Emissionshandel im Luftverkehr – Das Boarding beginnt

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Die Integration des internationalen Luftverkehrs in den Europäischen Emissionshandel (EU-ETS) bewegt sich langsam in Richtung Startbahn. Im Jahr 2021 soll die Pilotphase des Offsetting-Systems CORSIA starten (wir berichteten), das heißt für das Berichtsjahr 2021 besteht erstmals eine CORSIA-Kompensationsverpflichtung. CORSIA steht allerdings jetzt schon aus mehreren Gründen in der Kritik. Ob es tatsächlich dazu beitragen kann, Treibhausgasemissionen im Luftverkehr zu senken wird sich erst zeigen müssen.

Wir erinnern uns: 2012 hatte die Europäische Union den Luftverkehr in den EU-ETS einbezogen und 2013 für Flüge von und nach Orten außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ausgesetzt (wir berichteten). Dies galt zunächst bis zum 31.12.2016. Danach erarbeitete die Europäische Kommission einen Vorschlag für die Anpassung des Anwendungsbereichs der Emissionshandelsrichtlinie (RL 2003/87/EG) (wir berichteten). Im Jahr 2017 hat der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments über diesen Vorschlag abgestimmt und der Verlängerung der Ausnahme für Flüge von oder nach Orten außerhalb des EWR bis zum 31.12.2020 zugestimmt.

Das richtige Mittel zum Zweck?

CORSIA ist das Akronym für das System des Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation, welches von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (International Civil Aviation Organization – ICAO) entwickelt wurde. Die ICAO ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen (UN) mit Hauptsitz in Montreal in Kanada.

Bei CORSIA handelt es sich um ein Offsetting-System, welches die direkten CO2-Emissionen durch Einsparungen an anderer Stelle kompensiert. Unabhängige Institutionen überprüfen und zertifizieren die hierfür geförderten Klimaschutzprojekte. Um auch dem Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit und der Entwicklungszusammenarbeit Rechnung zu tragen, sollen vor allem Vorhaben in Schwellen- und Entwicklungsländern finanziert werden. Die Fluggesellschaften, die ihre Ziele zur Emissionsstabilisierung nicht einhalten können, erwerben dann entweder direkt oder indirekt über eine öffentliche Plattform Offsetting-Zertifikate zu den zertifizierten Projekten. Damit erhalten die Klimaschutzprojekte eine Finanzierungsquelle und die Fluggesellschaften kompensieren ihre CO2-Emissionen.

Dennoch sieht sich das Projekt nicht unerheblicher Kritik ausgesetzt: Anders als das EU-ETS enthält das Offsetting-System beispielsweise keine Kappungsgrenze. Das führt dazu, dass die Emissionen weiter steigen können, solange entsprechende Ausgleichsmaßnahmen getroffen werden. Der treibende Mechanismus des EU-ETS zur Modernisierung veralteter Technik, der im letzten Jahr gerade in Deutschland eine erhebliche Emissionseinsparung verursachte, fehlt also. Zudem ist zu erwarten, dass Airlines vermehrt zu Biofuels greifen werden, um den Offset-Faktor zu senken. Biofuels wiederum stehen in der Kritik, weil nicht gewährleistet sei, dass die Produktionsbedingungen des Primärrohstoffes den hohen Anforderungen an die Nachhaltigkeit und den Schutz der Biodiversität genügen.

EU-ETS oder CORSIA oder beides?

CORSIA und der EU-ETS werden sich teilweise in ihren Anwendungsbereichen überschneiden. Abhängig vom Start- und Zielflughafen kann ein Flug unter den EU-ETS, unter CORSIA, oder unter beide Systeme fallen. Nationale Flüge im EWR unterfallen (nur) dem EU-ETS. Internationale Flüge zwischen Flughäfen im Nicht-EWR oder von einem Flughafen im EWR zum Nicht-EWR unterfallen CORSIA. Internationale Flüge im EWR schließlich unterfallen dem EU-ETS und CORSIA. Aufgrund der teilweisen Überschneidung sollen die Monitoring-Methoden des EU-ETS und von CORSIA angepasst werden, um einen Mehraufwand für die Luftfahrzeugbetreiber zu vermeiden.

Mit der Emissionsberichterstattung für das Jahr 2019 (Details auf den Seiten der DEHSt) erfolgt nun erstmals auch eine Berichterstattung für CORSIA, d.h. diese tritt neben den Emissionsbericht für das Jahr 2019 im EU-ETS. Luftfahrzeugbetreiber, die ihren Sitz außerhalb des EWR haben, übermitteln allerdings ihren CORSIA-Bericht an die jeweils zuständige nationale Behörde. Die DEHSt erhält dann nur den Emissionsbericht über die EU-ETS-Emissionen.

Es wird sich nun zeigen, wann CORSIA sein Ziel erreichen wird. Eine verpflichtende Teilnahme besteht jedenfalls erst ab 2027, wobei auch hiervon die am wenigsten entwickelten Länder und Entwicklungsländer mit besonders schwierigen Verkehrsbindungen ausgenommen sind. Ob das Offsetting-System dazu beitragen kann, dass die Treibhausgasemissionen im Luftverkehr sinken, ist für viele frei nach den Funkregeln der ICAO ein „line up and wait“.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

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