BEHG-Carbon-Leakage-Verordnung: Ein (Kuckucks-)Ei zu Ostern?

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Ostern ist vorbei – und nicht alle vom Brennstoffemissionshandel nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) betroffenen Unternehmen sind zufrieden mit dem, was ihnen die Bundesregierung in ihr Osternest gelegt hat. Pünktlich zum Osterwochenende hatte diese den Entwurf für die lang erwartete BEHG-Carbon-Leakage-Verordnung (BECV) auf den Weg gebracht. Ob weitere Änderungen notwendig werden, ist allerdings unsicher – betroffenen Unternehmen fehlt also nach wie vor die Planungssicherheit.

Ziel der BECV

Anders als das EU-Emissionshandelssystem bepreist das BEHG nicht die tatsächlichen Emissionen von Industrieanlagen, sondern die potenziellen Emissionen in Verkehr gebrachter Brennstoffe. Damit verfolgt es einen sog. Upstream-Ansatz. Die Kosten der Bepreisung werden entlang der Leistungskette weitergegeben und treffen die Unternehmen, die Brennstoffe verwenden und damit Treibhausgase emittieren. Das soll die Unternehmen dazu bringen, Emissionen zu verringern. Allerdings besteht damit die Gefahr, dass besonders brennstoffintensive Industrien ganze Sparten ins Ausland verlagern, um den Kosten zu entkommen – es käme zum sog. Carbon Leakage.

Diesen Effekt soll die BECV verhindern. Die von der Bepreisung betroffenen Carbon-Leakage-gefährdeten Unternehmen sollen finanziell kompensiert werden, um eine Abwanderung zu verhindern. Im Gegenzug soll die Kompensationssumme größtenteils klimafreundlich investiert werden. Zur Identifizierung wird vornehmlich auf die Carbon-Leakage-Sektorenliste des EU-Emissionshandels zurückgegriffen; auf Antrag können weitere Sektoren aufgenommen werden. Innerhalb des Sektors müssen die Unternehmen dann zusätzlich die Überschreitung einer Mindestemissionsintensitätsschwelle nachweisen. So weit die Planung des federführenden BMU.

Der neue Entwurf

In der Abstimmung der Bundesministerien hat sich gegenüber dem ursprünglichen Entwurf nun einiges verschoben: So hätten betroffene Unternehmen nach der ursprünglichen Planung ab Inkrafttreten der BECV eine Berechnung auf Basis des Brennstoffverbrauchs und der Bruttowertschöpfung anstellen müssen, um das Überschreiten einer Mindestschwelle an Emissionsintensität nachzuweisen. Ein Vorgehen, das nach Ansicht der Wirtschaftsverbände gerade die KMU über Gebühr belastet hätte.

Der neue Verordnungsentwurf setzt die Nachweispflicht bis 2023 aus. Bis dahin reicht bereits die Zugehörigkeit zu einem der Sektoren aus, um Zahlungen entsprechend dem festgesetzten Kompensationsgrad zu erhalten. Außerdem fallen auch Unternehmen, die post 2022 keinen Nachweis erbringen können, „weich“ auf den Mindestkompensationsgrad von 60 Prozent zurück. In vergleichbarer Art und Weise wurden auch die Investitionsvorgaben in klimafreundliche Projekte gesenkt. Erst ab 2025 müssen 80 Prozent der erhaltenen Gelder für diese verwendet werden; für 2023 und 2024 gilt eine 50-Prozent-Schwelle, zuvor keine. Außerdem wurde die Höhe des Selbstbehaltes, also eine Mindestmenge von Emissionen pro Jahr, von 250 t CO2 auf 150 t gesenkt. An den Anforderungen, dass zusätzlich eine Zertifizierung mittels EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) oder vergleichbaren Managementsystemen erfolgen muss, wurde hingegen nichts geändert. Immerhin wurde aber die auf den Gesamtenergieverbrauch fossiler Brennstoffe des Unternehmens bezogene Schwelle, bis zu der ein nicht zertifiziertes Energiemanagementsystem oder die Mitgliedschaft in einem bei der Initiative Energieeffizienz- und Klimaschutznetzwerke angemeldeten Netzwerk ausreicht, von 5 auf 10 GWh angehoben.

Die Planungsunsicherheit bleibt

Ist das Nest nun gemacht und das Ei des Kolumbus gelegt? Wohl eher nicht. Zum einen muss der Bundestag nach § 11 Abs. 3 S. 3 BEHG zustimmen, zum anderen muss die Europäische Kommission die Beihilfen genehmigen. Und auch die Verbände üben weiter Kritik: Bemängelt werden vor allem die Kompensationsgrade, die – auch wenn sie gegenüber dem Vorentwurf für viele Branchen noch einmal um immerhin (aber auch nur) 5 Prozentpunkte angehoben wurden – mit für viele Branchen nach wie vor nur 65 Prozent immer noch hinter dem europäischen Vorbild zurückbleiben. Die zusätzliche Kompensationsschwelle, die eine Mindestemissionsintensität des beantragenden Unternehmens voraussetzt, soll wie im EU-Emissionshandel abgeschafft werden und somit alleine die Zugehörigkeit zum Sektor entscheidend für die einheitliche Kompensation sein. Sonst würden vornehmlich KMU zusätzlich belastet, die bereits erhebliche Anstrengungen unternommen haben, um die Energieeffizienz zu steigern. Im Gegenzug stößt die im finalen Entwurf ebenfalls fehlende Anrechnung der EEG-Zuschüsse auf Ablehnung bei Umweltverbänden. Insgesamt sei es zielführender, Unternehmen dabei zu unterstützen, spezifische Finanzierungslücken zu überbrücken, statt die Ausnahmeregelungen des BEHG noch weiter auszudehnen.

Wie es weitergeht und welche Änderungen im Entwurf noch notwendig werden, ist nach wie vor schwer abzusehen. Für die wohl 1.500 betroffenen Unternehmen macht das eine effektive Planung der Kosten für 2021 weiterhin unmöglich und bedeutet fortwährende Unsicherheit.

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

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