Gesetze für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze: Was kommt auf Versorgungsunternehmen zu?

Am 16.8.2023 hat das Bundeskabinett dem Referentenentwurf des BMWK und des BMWSB zum Wärmeplanungsgesetz (WPG-E) zugestimmt. Um die Dekarbonisierung des Wärmesektors bis 2045 zu erreichen, stellt das Gesetz ordnungsrechtliche Anforderungen an die Wärmenetzbetreiber – es weist ihnen jedoch auch eine gestaltende Rolle in der Wärmeplanung zu.

Versorger als aktive Beteiligte in der Wärmeplanung

Die Kommune ist verpflichtet, (zukünftige) Betreiber von Energieversorgungs- sowie Wärmenetzen, die sich innerhalb des beplanten Gebietes befinden, an der Wärmeplanung zu beteiligen. Auch Betreiber angrenzender Wärmenetze sind zu beteiligen. Für angrenzende Energieversorgungsnetzbetreiber besteht wiederum eine Kann-Beteiligung. Insgesamt sind die Versorger angehalten, die Einbindung auch aktiv wahrzunehmen: Über die Möglichkeit zur Stellungnahme sowie konkrete Mitwirkungshandlungen wie das gemeinsame Ausarbeiten einer Umsetzungsstrategie können sie die Wärmeplanung aktiv mitgestalten.

Im Rahmen dieser Mitwirkung teilen die Versorger der planungsverantwortlichen Stelle nach Aufforderung etwaig bestehende Planungen über Infrastrukturvorhaben mit. Bei den Vorhaben sind wiederum die Darstellungen des Wärmeplans zu berücksichtigen. Ziel des WPG-E ist es, neben die bestehenden Regelungen der Richtlinie für die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) zu treten. So berücksichtigt die planungsverantwortliche Stelle im Rahmen der Wärmeplanung nach dem WPG-E vorliegende Transformationspläne oder Machbarkeitsstudien i. S. d. BEW. Spiegelbildlich dazu wird eine schon existierende Wärmeplanung auch im Transformationsplan bzw. der Machbarkeitsstudie nach der BEW berücksichtigt. Es zeigt sich: Die Bundesförderung nach der BEW und ordnungsrechtliche Vorgaben nach dem WPG-E existieren neben- und profitieren voneinander.

Darüber hinaus trifft die Versorger eine Auskunftspflicht gegenüber der planungsverantwortlichen Stelle – jedoch nur über solche Daten, die den Versorgungsunternehmen bereits bekannt sind.

Instrumente zur Dekarbonisierung des Wärmesektors

In Teil 3 des WPG-E werden die Versorger konkret in die Pflicht genommen, unter anderem mit der verpflichtenden Erstellung von Wärmenetzausbau- und -dekarbonisierungsfahrplänen bis zum 31.12.2026. Die grundsätzlich bestehende Pflicht entfällt jedoch u.a., wenn bereits ein Transformationsplan bzw. eine Machbarkeitsstudie nach der BEW vorliegt – abermals zeigen sich Synergieeffekte zwischen BEW und WPG-E.

Der Fokus liegt auf der Dekarbonisierung der Wärmenetze, sodass die Versorger zur Gewährleistung eines bestimmten Anteils an erneuerbaren Energien, unvermeidbarer Abwärme oder einer Kombination hieraus verpflichtet werden. Ab 1.1.2030 muss dieser Anteil mindestens 30 Prozent, ab 1.1.2040 mindestens 80 Prozent ausmachen. Allerdings gibt es einen Ausnahmekatalog, der im Vergleich zu den Referentenentwürfen noch einmal überarbeitet wurde:

  • Die Möglichkeit zur Beantragung einer Fristverlängerung besteht erstens, wenn die Einhaltung der Vorgaben zu einer „unbilligen Härte“ führen würde. Das Gesetz nennt hier als Beispiel die Verzögerung einer für die Dekarbonisierung erforderlichen Maßnahme, die der Netzbetreiber nicht zu vertreten hat. Erforderlich für die Fristverlängerung in diesem Falle ist u.a. das Vorliegen eines Wärmenetzausbau- und dekarbonisierungsfahrplans. Der Mindestwärmeanteil von 30 Prozent ist dann bis zum Ablauf des 31.12.2034 bzw. der Mindestwärmeanteil von 80 Prozent bis zum Ablauf des 31.12.2044 zu erreichen.
  • Zweitens verlängert sich die Frist kraft Gesetzes bei der Umsetzung einer „komplexen Maßnahme“, die für die geplante Dekarbonisierung erforderlich, deren Realisierung aufgrund von aufwendigen Planungs- und Genehmigungsverfahren bis 2030 jedoch nicht möglich ist. Die Komplexität wird beispielsweise angenommen bei Investitionen im Umfang von mindestens 150 Mio. Euro. Der Mindestwärmeanteil von 30 Prozent ist in diesem Fall bis zum Ablauf des 31.12.2034 zu erreichen.
  • Gänzlich ausgenommen vom 30-Prozent-Ziel sind Wärmenetze, die nahezu ausschließlich der Versorgung gewerblicher oder industrieller Verbraucher mit Prozesswärme dienen.
  • Zuletzt greift eine KWK-Ausnahme: Wärmenetze, die einen Anteil von mindestens 70 Prozent Nutzwärme durch den Einsatz fossiler Energieträger aus einer nach dem KWKG geförderten KWK-Anlage aufweisen, müssen ab dem 1.1.2030 lediglich die übrige Wärme aus erneuerbaren Energien und unvermeidbarer Abwärme erzeugen. Bei einem KWK-Nutzwärmeanteil von z. B. 80 Prozent betrifft dies lediglich einen Anteil von 20 Prozent.

Die Fristverlängerungsmöglichkeit für Wärmenetzbetreiber, die über einen Transformationsplan i. S. d. BEW verfügen und einen Antrag nach Modul 2 BEW bis zum 14.8.2028 genehmigt bekommen, ist in der aktuellen Fassung des WPG-E nicht mehr enthalten.

Neue Wärmenetze trifft eine 65-Prozent-Pflicht bereits ab 1.1.2024. Damit stehen die Vorgaben des WPG-E im Einklang mit dem Entwurf zum Gebäudeenergiegesetz (GEG-E). Außerdem wird für neue Wärmenetze der Biomasseanteil gedeckelt auf max. 35 Prozent (Netze mit einer Länge von 20–50 Kilometer) bzw. auf max. 25 Prozent (Netze, die länger als 50 Kilometer sind). Auch besteht ein regulatorischer Gleichlauf mit den Vorgaben aus der BEW zu Neubaunetzen.

Endmarke der Pflichtenchronologie – sowohl für Bestands- als auch Neubaunetze – ist schließlich die vollständige Klimaneutralität mit Ablauf des 31.12.2044. Ab 2045 ist dann auch für alle Wärmenetze eine Deckelung des Biomasseanteils vorgesehen: Er liegt bei maximal 25 Prozent (Netze mit einer Länge von 20–50 Kilometer) bzw. maximal 15 Prozent (Netze, die länger als 50 Kilometer sind). Dies entspricht wiederum synergetisch den Vorgaben der BEW.

Rechtsfolgen bei Verstoß gegen das ambitionierte Pflichtenprogramm

Die im 1. Referentenentwurf zum WPG (1.6.2023) vorgesehenen Bußgeldvorschriften wurden bereits im 2. Referentenentwurf (21.7.2023) gänzlich gestrichen. Stattdessen enthält der Gesetzesentwurf ein sog. Abkopplungsrecht mit potenziell tatsächlichen Auswirkungen auf das Marktgeschehen im Wärmesektor: Entspricht ein Wärmenetz nicht den Anforderungen des WPG-E, hat der Endkunde grundsätzlich das Recht, sich von dem betreffenden Wärmenetz abzukoppeln, um sich mit erneuerbaren Energien, unvermeidbarer Abwärme oder einer Kombination aus beidem zu versorgen. Dieses Recht steht dem Endkunden jedoch nicht zu, wenn die Anforderungen – beispielsweise aus tatsächlichen Gründen – nur vorübergehend unterschritten werden oder die Ziele absehbar erreicht werden. Sofern ein Abkopplungsrecht besteht, ist der betroffene Kunde in der Wirkung von allen zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen befreit. Unberührt bleibt ein etwaiger Anschluss- und Benutzungszwang, jedoch nur ein solcher zum Zwecke des Klima- und Ressourcenschutzes. Hier zeigt sich wiederum die klimapolitische Stoßrichtung des WPG-E.

Ansprechpartner*innen BBH: Ulf Jacobshagen/Dr. Markus Kachel/Dr. Heiner Faßbender

Ansprechpartner*innen BBHC: Roland Monjau/Lars Dittmar/Lina Taube

PS: Noch umfassender informieren wir Sie über die Rolle der Versorger in der Wärmeplanung in unserem Webinar „Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze – Überblick für Versorgungsunternehmen“ am 13.9.2023 und 26.9.2023 jeweils um 9 Uhr.

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