Steigende Strom- und Gasnetzentgelte 2020: Ein Trend, der sich fortsetzen wird

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Die Netzentgelte Strom sind zum Jahreswechsel deutlich angestiegen. Die Gründe hierfür liegen in Entwicklungen, die sich von den Netzbetreibern häufig nicht beeinflussen lassen. Es ist jedoch bereits jetzt abzusehen, dass sich dieser Trend fortsetzen wird und die Strompreise weiter steigen werden.

Eine Vielfalt von Netzbetreibern

Zum Jahreswechsel 2020 mussten Betreiber von Strom- und Gasnetzen die für 2020 geltenden Netzentgelte berechnen und veröffentlichen. Das Bild der kleinen bis mittleren Netzbetreiber, das sich dabei zeigt, ist vielfältig: vom kleinen, städtisch geprägten Netzbetreiber in Ostdeutschland, der Tankstellen und Supermärkte zu seinen Großkunden zählen muss, bis zum  Netzbetreiber in Süddeutschland, zu dessen Kundschaft trotz ländlicher Versorgungsstruktur auch Industrieunternehmen gehören. Daneben gibt es die ganz besonderen Abnahmefälle wie Flughäfen, Forschungsinstitute und Industrieareale. Als geschlossene Verteilernetzbetreiber oder in der Übergangszeit zur Anreizregulierung müssen sie die Netzentgelte jährlich veröffentlichen.

Stromnetzbetreiber in der Anreizregulierung: Steigende Erlösobergrenzen und Netzentgelte

Bei den meisten Stromverteilernetzbetreibern sind die Netzentgelte gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Der Energiedienstleister ene’t GmbH hat einen durchschnittlichen Anstieg von 5,5 Prozent bei einem Musterhaushalt mit 3.500 kWh Jahresverbrauch ausgemacht.

Der Hauptgrund für diesen merklichen Anstieg der Netzentgelte liegt in den Erlösobergrenzen der Stromnetzbetreiber, die deutlich höher sind als im Vorjahr. Grund hierfür wiederum ist zum einen, dass die Entgelte der Übertragungsnetzbetreiber schrittweise vereinheitlicht werden und über die Kostenwälzung zu höheren vorgelagerten Netznutzungsentgelten in den Regelzonen der TransnetBW GmbH, Amprion GmbH und 50Hertz Transmission GmbH führen. Zum anderen wirken sich auch die gestiegenen Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie auf die Höhe der Netzentgelte aus. Darüber hinaus steigen die Investitionen in die Stromverteilernetze stetig an. Die Kapitalkosten finden durch den Kapitalkostenaufschlag ohne Zeitverzug Eingang in die Erlösobergrenzen und führen so ebenfalls zu Aufschlägen auf die Erlösobergrenzen. Die erstgenannten Effekte gehen vollständig auf Kostenanstiege zurück, die die Netzbetreiber nicht beeinflussbaren können. Aber auch der Anstieg der Kapitalkosten durch erhöhte Investitionen folgt in der Regel einem Investitionsbedarf, der sich aus der Energiewende ergibt, aus gestiegenen Bau- und Materialpreisen sowie aus altersbedingtem Reinvestionsbedarf, insbesondere in den alten Bundesdländern.

Trend ist auch in den Folgejahren zu erwarten

Die bundesweiten Effekte bei der Änderung der Netzentgelte sowie die dahinter stehenden Ursachen finden sich auch bei den von uns berechneten Entgelten so wieder. Die Übertragungsnetzentgelte werden weiter vereinheitlicht, die Energiewende wird weiter vorangetrieben und erfordert Investitionen in den Verteilernetzen, und die Energieeffizienz steigt kontinuierlich. Deshalb ist davon auszugehen, dass sich die beschriebenen Entwicklungen auch in den Folgejahren fortsetzen werden. Die Strompreise werden langfristig weiter steigen, und damit beschleunigt sich auch der Trend zur zunehmenden Eigenversorgung, auf den das aktuelle Entgeltsystem insbesondere im Haushaltskundenbereich gar nicht eingestellt ist. Überraschungsmoment für die Entgeltkalkulation in den kommenden Jahren wird daher nicht nur die Entwicklung der konjunkturellen Lage sein, sondern auch der Umfang der Anpassungen am Rechtsrahmen innerhalb des Regulierungs- und Entgeltregimes, die sich bereits heute schon erwarten lassen.

Ansprechpartner BBHC: Peter Bergmann/Magnus Thiemig/Vera Klöpfer

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