Offshore-Windparks: Rettungskette in Seenot

(c) BBH
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Damit die Energiewende gelingt, soll die Offshore-Windenergie ausgebaut werden. Daran arbeiten zurzeit viele Ingenieure und Arbeiter vor Ort im offenen Meer und installieren in großen Höhen bei teilweise widrigem Wetter Offshore-Windräder. Tausende Anlagen in Nord- und Ostsee sollen künftig sauberen, regenerativen Strom erzeugen und damit das Festland versorgen. Diese Windparks müssen in ihrer Betriebsphase gewartet werden. Schätzungsweise arbeiten dann mehr als 1.000 Ingenieure und Arbeitnehmer in den Meeren vor Deutschlands Küsten. Dass diese Arbeitsplätze erhebliche Verletzungsrisiken bergen, hat sich bereits gezeigt. Bei mehreren tragischen Unfällen wurden Arbeiter schwer verletzt oder kamen sogar ums Leben. Hinzu kommt, dass professionelle Rettung auf hoher See häufig nicht unmittelbar verfügbar ist, da Rettungskräfte erst vom Festland aus zum Unfallort geflogen oder gefahren werden müssen.

Anlagenbetreiber, Genehmigungsbehörden und Rettungsorganisationen haben hierauf reagiert. So enthalten Genehmigungen zur Errichtung von Windparks schon jetzt umfangreiche Nebenbestimmungen für die Notfallversorgung auf See. Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) plant eine Leitstelle für Offshore-Notfälle einzurichten, die – ähnlich wie der Notruf 112 an Land – alle Offshore-Rettungsmaßnahmen koordinieren soll. Eine Gruppe aus Berufsgenossenschaften, Krankenhäusern und privaten Rettungsorganisationen erarbeitet außerdem seit Frühjahr 2012 in dem auf drei Jahre angelegten Forschungsprojekt „Rettungskette Offshore Wind“ ein umfassendes Unfallschutz- und Rettungskonzept. Das Ziel des Forschungsprojektes ist es, eine Rettungskette weit vor der Küste aufzubauen, die genauso einfach und zuverlässig funktioniert wie an Land.

Bislang lief die Notfallversorgung verunglückter Offshore-Arbeiter im Großen und Ganzen gut, was vor allem dem Pragmatismus aller Beteiligten geschuldet ist. Tatsächlich sind aber zahlreiche rechtliche Fragen noch ungeklärt:

Die Unklarheiten beginnen bereits bei der Frage, wer wofür genau zuständig ist, Anlagenbetreiber oder staatliche Rettungsstellen. Wer hat in welchem Umfang die Rettungskette zu organisieren, wenn ein Arbeiter auf einer Offshore-Anlage verunglückt? An Land regeln die Rettungsdienstgesetze der einzelnen Bundesländer, in welchem Umfang die Kommunen und/oder private Träger Rettungsdienstleistungen bereitstellen müssen. Diese gelten auch im Küstenmeer, bis zur Grenze von 12 Seemeilen vor der deutschen Küste. Entsprechende gesetzliche Regelungen gibt es für den Offshore-Bereich in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), der hinter der 12 Seemeilenzone beginnt, aber nicht. Hier sieht lediglich das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) vor, dass der Arbeitgeber die erforderlichen Schutzmaßnahmen treffen muss, um Schaden von den Arbeitnehmern abzuwehren. Insofern wäre eine Konkretisierung der speziell für den Offshore-Bereich erforderlichen Unfallverhütungsmaßnahmen wünschenswert.

Ebenso wenig ist geklärt, wer letztlich die Rettungsleistung (z.B. Anfahrt mit einem Schiff oder Lufttransport mit einem Hubschrauber) erbringen soll und wo hierfür welche Kapazitäten vorgehalten werden müssen. Unter Umständen sind einzelne Windparks auch schneller durch Helfer aus Nachbarstaaten (insbesondere Dänemark und den Niederlanden) zu erreichen. Auch für diese grenzüberschreitenden Rettungseinsätze fehlen klare Regelungen. Hier wären Staatsverträge oder  privatrechtliche Vereinbarungen zwischen den verantwortlichen Unternehmen sinnvoll. Staatsverträge setzen aber voraus, dass die Bundesrepublik Deutschland ihre staatliche Daseinsvorsorge in der AZW definiert.

Ungeklärt sind auch die Notfallkompetenzen und Haftung von Rettungskräften und Ersthelfern, wenn diese offshore zur Rettung eines Verunglückten tätig werden.

Die Unsicherheit entsteht dadurch, dass Gesetze, die für die Rettung an Land gelten, in der AWZ nicht gelten, da diese nicht zum Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland gehört. Wünschenswert wäre ein gesetzlicher Rahmen, der für die auf den Offshore-Windenergieanlagen tätigen Techniker Rechtsicherheit schafft und dem sie entnehmen können, wie sie sich im Falle eines Unfalls verhalten können. Ferner ist nicht geklärt, welche Anforderungen an Ausbildung und Ausstattung der Ersthelfer zu stellen ist und wie sie ggf. von Land aus Unterstützung bekommen können.

Fazit: Je mehr die AWZ durch Offshore-Windenergieanlagen genutzt wird, desto dringlicher wird es, einen Rahmen zu schaffen, der die Rettung vor Ort auf verlässliche rechtliche Füße stellt.

Ansprechpartner: Jörg Kuhbier

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