Netzstabilität und die Rolle der Verteilnetzbetreiber bei der Energiewende

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Die Energiewende findet nicht nur auf der Ebene der Übertragungsnetzbetreiber statt. Auch die Verteilnetzbetreiber sollen eine wichtige Rolle spielen – findet auch die Bundesnetzagentur (BNetzA).

Im Dezember 2011 hat die BNetzA ein Eckpunktepapier zum Energieversorgungssystem und den damit verbundenen Änderungen veröffentlicht. Eine zentrale Rolle dabei spielen auch die Netzbetreiber. Die BNetzA sieht die Energiezukunft im Hinblick auf die Verteilnetzbetreiber in einem sog. „zellulären Ansatz“ bzw. in sog. „Micro-Grids“.

Der zelluläre Ansatz

Im Rahmen des Netzbetriebs sollen sich selbst regelnde Strukturen (Zellen) bilden, die sowohl nebeneinander als auch übereinander angeordnet sind. Verbrauch und Erzeugung sollen innerhalb der jeweiligen Zelle automatisiert durch vorhandene Regelkreise gesteuert werden, die jedoch weiterhin über eine zentrale Netzführungsinstanz verbunden sind. Die einzelnen Zellen sollen sich dabei im Wesentlichen autark verhalten, so dass möglichst wenig Energie physisch zwischen den Zellen ausgetauscht werden muss. Der optimale Ausgleich von Angebot und Nachfrage innerhalb der Zelle soll nach den Vorstellungen der BNetzA zu netztechnischen Betriebszuständen führen, bei denen nur noch punktuell Energie aus dem übergelagerten Netz entnommen wird oder aber eine permanente Rückspeisung stattfindet.

Was das bringt

Mit diesem Ansatz will die BNetzA sicherstellen, dass das Energieversorgungsnetz auch in Zukunft beherrschbar bleibt. Denn die zunehmende Vielfalt an zu steuernden dezentralen Verbraucher- und Erzeugungseinheiten in der Niederspannung, die sich gegenseitig beeinflussen, macht die zentrale Netzführung und Netzsteuerung so komplex, dass – so befürchtet die BNetzA – sie an ihre Grenzen geraten würde.

Der zelluläre Ansatz, den die BNetzA vorschlägt, bringt Vor- und Nachteile. Die BNetzA geht davon aus, dass er den Stromtransport reduziert, da Erzeugung und Verbrauch im Wesentlichen innerhalb der Zelle stattfinden werden. Dadurch würden weniger Transportverluste eintreten und insgesamt der Netzausbau verringert. Darüber hinaus sieht die BNetzA in dem zellulären Ansatz auch einen Beitrag zur Versorgungssicherheit. Denn der Ausfall einer Zelle muss nicht den Ausfall des Gesamtsystems zur Folge haben, da diese im Wesentlichen autark und damit abkoppelbar ist. Als Nachteil dieser Lösung will die BNetzA aber offenbar in Kauf nehmen, dass es in einer autarken Zelle zu mehr Versorgungsunterbrechungen kommen kann und dass mit der „Zellenlösung“ das Verbundssystem insgesamt auch anfälliger für Störungen wird, da der ausgleichende Effekt, der durch die Vielzahl der Teilnehmer gegeben ist, bei sinkender Anzahl zwangsläufig abnimmt.

Zelluläre Netzentgelte?

Die BNetzA ist sich dabei durchaus bewusst, dass damit das bisherige Entgeltsystem, das eine Wälzung der Netzkosten von oben nach unten vorsieht, völlig aushebelt wäre und überprüft werden müsste. Denn bei dem zellulären Ansatz wird ein Großteil des innerhalb der Zelle benötigten Stroms nicht mehr aus den vorgelagerten Netzen bezogen. Die übergeordneten Netzstrukturen dienen somit dann möglicherweise für viele Kunden nur noch als Reservesystem, das aber dennoch gerecht durch alle Kunden finanziert werden muss. Für Haushaltskunden denkt die BNetzA daran, ein schlichtes Kapazitätsentgelt zu erheben. Bei leistungsgemessenen Kunden soll das Problem über die Leistungskomponente gelöst werden.

Damit hat die BNetzA die Diskussion um die Rolle der Verteilnetzbetreiber im Rahmen der Energiewende eröffnet. Hierdurch entsteht ein erster Eindruck, in welche Richtung sich die Regulierung der Verteilernetze entwickeln wird. Ob sich das von der BNetzA entworfene Konzept, insbesondere vor dem Hintergrund des für dessen Umsetzung auf der Verteilernetzebene notwendigen Investitionsbedarfes, tatsächlich realisieren lässt, werden die weiteren Entwicklungen zeigen.

Wenn Sie das Thema Netzstabilität interessiert, möchten wir Sie auf unseren Parlamentarischen Abend zum Thema „Energiewende im europäischen Verbund – Herausforderungen für die Netzstabilität“ am 22.5.2012 hinweisen.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau

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