu gewährleisten. Dafür wurden unter anderem die Möglichkeiten eines kartellrechtlichen Preisvergleichs anhand des sog. Vergleichsmarktkonzepts erweitert und eine Beweislastumkehr zulasten der Versorger im Kartellverfahren eingeführt. Letztere hat zur Folge, dass der Lieferant – sofern er marktbeherrschend ist und seine Preise ungünstiger sind als diejenigen anderer Versorger – die Angemessenheit seiner Preise beweisen muss.

Die zeitliche Geltung des § 29 GWB wurde schon 2012 und 2017 um jeweils fünf Jahre verlängert, beim letzten Mal vor allem mit Blick auf die Konzentration und Preisentwicklung im Stromerzeugungs- und -handelsmarkt. Nach den Plänen der Bundesregierung soll die Regelung nun erneut um fünf Jahre bis Ende 2027 verlängert werden und erstmals auch für die Fernwärme gelten.

Die Diskussion ist nicht neu

Schon bei Einführung der speziellen Preismissbrauchsnorm im Jahr 2006 wurde die Einbeziehung der Fernwärme diskutiert und auch bei der ersten Verlängerung ihrer Geltungsdauer stand auf Betreiben des Bundesrates im Raum, die Fernwärme in den § 29 GWB aufzunehmen. Die Bundesregierung war in dieser Frage damals noch aufgrund des Regelungszwecks der Vorschrift anderer Meinung, da „für eine dauerhafte Quasi-Preisregulierung natürlicher Monopole […]  im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen kein Raum“ sei.

Die aktuelle Bundesregierung scheint diesen Raum nun als eröffnet anzusehen. Ohnehin muss man sich die Frage stellen, ob der – seit 2006 stets verlängerte – § 29 GWB nicht nur ein dauerhafter Gast im GWB, sondern mittlerweile integraler Bestandteil des Gesetzes geworden ist. Als Grund der jetzt erneut vorgeschlagenen Erweiterung jedenfalls führt die Bundesregierung an, dass die Fernwärme aufgrund der strukturellen Besonderheiten – die Versorgung erfolgt meist allein durch den Betreiber des örtlichen Fernwärmenetzes, zudem besteht z.T. ein Anschluss- und Benutzungszwang – besonders missbrauchsanfällig sei. Damit die Energiewende und die Entwicklungen im Fernwärmesektor kartellrechtlich unterstützt und abgesichert werden können, müsse § 29 GWB erweitert werden. Dies sei aber nur als Übergangsmaßnahme bis zu einer Grundsatzantescheidung über den richtigen Rechtsrahmen des Fernwärmesektors zu begreifen. Weil aus den genannten strukturellen Gründen langfristig kein Wettbewerb erwartbar sei, müsse bewertet und entschieden werden, ob der Fernwärmemarkt weiterhin allein einer kartellrechtlichen Kontrolle oder aber einer regulierungsrechtlichen Überwachung unterliegen solle. Um diese Entscheidung sorgfältig vorzubereiten, bedürfe es in der Zwischenzeit einer verschärften Missbrauchsaufsicht.

Fernwärmeversorger in der Pflicht

Fernwärmeversorger sind nach bisheriger – wenn auch von den Gerichten teils anders beurteilter – Ansicht der Kartellbehörden jedenfalls bei Bestandskunden auf dem von ihnen belieferten, räumlichen Markt automatisch in einer marktbeherrschenden Stellung. Im Ergebnis würde die Aufnahme in § 29 GWB dazu führen, dass jeder von ihnen nach dem Entwurf der verschärften Preismissbrauchsaufsicht unterliegt und eine dauerhafte Preisregulierung durch den Staat in Gestalt der Kartellaufsichtsbehörden entsteht. Bisher ist eine Missbrauchsaufsicht nur im Rahmen des § 19 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 GWB möglich, der den Nachweis eines Preismissbrauchs aber den Kartellbehörden auferlegt. Das würde sich mit der Beweislastumkehr künftig ändern, was – gepaart mit dem Ausblick auf die in der Gesetzesbegründung in den Raum gestellte künftige Regulierung des Fernwärmesektors ab 2028 –  der sachlichen Erweiterung des § 29 GWB gerade die Schärfe gibt.

Ansprechpartner*innen: Stefan Wollschläger/Dr. Tigran Heymann/Dr. Holger Hoch

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