Minimierungspflicht für Stromleitungen: Ein Abstandsgebot durch die Hintertür?

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Wer Niederfrequenz- oder Gleichstromanlagen errichtet oder wesentlich ändert, muss nach § 4 Abs. 2 der 26. BImSchV die von der Anlage ausgehenden elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Felder nach dem Stand der Technik minimieren. Von dieser Pflicht sind Betreiber von u.a. Freileitungen, Erdkabel sowie Umspann- und Schaltanlagen betroffen. Dieses Minimierungsgebot will das Bundesumweltministerium (BMWi) konkretisieren. Der Bundesrat hat noch kurz vor Weihnachten dem Vorschlag des BMWi grundsätzlich zugestimmt und Änderungsvorschläge unterbreitet.

Die Verwaltungsvorschrift (BR-Drs. 547/15), mit der sich der Bundesrat befasste, soll zukünftig sicher stellen, dass die Anforderungen zur Minimierung der elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Felder bundeseinheitlich gehandhabt und geprüft werden. Ein einheitliches Umsetzungs-, Prüfungs- und Bewertungsschema soll die Prüfung der zuständigen Landesbehörden harmonisieren und gleichzeitig verkürzen. „Damit wird zum einen der vorbeugende Gesundheitsschutz verbessert, zum anderen kommen die einheitlichen Regelungen dem bundesweit notwendigen Ausbau der Stromnetze zugute“, so dazu die für die Verwaltungsvorschrift zuständige Bundesumweltministerin (BMUB) Barbara Hendricks.

Ob eine sogenannte Minimierungsmaßnahme erforderlich wird, soll nach der Verwaltungsvorschrift zunächst in einer Vorprüfung festgestellt werden. Denn für neue Anlagen bzw. bei wesentlichen Änderungen von Niederfrequenz- oder Gleichstromanlagen, ist eine Minimierungsmaßnahme nur dann vorzunehmen, wenn sich im Einwirkungsbereich mindestens ein sogenannter maßgeblicher Minimierungsort befindet. Als „maßgeblicher Minimierungsort“ wird „ein im Einwirkungsbereich der jeweiligen Anlage liegendes Gebäude oder Grundstück im Sinne § 4 Abs. 1 der 26.BImSchV sowie jedes Gebäude oder Gebäudeteil, das zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt ist“ beschrieben. Die bereits in § 4 Abs. 1 26. BImSchV aufgeführten Orte (u.a. Wohnungen, Schulen) werden durch die Verwaltungsvorschrift nunmehr allgemein definiert. Erfasst sein sollen neben „Einrichtungen“ sämtliche Gebäude und Grundstücke, die nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind. Zahlreiche weitere Regelungen zur Umsetzung des Minimierungsgebots und zur Ermittlung der Minimierungsmaßnahmen sind vorgesehen. Insbesondere das jeweilige technische und gestalterische Minimierungspotential ist zukünftig anhand der Vorgaben aus dieser Verwaltungsvorschrift zu prüfen. Abschließend sind die aufgezeigten technischen Möglichkeiten unter Aspekten des Naturschutzes, der Wirtschaftlichkeit und Netzverfügbarkeit im Lichte der Verhältnismäßigkeit miteinander abzuwägen. Nach der Empfehlung (BR-Drs. 547/1/15) des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sind die Gründe und Erwägungen für die Entscheidung ausführlich zu dokumentieren und der zuständigen Behörde auf Anforderung zur Verfügung zu stellen. Dies soll die Transparenz für betroffene Bürger im Genehmigungsverfahren erhöhen.

Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die Verwaltungsvorschrift zukünftig in der Praxis haben wird. Die Einwirkungsbereiche sind dabei durchaus nennenswert –  z.B. 200 m für eine 110-kV-Hochspannungsfreileitung. Daher ist anzunehmen, dass sich der Prüfungsaufwand für die zuständigen Landesbehörden erhöhen wird. Gleichzeitig dürfte der Einwirkungsbereich auch Einfluss auf die Planungsentscheidungen der Anlagenbetreiber haben. Mittelbar kommt den Einwirkungsbereichen somit durchaus eine mit den Abstandsflächen vergleichbare Wirkung zu.

Das Bundeskabinett soll im Januar 2016 den Entwurf verabschieden. Danach wird die Verwaltungsvorschrift voraussichtlich zeitnah in Kraft treten.

Ansprechpartner: Stefan Missling

 

 

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