Frei wie ein Vogel: kommunales WLAN für alle

(c) BBH
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In anderen EU-Mitgliedstaaten ist es schon lange Usus: in Cafés, aber auch an öffentlichen Plätzen und manchmal sogar in der ganzen Stadt gibt es ein WLAN, in das man sich mit einem Klick einloggen kann. Das ist nicht nur sehr komfortabel, sondern auch vielfach gerade für die mittelständische Wirtschaft und Startups ein Standard, auf den nur ungern verzichtet wird. In Deutschland ging dies leider bisher nicht. Denn nach einem Urteil (Az. I ZR 121/08) des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2010 musste jeder, der ein offenes WLAN betrieb, das Risiko kostenpflichtiger Abmahnungen auf sich nehmen. Wenn jemand das WLAN nutzte, um Rechtsverletzungen zu begehen oder Verbotenes zu tun, so war derjenige mit verantwortlich, der das WLAN bereit gestellt hatte.

Diese so genannte Störerhaftung wurde in den letzten Jahren schon vielfach diskutiert. Doch erst ein Verfahren (Rechtssache C‑484/14) vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) führte dazu, dass nun beide Koalitionsfraktionen sich darauf verständigt haben, diese Störerhaftung durch eine Gesetzesänderung (BT-Drs. 18/6745) des Telemediengesetzes (TMG) zu beendigen. In Zukunft sollen zumindest private Anbieter eben so wie die großen, gewerblichen Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen nicht mehr fürchten müssen, für verbotene Downloads durch Dritte geradestehen zu müssen.

Auch in der deutschen Gerichtsbarkeit zeichnet sich eine Lockerung der aktuellen Rechtslage ab. Der BGH hat in einem neuen Urteil am 12.5.2016 (Az. I ZR 48/15) die Haftungsrisiken von Internetnutzern weiter entschärft. Nach der Ansicht des Gerichts trifft den Inhaber eines Internetanschlusses grundsätzlich keine Belehrungs- und Überwachungspflicht, wenn er volljährigen Besuchern einen Zugang zu seinem Internetanschluss gewährt. Der Anschlussinhaber muss seine Gäste also nicht aktiv darauf hinweisen, dass sie keine rechtswidrigen Inhalte im Internet herunterladen dürfen.

Gerade für Stadtwerke bieten sich damit neue Möglichkeiten. Ein städtisches offenes WLAN rückt in greifbare Nähe. Manche denken auch schon darüber nach, neben einem offenen WLAN für alle Premiumangebote bereit zu stellen, die gerade Startups und Freiberufler anziehen könnten. Manche Städte überlegen, durch die Bereitstellung von WLAN an einigen Plätzen im Innenstadtbereich den Verkehr zu lenken und etwa an früheren Brennpunkte wie vor Bahnhöfen durch kostenfreie Angebote ein neues, attraktives Publikum anzuziehen.

Dies ist zwar auf der einen Seite juristisch einfacher geworden. Auf der anderen Seite ergeben sich neue, nicht weniger komplexe Fragestellungen. Mehr Freiheit korrespondiert auch hier mit wachsender Verantwortung. Doch wie auch immer: Wenn die Infrastrukturwirtschaft von den neuen Möglichkeiten keinen Gebrauch macht, so werden andere es tun. Hier heißt es nun, kommunale Wünsche zu formulieren, die neuen Spielräume auszuloten und einen Rahmen für die Realisierung zu setzen. Doch vorerst beobachtet die Branche gespannt den weiteren Gang des Gesetzgebungsverfahrens.

Ansprechpartner: Nils Langeloh

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