Kartellüberprüfung der Wasserversorger: Jedes Land macht es anders

Bei der aktuellen kartellrechtlichen Überprüfung der Wasserpreise gehen die Behörden von Bund und Ländern alles andere als abgestimmt vor. Zwar gibt es seit Sommer 2010 einen einheitlichen Abfragebogen nach hessischem Muster. Aber tatsächlich gehen viele Länder bei der Ermittlung der für das Verfahren nötigen Informationen eigene Wege.

Hier erfahren Sie, was die Bundes- und Landeskartellbehörden im Einzelnen vorhaben und was die Wasserversorger tun können, um sich zu verteidigen:

BKartA:

Das Bundeskartellamt (BKartA) erließ bereits im August 2010 im Kartellverfahren gegen die Berliner Wasserbetriebe (BWB) einen Auskunftsbeschluss. Beschlussadressaten waren 45 große Wasserversorger in Deutschland. Diese erhielten einen Fragebogen, der im Wesentlichen jenem abgestimmten Abfragebogen glich. Allerdings wies er die Besonderheit auf, dass zugleich – und erstmals – kalkulatorische Daten abgefragt wurden.

Das BKartA meldete sich noch kurz vor Weihnachten 2010 bei den Unternehmen, die im Missbrauchsverfahren gegen die BWB zum Vergleich herangezogen wurden. Der Anlass: Bei den Erlösen und Kosten, die man bei den Vergleichsunternehmen abfragte, gibt es noch Klärungsbedarf. So hinterfragt das BKartA etwa die Angaben zu kalkulatorischen Kosten, da diese sich nicht mit den angegebenen Betriebskosten decken. Außerdem wird darum gebeten, zu erläutern, wie sich die handelsrechtlichen sowie die kalkulatorischen Abschreibungen ermitteln.

Das OLG Düsseldorf hat dem BKartA vorläufig Grenzen aufgezeigt, und zwar, was seinen Zugriff auf kommunale Zweckverbände zur Trinkwasserversorgung betrifft: Ein solcher hatte sich gegen den Auskunftsbeschluss des BKartA zur Wehr gesetzt, mit Beschwerde und Antrag auf aufschiebende Wirkung. Dem hat das OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 8.12.2010 (Az. VI-2 Kart 1/10 (V)) stattgegeben.

Der Grund: Der Zweckverband sei kein Unternehmen im kartellrechtlichen Sinne – nicht deshalb, weil er eine staatliche Institution sei, sondern weil er sich nicht auf dem Markt als Anbieter wirtschaftlicher Leistungen betätige. Die Bewohner der Gemeinden, die dem Zweckverband angehören, unterlägen einem Anschluss- und Benutzungszwang. Mit diesem (rechtlich zulässigen) Monopol sei sowieso jeder Wettbewerb ausgeschlossen. Das Kartellrecht gelte aber nicht für die hoheitliche Tätigkeit des Staates.

Der Beschluss ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Das OLG hatte die Rechtsbeschwerde wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Nach telefonischer Auskunft der Geschäftsstelle des 2. Kartellsenates des OLG hat das BKartA Rechtsbeschwerde zum BGH eingelegt. Die Entscheidung des BGH darf man mit Spannung erwarten.

Baden-Württemberg:

Hier wurden die teuersten Anbieter und diejenigen, die zum 1.1.2010 ihre Preise anhoben, näher untersucht. Ein gutes halbes Dutzend bat man um Auskunft.

Baden-Württemberg geht gem. § 19 GWB im Wege der Kostenkontrolle vor. Drei Versorger stehen derzeit im Fokus der Ermittlungen. Preissenkungsverfügungen werden demnächst erwartet. Die Landeskartellbehörde hatte diese Mitte November 2010 angekündigt.

Bayern:

In Bayern will man dem Treiben in der Republik derzeit erst noch zusehen, zumal die Landeskartellbehörde dort die Versorgerlandschaft als unverdächtig beurteilt.

Brandenburg:

Schon im Juli 2010 startete die Brandenburgische Landeskartellbehörde eine Untersuchung des Trinkwasserbereichs nach § 32e GWB. Hierbei wurde nicht der abgestimmte Musterabfragebogen verwendet, sondern man beschränkte die Abfragetiefe.

Bemerkenswert dabei war, dass auch Wasserversorger, die ihre Trinkwasserentgelte auf der Grundlage des Kommunalabgabengesetzes (KAG) als Gebühren erheben, Adressaten des Fragebogens wurden. Dabei betonte die Kartellbehörde, dass „die erhobenen Gebühren zwar nicht von der Landeskartellbehörde, sondern ausschließlich im Rahmen der Kommunalaufsicht durch den jeweiligen Landkreis bzw. durch das Ministerium des Inneren zu überprüfen“ seien. Dennoch „sollten“ auch diese Versorger den Fragebogen ausfüllen, da beabsichtigt sei, „geeignete öffentlich-rechtliche Unternehmen im Kartellverfahren ggf. als Vergleichsunternehmen heranzuziehen“.

Nach erfolgter Auswertung der Fragebögen stuft die Landeskartellbehörde derzeit Wasserpreise von vier Wasserversorgungsunternehmen (von insgesamt 38 Wasserversorgungsunternehmen in Brandenburg) als missbräuchlich überhöht ein. Diese Unternehmen haben jetzt Gelegenheit zur Stellungnahme bis Ende Januar 2011.

Hessen:

In Hessen geht der Streit um die Wasserpreise der Landeskartellbehörde Hessen mit der enwag energie- und wassergesellschaft mbH, dem Wetzlarer Wasserversorger, in die zweite Runde. So fand am 26.11.2010 im Landeshaus Wiesbaden eine öffentliche mündliche Verhandlung in einem neuen Kartellverfahren gegen die enwag statt.

Noch am 23.12.2010 erließ die Hessische Landeskartellbehörde gegenüber der enwag eine folgenreiche Verfügung. Abstellend auf fünf Typabnahmefälle wurden Höchstpreise und eine Gesamterlösobergrenze festgesetzt. Darüber hinaus wurden die Preise für 2009/2010 im Umfang der Überhöhung (33 Prozent) für rechtswidrig erklärt und eine entsprechende Rückerstattung an die Kunden angeordnet. Sämtliche Maßnahmen wurden für sofort vollziehbar erklärt, was den Einsatz von Rechtsmitteln deutlich verkompliziert.

Die enwag suchte zum 1.1.2011 ihr Heil im Gebührenrecht: Die Verantwortung für die Wasserversorgung in Wetzlar geht wieder in städtische Hände zurück. Von einer „Flucht“ ins Gebührenrecht kann jedoch hierbei nicht gesprochen werden. Die enwag beabsichtigt, sich auch dieses Mal gegen die Preissenkungsverfügung zu wehren. Diese Rechtsstreitigkeit löst Kosten und die Bildung von Rückstellungen aus, welche das Unternehmen in die Insolvenz treiben würden; der Wechsel ins öffentliche Recht war nach Aussage der enwag insofern notwendig.

Mecklenburg-Vorpommern:

Die Landeskartellbehörde hat eine Erhebung der Trinkwasserpreise angekündigt.

Niedersachsen:

Die Landeskartellbehörde überprüft derzeit die Preise von 140 Versorgern. Zum Einsatz kam ein Abfragebogen, der im Vergleich zum abgestimmten Musterabfragebogen eine geringere Abfragetiefe aufweist.

Nordrhein-Westfalen:

Meinte man noch in NRW im freiwilligen Benchmarking den Königsweg gefunden zu haben, scheinen dessen Tage nun ebenfalls gezählt. Nicht auszuschließen ist, dass 2011 auch die Landeskartellbehörde NRW Abfragen starten wird.

Rheinland-Pfalz:

Die Landeskartellbehörde hält sich derzeit bedeckt, ob in Zukunft eine umfassende Datenerhebung – und wenn ja, mit welcher Abfragetiefe – zu erwarten sei.

Saarland:

Die Landeskartellbehörde hat eine Erhebung der Trinkwasserpreise für 2011 angekündigt. Derzeit läuft die behördeninterne Abstimmung zum Umfang der Abfragetiefe. Offen ist derzeit noch, ob der Musterabfragebogen oder eine modifizierte (verkürzte/erweiterte) Variante Verwendung finden soll.

Sachsen:

Die Landeskartellbehörde wird nach Informationen aus der Presse wohl gegen sechs von 36 privatwirtschaftlichen Wasserversorgern im Freistaat Anhörungsverfahren wegen des Anfangsverdachts von missbräuchlich erhöhten Preisen einleiten. In Sachsen entschied man sich gegen den Musterabfragebogen und für einen Eigenentwurf eines Abfragebogens.

Sachsen-Anhalt:

Die Landeskartellbehörde nahm auf Basis des Musterabfragebogens eine Datenerhebung vor.

Schleswig-Holstein:

Die Landeskartellbehörde hat eine Erhebung der Trinkwasserpreise angekündigt.

Thüringen:

Die Landeskartellbehörde plante für Zeitraum um den Jahreswechsel 2010/2011 eine Erhebung der Trinkwasserpreise in Gestalt eines zweigestuften Verfahrens. Im ersten Schritt soll dabei die Abfragetiefe geringer als die im Musterabfragebogen ausfallen. Erst in der zweiten Runde würde von den nach der ersten Runde besonders in den Fokus geratenen Versorgern weitere Daten abfragt werden.

Resümee

Obwohl noch im Sommer 2010 ein Musterabfragebogen abgestimmt wurde, stellt sich das Vorgehen in den Ländern alles andere als abgestimmt dar. Länderspezifische Überraschungen können dabei nicht ausbleiben. Die Tendenz ist jedoch klar – die meisten Landeskartellbehörden werden tätig.

Wie sich die Wasserversorger schützen können

Bei allen Einzelaspekten der kartellrechtlichen Wasserpreiskontrolle muss betont werden, dass es jeder Wasserversorger selbst in der Hand hat, wie stark seine erste Verteidigungslinie – die Wasserpreiskalkulation – ist. Die muss jeder Versorger haben. Die Wasserpreiskalkulation ist die Grundlage für eine mögliche Rechtfertigung im Rahmen der kartellrechtlichen Wasserpreiskontrolle.

Dem Wasserversorgungsunternehmen stehen zwei Rechfertigungswege offen. Es kann seinen vermeintlich höheren Preis rechtfertigen, indem es ausgehend vom Preisniveau des Vergleichsunternehmens seine strukturell bedingten Mehrkosten hinzuaddiert. Oder aber es weist mittels Wasserpreiskalkulation nach, dass der Preis „nur“ die Kosten deckt und darüber hinaus keine Kosteneinsparungen erzielt werden können.

BBH beantwortet gerne Ihre Fragen zu diesem Thema und unterstützt Sie bei der Erstellung einer wasserdichten Wasserpreiskalkulation.

Ansprechpartner: Daniel Schiebold/Thomas Straßer

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