Energiewende und Versorgungssicherheit: Im Gespräch mit RWE-Chef Dr. Rolf Martin Schmitz

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(c) RWE

Die Energiewirtschaft befindet sich in stetem Wandel. Für diese Erkenntnis muss man nicht unbedingt lange Jahre mit der Branche verbunden sein. Auch als Greenhorn merkt man schnell das pulsierende Element der Energiewirtschaft. Gleichzeitig passieren diese Veränderungen aber in der Regel nicht über Nacht. Neue Gesetze oder Novellierungen bestehender Normen sind das Ergebnis eines Gesetzgebungsverfahrens, dessen Prozess sich im Detail nachverfolgen lässt. Auch die Digitalisierung kam – auch wenn es für manche so scheinen mag – nicht von heute auf morgen. Aber manchmal, da passiert eben doch etwas völlig Unerwartetes. So wie im März dieses Jahres, als RWE und E.ON bekannt gaben, sich in Zukunft auf unterschiedliche Geschäftsfelder konzentrieren zu wollen. Einer der beiden Strategen für die von der Presse als „Energiekonzernwende“ bezeichnete Transaktion ist RWE-Chef Dr. Rolf Martin Schmitz, den wir für ein Interview im BBH-Blog gewinnen konnten.

 

BBH-Blog: Sehr geehrter Herr Dr. Schmitz, mit dem Fokus auf Stromerzeugung konzentriert sich RWE auf ein Geschäft, das weniger kalkulierbar ist als der Betrieb von Infrastrukturen. Unter anderem das Sinken der Großhandelspreise an der Börse macht das Geschäft zunehmend schwierig. War die Aufspaltung von innogy und die „Energiekonzernwende“ für RWE denn ein guter Deal?

Dr. Rolf Martin Schmitz: RWE erzeugt seit 120 Jahren erfolgreich Strom. Das ist unser Kerngeschäft. Die Transaktion mit E.ON fügt sich also nahtlos in unsere Strategie ein. „Zukunft. Sicher. Machen.“ heißt unser Leitspruch. Die Transaktion macht für alle Beteiligten Sinn. Deutschland wird künftig mit RWE und E.ON über zwei starke Player verfügen, die den internationalen Wettbewerb im Energiemarkt nicht zu fürchten brauchen. RWE entwickelt sich auf einen Schlag in Europa zum zweitgrößten Offshore-Wind-Betreiber und zur Nummer 3 bei den erneuerbaren Energien insgesamt. Außerdem haben wir die finanzielle Stärke, weiter in den Ausbau der Erneuerbaren zu investieren. Das wollen wir tun und so zum Erfolg der Energiewende beitragen. Deshalb verwundert es nicht, dass die externen Reaktionen auf unsere Transaktion fast durchweg positiv ausgefallen sind.

BBH-Blog: RWE möchte in Zukunft die Produktion von Strom sowohl aus Erneuerbaren Energien als auch aus konventionellen Kraftwerken untern seinem Dach vereinen. Stehen dahinter nicht zwei gegensätzliche Motivationen: Die Erneuerbaren Energien voranbringen und gleichzeitig die konventionelle Erzeugung möglichst lange halten?

Dr. Rolf Martin Schmitz: Wir sollten uns von alten Denkmuster verabschieden: Erneuerbare und konventionelle Energien sind längst keine Gegensätze mehr. Sie sind vielmehr zwei Seiten derselben Medaille: Möglichst viele Kilowattstunden CO2-frei oder CO2-arm erzeugen – besichert durch konventionelle Kraftwerke und Speicher. Mit der zunehmenden Produktion Erneuerbarer Energien verändern die konventionellen Kraftwerke ihre Rolle. Sie springen ein, wenn Wind und Sonne nicht produzieren. Sie sind das Sicherheitsnetz für die Energiewende in Deutschland. Und eben nicht mehr der Lieferant möglichst vieler CO2-behafteter Kilowattstunden. Das ist gut und hilft dem Klima.

BBH-Blog: Die Energiewende ist ein Prozess, den wir in Deutschland schon viele Jahre begleiten. Und doch scheinen in der neuen Legislaturperiode noch einmal ganz grundlegende Fragestellungen aufzutauchen, wie der Energiemarkt ausgestaltet sein soll, unter welchen Kriterien die Erneuerbaren Energien weiter ausgebaut werden sollen und welche Rolle die fossile Erzeugung spielen darf. Wie nehmen Sie das wahr?

Dr. Rolf Martin Schmitz: In den meisten Gesprächsrunden wird inzwischen sachlich und sehr konstruktiv diskutiert. Das ist eine gute Entwicklung. Am Ende muss die Energiewende ja gelingen. Und das ist alles andere als trivial. Die Energiewende verändert nicht nur Deutschlands Stromerzeugung und Stromversorgung grundlegend. Sie hat auch erheblichen Einfluss auf die gesamte gesellschaftliche Entwicklung. Ich begrüße daher, dass die Bundesregierung die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ ins Leben gerufen hat. Dort geht es nicht nur um Klimaschutz, sondern vor allem auch um die entscheidenden Weichenstellungen für die wirtschaftliche Struktur in Deutschland. Es geht um Planungssicherheit für die Energiewirtschaft, um Strukturwandel, um Versorgungssicherheit und bezahlbaren Strom für die deutsche Industrie im Kontext mit dem Klimaschutz.

BBH-Blog: Wie die Versorgungssicherheit sichergestellt werden kann und gleichzeitig ein hohes Maß an Klimaschutz erreicht wird, das ist ja eine der zentralen Fragen im Rahmen der Energiewende. Zumindest bei der Umsetzung der Klimaschutzziele hapert es momentan gewaltig. Wie kann beides in Zukunft gelingen?

Dr. Rolf Martin Schmitz: Moment, da gilt es jetzt zunächst mal zu differenzieren. Die Energiewirtschaft wird bis 2020 bei der Erreichung der Klimaziele eine Punktlandung hinlegen: 40 Prozent weniger CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990, vielleicht sogar noch mehr. Da hapert es also nicht. Andere Sektoren hinken deutlich hinterher. Die Landwirtschaft schafft eine Reduktion von 23, der Verkehrssektor sogar nur 4 Prozent.

Im Energiebereich werden wir auch die Klimaschutzziele für 2030 erreichen können, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. Versorgungssicherheit ist eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Energiewende. Ohne ein Sicherheitsnetz aus konventioneller Leistung kann sie nicht gelingen. Gleichzeitig aus Kernenergie und Kohlestrom aussteigen, das ist für unseren Industriestandort zu viel. Den Kohleanteil aber mit Augenmaß und auf der richtigen Zeitachse zu reduzieren – das geht. RWE hat dazu einen klaren Fahrplan für die Braunkohle im rheinischen Revier vorgelegt: Im Vergleich zu 2015 sinkt der CO2-Ausstoß bis Anfang der 2030er Jahre um bis zu 50 Prozent und nach 2030 weiter bis zum Auslaufen der Tagebaue Hambach und Garzweiler etwa Mitte des Jahrhunderts. So lässt sich die Kohleverstromung deutlich verringern, ohne dass die Versorgungssicherheit oder die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands auf der Strecke bleiben.

BBH-Blog: Im Rahmen unserer Energiekonferenz sagten Sie, es mache wenig Sinn ein paralleles Gas-Erzeugungssystem zu installieren. Nun steuern wir ja auf einen Kohleausstieg hin. Welche Erzeugungslandschaft sehen Sie in 10 oder 20 Jahren? Werden wir denn Kapazitäten vorhalten müssen, um die EE-Erzeugung zu kompensieren?

Dr. Rolf Martin Schmitz: Die Bundesregierung hat für 2030 das ehrgeizige Ziel definiert, dass die Erneuerbaren 65 Prozent an der Stromproduktion beitragen sollen. Das ist angesichts des schleppenden Netzausbaus sehr ambitioniert. Da das Wetter auch künftig nicht steuerbar sein und es so schnell keine Speicher in großem Stil geben wird, brauchen wir Kraftwerke, die zum Einen die restlichen 35 Prozent beisteuern und zum Anderen, die schwankende Einspeisung von Wind und Sonne ausgleichen. Hierbei handelt es sich um eine Zwischenzeit, die es zu überbrücken gilt. Für diese begrenzte Zeit mit viel Geld eine neue Infrastruktur für Gas aufzubauen, die hinterher nicht mehr gebraucht wird, wäre Unsinn.

Daher bleibe ich bei dem, was ich auf der Energiekonferenz gesagt habe: Bevor wir hektisch neue, teure Gaskraftwerke bauen, sollten wir den Ausbau der Erneuerbaren konsequent vorantreiben und vorhandene Kohlekraftwerke als Brückentechnologie nutzen.

BBH-Blog: Wenn Sie einen Wunsch an die Politik frei hätten, welcher wäre das?

Dr. Rolf Martin Schmitz: Wünsche an die Politik, das überlasse ich anderen. Ich orientiere mich lieber am Machbaren.

BBH-Blog: Sehr geehrter Herr Schmitz, herzlichen Dank für das Gespräch.

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