Energiekartellbehörde Baden-Württemberg veröffentlicht Musterkriterienkatalog zur Konzessionsvergabe

(c) BBH
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Die Energiekartellbehörde Baden-Württemberg (EKartB) hat im Juni 2012 den Entwurf eines Musterkriterienkatalogs vorgestellt, der bei der Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen eine (unverbindliche!) Orientierungshilfe geben soll. Dieser Entwurf ist auf heftige Kritik gestoßen – aber die Behörde hat nunmehr am 9.7.2013 die finale Fassung veröffentlicht. Kommunen und Verbände kritisieren an dem Vorstoß insbesondere, dass die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage fehlt, einen solchen Katalog überhaupt aufzustellen, und dass die Interessen der Kommunen nicht ausreichend berücksichtigt wurden.

Die finale Fassung des Musterkriterienkatalogs entspricht inhaltlich weitgehend dem Konsultationsentwurf vom Juli 2012. Damit blieben die im Rahmen des Konsultationsverfahrens, insbesondere von Seiten der Kommunen, dem Städtetag und dem Gemeindetag Baden-Württemberg sowie der GEODE und des VKU geäußerten Bedenken gegen den Kriterienkatalog leider größtenteils unberücksichtigt (wir berichteten).

Nach dem Musterkriterienkatalog der EKartB sollen sowohl die Belange der vergebenden Kommune als auch der von den Bewerbern angebotene Konzessionsvertrag mit jeweils lediglich maximal 15 Prozent in die Entscheidung der Kommune über den künftigen Konzessionsvertragspartner eingehen können. Die Kommunen sehen hierin insbesondere einen Eingriff in die ihnen nach Art. 28 Abs. 2 GG garantierte kommunale Selbstverwaltung, das ihnen das Recht gibt, die örtliche Energieversorgung in ihrem Sinne zu gestalten. Im Übrigen verwundert, dass der Inhalt des Konzessionsvertrages – dessen Neuabschluss immerhin der wesentliche Inhalt eines Strom- bzw. Gaskonzessionsverfahrens ist – nur so gering ins Gewicht fallen soll bei der Vergabeentscheidung.

Nach einem Beschluss des VG Oldenburg vom 17.7.2012 (Az. 1 B 3594/12) ist es Ausdruck der kommunalen Selbstverwaltung, dass die Kommune bei der Auswahlentscheidung über ihren künftigen Konzessionsvertragspartner den kommunalen Einfluss auf den Netzbetrieb stark gewichten darf. Die Gemeindeordnung in Baden-Württemberg (GemO) regelt in § 107 GemO sogar ausdrücklich, dass Kommunen bei der Konzessionsvergabe verpflichtet sind, ihre berechtigten wirtschaftlichen Interessen und die ihrer Einwohner zu wahren.

Nach Ansicht der EKartB soll die Auswahlentscheidung der Kommunen hingegen ganz wesentlich – nämlich zu mindestens 70 Prozent – auf Grundlage der Ziele des § 1 EnWG erfolgen (Gewährleistung eines sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen Netzbetriebs).

Es stimmt zwar, dass der Gesetzgeber in § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG mittlerweile ausdrücklich geregelt hat, dass Kommunen diesen Zielen des EnWG bei der Konzessionsvergabe verpflichtet sind. Durch die vorgeschlagene Gewichtung können die Kommunen jedoch ihre individuelle Ausgangssituation und berechtigten Interessen bei der Konzessionsvergabe kaum noch hinreichend würdigen. Darüber hinaus führt die überproportionale Berücksichtigung der Zielvorgaben des § 1 EnWG dazu, dass die Kommunen ihre Entscheidung ganz maßgeblich anhand von Kriterien zu treffen haben, die teilweise nur schwer greifbar sind, deren abschließende Beurteilung die Kommunen oft überfordert und gegen die letztlich auch verfassungsrechtliche Bedenken bestehen (vgl. hierzu auch das Rechtsgutachten von Prof. Dr. Hellermann vom Januar 2013 im Auftrag des VKU).

Allerdings muss man hervorheben, dass die EKartB den Kriterienkatalog lediglich als „Beispiel“ für eine Wertungsmatrix verstanden wissen will, der damit also „weder zwingend noch abschließend“ sein soll. Es sollte Kommunen daher weiterhin frei stehen, ihre berechtigten Interessen im Rahmen des rechtlich Zulässigen angemessen zu berücksichtigen und andere Kriterien anzuwenden. Insoweit bleibt abzuwarten, ob die EKartB den Musterkriterienkatalog im Rahmen der ihr obliegenden Missbrauchsaufsicht tatsächlich als unverbindliches Beispiel ansehen wird oder sie abweichende Kriterienkataloge beanstandet und so faktisch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie weiter einschränkt.

Zumindest in zwei wichtigen Punkten, ist die EKartB jedoch offenbar von ihrer bisherigen Auffassung abgewichen: Gründet eine Kommune mit einem Bewerber ein Gemeinschaftsunternehmen, das sich anschließend um die Konzession bewirbt, soll hierin nicht bereits per se eine unzulässige Vorfestlegung liegen. In diesem Fall seien jedoch erhöhte Anforderungen an eine transparente und diskriminierungsfreie Konzessionsvergabe zu stellen. Dies entspricht der Auffassung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 9.1.2013, Az. VII-Verg 26/12 und Beschluss vom 4.2.2013 Az. VII-Verg 31/12).

Des Weiteren hat die EKartB ihre Darstellung korrigiert, wonach Zivilgerichte bei formalen Fehlern im Konzessionierungsverfahrens „regelmäßig“ die Nichtigkeit des daraufhin geschlossenen Konzessionsvertrages annehmen würden. Eine solche vermeintlich gefestigte Rechtsprechung gibt es nicht, wie jüngst auch wieder das Urteil des LG Mannheim (Urteil vom 3.5.2013, Az. 22 O 33/12 Kart.) bewiesen hat. In der finalen Fassung verweist die EKartB nunmehr darauf, dass ein formaler Mangel „mögliche zivilrechtliche Rechtsfolgen“ nach sich ziehen könnte.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Christian Theobald/Matthias Albrecht/Axel Kafka/Dr. Christian Dessau

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