BGH-Urteil zum Netzverknüpfungspunkt: Wo muss die EEG-Anlage angeschlossen werden?

(c) BBH
(c) BBH

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2009) verpflichtet Netzbetreiber, Anlagen zur Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien an ihr Netz anzuschließen (§ 5 EEG 2009). Zu diesem so genannten Netzverknüpfungspunkt ist im Detail noch allerhand streitig. Nun hat am 10.10.2012 der Bundesgerichtshof (BGH) dazu ein mit Spannung erwartetes Urteil gefällt (Az. VIII ZR 362/11). Darin werden zwei wesentliche Streitfragen höchstrichterlich geklärt. Die eine betrifft den so genannten Variantenvergleich, die andere das Wahlrecht des Anlagenbetreibers.

Variantenvergleich

§ 5 Abs. 1 Satz 1 EEG 2009 verpflichtet nur dann dazu, den in kürzester Entfernung zum Standort der Anlage gelegenen Netzverknüpfungspunkt bereit zu stellen, „wenn nicht ein anderes Netz einen technisch und wirtschaftlich günstigeren Verknüpfungspunkt aufweist“. Danach ist ein Variantenvergleich vorzunehmen und die Netzintegrationslösung zu ermitteln, die insgesamt betrachtet volkswirtschaftlich am wenigsten kostet.

Liegt ein günstigerer Verknüpfungspunkt in einem anderen Netz, ist dieser unzweifelhaft heranzuziehen. Heiß diskutiert wurde allerdings die Frage, wie zu verfahren ist, wenn ein günstigerer Verknüpfungspunkt nicht in einem anderen, sondern im selben Netz liegt. Denn in der Vorschrift wird explizit nur auf ein „anderes Netz“ Bezug genommen. Diese Formulierung hat erhebliche Unsicherheiten und Auseinandersetzungen zwischen Netzbetreibern und Anlagenbetreibern ausgelöst.

Nach Ansicht des BGH liegt hier ein „offensichtliches gesetzgeberisches Versehen“ vor: Schon im EEG 2004 sei nicht zwischen Verknüpfungspunkten desselben oder anderer Netze unterschieden worden. Davon habe der Gesetzgeber mit dem EEG 2009 nicht abweichen wollen – zumal eine solche Differenzierung auch dem Zweck, den volkswirtschaftlich insgesamt günstigsten Verknüpfungspunkt zu ermitteln, zuwiderliefe.

Der BGH begründet seine Entscheidung zudem mit dem Argument der Gleichbehandlung: Nach dem EEG hat der Anlagenbetreiber die Netzanschlusskosten zu tragen, der Netzbetreiber die Netzausbaukosten. Ohne eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung auch im selben Netz würden diejenigen Anlagenbetreiber privilegiert, bei denen der Anschluss an dem nächstgelegenen Netz gesamtwirtschaftlich teurer wäre als der Anschluss an einem anderen Verknüpfungspunkt im selben Netz. Denn diese Anlagenbetreiber müssten letztlich – auch bei einer Zuweisung an den gesamtwirtschaftlich günstigsten Netzverknüpfungspunkt durch den Netzbetreiber nach § 5 Abs. 3 EEG 2009 – nur die Kosten tragen, die dem Anschluss an dem nächstgelegenen Netz entsprechen. Dagegen müssten Anlagenbetreiber, bei denen der gesamtwirtschaftlich günstigste Punkt in einem anderen Netz liegt, die – höheren – Anschlusskosten an diesen weiter entfernten Punkt tragen.

Wahlrecht des Anlagenbetreibers

Für Verwirrung sorgte außerdem bislang, dass § 5 Abs. 2 EEG 2009 dem Anlagenbetreiber ermöglicht, einen anderen Verknüpfungspunkt zu wählen. Bisher war unklar, wie sich dies zu dem gesetzlichen Verknüpfungspunkt aus Absatz 1 des § 5 EEG 2009 verhält und insbesondere, wann ein Netzbetreiber die Wahl eines – für den Netzbetreiber sowie insgesamt – teureren Verknüpfungspunktes durch einen Anlagenbetreiber ablehnen kann.

Der BGH hat nun zum einen entschieden, dass der Anlagenbetreiber grundsätzlich auch den nächstgelegenen Punkt als Verknüpfungspunkt wählen kann (wenn dieser nicht ohnehin der günstigste Verknüpfungspunkt ist). Zudem sei die Wahl durch einen Anlagenbetreiber schon dann rechtsmissbräuchlich und damit für den Netzbetreiber nicht verbindlich, wenn dem Netzbetreiber dadurch Kosten entstehen, die mehr als nur unerheblich über den Kosten liegen, die der Netzbetreiber in der günstigsten Variante tragen müsste.

Die vom BGH angeführten Argumente überzeugen. Für das Ergebnis sprechen nicht nur Gesetzeswortlaut, der gegenüber dem EEG 2004 unverändert geblieben ist, und die Gesetzesbegründung, wonach der Verknüpfungspunkt wie nach dem alten Recht zu bestimmen ist. Vor allem ist nur so ein vernünftiger Ausgleich möglich zwischen der Notwendigkeit, EEG-Anlagen an geeigneten Orten zu betreiben, und dem volkswirtschaftlichen Aufwand, der durch den Ausbau der Netze zur Aufnahme des Stroms aus den Anlagen entsteht.

Da mit Novelle des EEG 2009 in den hier relevanten Vorschriften keine Änderungen vorgenommen wurden, können die Erwägungen des BGH auch auf das EEG 2012 übertragen werden. Dies ist angesichts der Bedeutung dieser Fragestellungen für die Praxis sehr zu begrüßen.

Ansprechpartner: Dr. Martin Altrock/Jens Vollprecht

Share
Weiterlesen

18 April

Missbrauchsverfahren nach den Energiepreisbremsengesetzen: Bundeskartellamt nimmt Energieversorger unter die Lupe

Die Energiepreisbremsengesetze sollten Letztverbraucher für das Jahr 2023 von den gestiegenen Strom-, Gas- und Wärmekosten entlasten. Um zu verhindern, dass Versorger aus der Krise auf Kosten des Staates Kapital schlagen, wurden in den dazu erlassenen Preisbremsengesetzen besondere Missbrauchsverbote implementiert, über...

15 April

Masterplan Geothermie für NRW: Startschuss für Förderprogramm zur Risikoabsicherung hydrothermaler Geothermie

Am 8.4.2024 hat das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie NRW den Masterplan Geothermie für NRW veröffentlicht. Als erste Maßnahme ging zeitgleich ein Förderinstrument zur Absicherung des Fündigkeitsrisiko als zentrales Hemmnis für Vorhaben mitteltiefer und tiefer geothermischer Systeme an...