Energie- und Stromsteuer zwischen Bürokratie und Klimaschutz

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In der Regel haben sich die Wirtschaftsbeteiligten eigenständig zu informieren, wenn die für sie relevanten Steuergesetze ändern. Doch in diesem Fall wurden vor kurzem viele Unternehmen von ihrem Hauptzollamt schriftlich über die aktuellen Neuerungen bei den Energie- und Stromsteuern informiert. Das hebt die Relevanz der Änderungen hervor wie auch die Tatsache, dass Handlungsbedarf besteht. Denn das vierte Quartal 2019 hat begonnen, und bis zum Jahresende ist bei manchem noch einiges zu tun.

Anlagenbetreiber und Steuerbefreiungen nach § 9 StromStG

Nicht mehr ganz neu ist, dass aufgrund der Neuregelungen im StromStG zum 1.7.2019 Anlagenbetreiber in der Regel eine sog. förmliche Einzelerlaubnis beantragen müssen. Dies galt in der Vergangenheit bereits für die Befreiung von Strom zur Stromerzeugung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG) und gilt nunmehr auch für den befreiten Vor-Ort-Selbstverbrauch von grünem Strom (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG), wie auch für die steuerfreie Entnahme von Strom aus kleinen Anlagen (bis 2 MW) im räumlichen Zusammenhang (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG). Ausnahmen gelten grundsätzlich für KWK-Anlagen bis 50 kW und Erneuerbare-Energien-Anlagen bis 1 MW.

Die Erlaubnisanträge sind – auch für alle „Bestandsanlagen“ – bis zum Jahresende zu stellen, damit die jeweilige Erlaubnis (rückwirkend) zum 1.7.2019 erteilt werden kann. Die amtlichen Vordrucke hierfür sind allerdings umfassend und nicht in jedem Punkt eindeutig. Im Formular 1421 bzw. 1422 sind grundlegende Angaben (zum Unternehmen, zur beantragten Befreiung etc.) zu machen, und für jede Anlage ist dann jeweils noch eine Betriebserklärung (1421a/1422a) mit vielen Details abzugeben (u.a. kleinteilige Abfrage der verschiedenen Varianten zur Stromleistung/Selbstverbrauch, in der Kundenlage/im öffentlichen Netz, zum Nachweis der Zeitgleichheit etc.). Es empfiehlt sich, frühzeitig mit der Bearbeitung zu beginnen.

Zu beachten ist auch, dass das richtige Unternehmen den Antrag stellt. Denn mit der GZD-Info vom 17.7.2019 wurde vorgegeben, dass der Betreiber der Anlage nach denselben Kriterien wie der Verwender des Energieerzeugnisses (hierzu die GZD-Info vom 29.3.2019) zu bestimmen ist. Grundsätzlich unbeachtlich sind dabei wirtschaftliche Aspekte (z.B. Betreiberrisiko). Stattdessen soll nur auf das tatsächliche Handeln (Realakt) abgestellt werden. Die Frage, welche Person an einer Erzeugungsanlage tätig ist, ist vielfach nicht einfach zu beantworten. So kann dies bei Pacht- und Betriebsführungsmodellen, aber auch bei bestimmten Contracting-Konstellationen abhängig von den vertraglichen Aufgaben der Betriebsführer bzw. Dienstleister sein. Gleichzeitig läuft zumeist der Betrieb eines BHKW oder einer PV-Anlage weitgehend automatisiert ab. Die GZD-Vorgaben für „vollautomatisierte Anlagen“ schaffen kaum Rechtssicherheit. Neben der sorgfältigen Prüfung des jeweiligen Sachverhalts sollte in der Regel auch eine verbindliche Abstimmung mit dem Hauptzollamt herbeigeführt werden.

Sollte der Betriebsführer/Dienstleister in die Betreiberrolle rutschen, muss er die steuerlichen Vorgaben erfüllen (Steuerbefreiung, „kleiner“ Versorger etc.). Je nach Konstellation (bspw. Eigenversorgung, Drittbelieferung) kann dies die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung gefährden (ggf. danach kein Selbstverbrauch oder keine Beziehung zum Letztverbraucher mehr).

Anlagenbetreiber und Entlastungen nach §§ 53 / 53a EnergieStG

Auch bei der Frage, wer den Entlastungsantrag zu stellen hat, sind die Kriterien zum Verwenderbegriff zu beachten. Wenn künftig der Betriebsführer/Dienstleister den Entlastungsantrag zu stellen hat, sollten flankierend vertragliche Vereinbarungen (z.B. zu Pflichten, Haftung etc.) geregelt werden.

Für viele Entlastungsberechtigte stellt sich zudem erstmals die Frage, wie mit Investitionsbeihilfen beim Antrag nach § 53a Abs. 6 EnergieStG umzugehen ist. Die Neuregelung, wonach derartige Beihilfen bei der vollständigen Entlastung zu verrechnen sind, ist zwar bereits zum 1.1.2018 in Kraft getreten, erlangt aber nun für den Jahresantrag 2018 (der noch bis zum 31.12.2019 gestellt werden kann) erstmals Bedeutung. Zu prüfen ist, ob Investitionsbeihilfen erhalten wurden und, wenn ja, ob ein alternatives Handeln günstiger ist.

Schnittstellen

Auch der § 10a StromStG scheint sich bereits auszuwirken: Nach dieser Neuregelung dürfen Hauptzollämter (HZA) nunmehr Steuerinformationen z.B. aus einer Außenprüfung an BAFA, BNetzA oder die Übertragungsnetzbetreiber für ihre gesetzliche Aufgabenerfüllung weitergeben. Ein Themenfeld für diesen Informationsfluss liegt bereits auf der Hand: die Drittmengenabgrenzung. Sie spielt spätestens seit dem Wurst- und Schinken-Urteil des BFH aus 2013 sowohl bei den Entlastungen für Unternehmen des Produzierenden Gewerbes im Strom-/Energiesteuerrecht (u.a. Spitzenausgleich) als auch – zuletzt getrieben durch die Neuregelungen des Energiesammelgesetzes (EnSaG) – im EEG bei der Eigenversorgung und Besonderen Ausgleichregelung eine maßgebliche Rolle. Der Befund seit vielen Jahren ist allerdings, dass die stromsteuerrechtlichen und die EEG-Vorgaben sich ähneln, aber keineswegs decken. Bei den Entlastungsanträgen nach §§ 9b und 10 StromStG sollte daher sichergestellt sein, dass die Mengenabgrenzung auch EEG-rechtlich Bestand hat bzw. umgekehrt dem Zoll gegenüber offengelegt wird, warum Strommengen (vorsorglich) nach den Maßstäben des EnSaG als Drittverbrauch bewertet werden.

Während beim § 10a StromStG die Informationen vom HZA kommen, hat das HZA selbst auch die Möglichkeit, sich Informationen aus anderen Quellen zu besorgen. Gerade das Marktstammdatenregister, welches auch für ein HZA zugänglich ist, ermöglicht einen „Quercheck“ des HZA zu den Angaben des Unternehmens. Unabhängig vom EEG werden die verschiedenen anlagenbezogenen Steuerbegünstigungen künftig voraussichtlich ebenfalls mit der Problematik der Mengenabgrenzung konfrontiert sein. In der GZD-Info vom 17.7.2019 wird ausgeführt, dass eine Abgrenzung zu anderen Steuerbegünstigungen oder zu Versteuerungen in der Regel mittels der zu führenden Aufzeichnungen zu erfolgen hat oder bei Steuerentlastungen ohne Aufzeichnungspflichten als buchmäßiger Nachweis zu führen ist.

Wie wirkt sich der Beschluss des Klimaschutzkabinetts auf die Energie-/Stromsteuer aus?

Bekanntlich hat die Bundesregierung am 9.10.2019 ihr Klimaschutzprogramm 2030 beschlossen. Trotz verschiedener Diskussionen und Vorschläge im Vorfeld auch zur Anpassung des Energie- und Stromsteuerrechts finden sich keine konkreten Aussagen hierzu in der Beschlussfassung. Allenfalls bei übergreifenden Themen wie der sog. Sektorkoppelung, bei Mieterstrom, Energiespeichern oder Elektromobilität könnten sich zukünftig noch stromsteuerrechtliche Aspekte ergeben.

Auch die Fortgeltung des sog. Spitzenausgleichs ab dem 1.1.2023 wurde in diesem Kontext diskutiert. Derzeit deutet sich an, dass die bestehenden Regelungen in § 10 StromStG und § 55 EnergieStG im Grundsatz fortgeführt werden sollen. Allerdings werden zukünftig voraussichtlich verstärkt Nachweise gefordert, dass die gewährten Steuerentlastungen zumindest teilweise in konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz investiert wurden.

Ansprechpartner: Daniel Schiebold/Niko Liebheit

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