Stromkostenentlastung in der Corona-Krise: Rechtssicherheit schaffen

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Wenn energieintensive Unternehmen die gesetzlichen Möglichkeiten der Stromkostenentlastung nutzen wollen, müssen sie insbesondere im ersten Halbjahr eine Vielzahl rechtlicher Vorgaben einhalten. Die Corona-Pandemie stellt die Unternehmen jedoch vor völlig neue Herausforderungen, die selbst das umsichtigste Organisationstalent nicht voraussehen oder gar verhindern konnte. Hieraus folgt eine Reihe rechtlicher Unsicherheiten. Es ist nun am Gesetzgeber, diese zu beseitigen.

Fristen und Stromkostenentlastungen

Um die gesetzlichen Vorgaben und Fristen einzuhalten, sind die Abläufe in Unternehmen seit Jahren eingespielt. Doch in diesem Jahr ist alles anders, nahezu täglich ändert sich die Lage: Unternehmensmitarbeiter fallen aus oder können nur noch eingeschränkt tätig sein. Produktionsprozesse geraten ins Stocken; Produktionsstillstände verändern nicht nur Stromverbrauch und Lastspitzen im Strombezug, sondern Umsätze bzw. Gewinnerwartungen. Eingeplante Termine für das Audit bzw. die Rezertifizierung werden abgesagt oder auf spätere Monate im Jahr verschoben; ob bzw. welcher Anteil des Audits ersatzweise „remote“ stattfinden kann, hängt vom jeweiligen Zertifizierungsunternehmen ab. Die Wirtschaftsprüfer können nicht wie geplant ins Unternehmen kommen.

Das gefährdet auf kurze Sicht die Einhaltung der gesetzlichen Fristen: Wenn die Endabrechnungen zur EEG-Umlage nicht testiert werden können, verstößt dies gegen die Vorgabe aus § 75 EEG 2017. Wenn die Wirtschaftsprüfer die Bescheinigung zur EEG-Umlagebegrenzung nach § 64 Abs. 3 Nr. 1 c EEG 2017 nicht erstellen können, fehlt eine ausschlussfristrelevante Unterlage für die Antragstellung. Wenn die Rezertifizierung ausfällt oder verschoben wird, fehlt eine weitere ausschlussfristrelevante Unterlage für die Antragstellung zur EEG-Umlagebegrenzung; außerdem kann das Unternehmen den Pflichten aus dem EDL-G nicht rechtzeitig nachkommen.

Aber nicht nur die Fristen drücken die Unternehmen. Produktionsstillstände können zur Folge haben, dass die Voraussetzungen für die Stromkostenentlastungen wegfallen, weil z.B. die eingeplante Lastspitze im Strombezug mit deutlich geringeren Strommengen einhergeht und damit die Vollbenutzungsstunden verfehlt werden.

Zu den ohnehin schon großen Aufgaben tritt damit das Risiko, wegen nicht vorhersehbarer und nicht vermeidbarer Umstände von der EEG-Umlagebegrenzung, der Netzentgeltreduzierung und anderen Stromkostenentlastungen ausgeschlossen zu sein.

Der Gesetzgeber ist gefordert

Die Behörden, die mit der Administration befasst sind, also u.a. das BAFA und die BNetzA, signalisieren Verständnis. Erste Veröffentlichungen gehen dahin, die Auswirkungen der Corona-Pandemie als „höhere Gewalt“ zu bewerten – aber nur dann, wenn die Unternehmen mitteilen, warum eine fristgerechte Antragstellung nicht möglich war. Damit ist den Unternehmen allerdings nicht geholfen. Denn was nützt es, wenn die Behörde im Einzelfall dann doch meinen sollte, dass die konkreten Umstände für „höhere Gewalt“ nicht ausreichen?

Auf mittlere Sicht könnten die Unternehmen die Kriterien für eine Einordnung als „Unternehmen in Schwierigkeiten“ reißen. Dann müsste ihnen auch die Entlastung von der Strom- und Energiesteuer versagt werden, obwohl die Gründe nicht beim Unternehmen liegen. Eine weitere Kostenlast wäre die Folge.

Es muss daher eine rechtssichere Lösung her, die nur der Gesetzgeber schaffen kann. Durch Gesetz muss – einfach und klar – geregelt werden, dass Unternehmen keine zusätzlichen wirtschaftlichen Belastungen zu befürchten haben, wenn sie die energierechtlichen Fristen nicht einhalten. Ob dies durch eine Verlängerung der Fristen um einen bestimmten Zeitraum geschieht, durch die Möglichkeit, Angaben und Unterlagen nachreichen zu dürfen oder auf andere Weise, kann nur der Gesetzgeber entscheiden. Es muss außerdem geregelt werden, dass die Verfehlung gesetzlicher Anforderungen für Stromkostenentlastungen oder die Einordnung als „Unternehmen in Schwierigkeiten“ nicht dazu führt, dass die Unternehmen mit Kosten belastet werden, die sie ohne die Pandemie nicht zu schultern hätten.

Ansprechpartner: Jens Vollprecht/Dr. Markus Kachel/Jens Panknin/Andreas Große

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