Kurzarbeit als Rettungsanker: Arbeitgeber zwischen Corona- und Gas-Krise

Am 30.3.2022 hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Frühwarnstufe als erste Eskalationsstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Für den Fall der letzten Eskalationsstufe, der Notfallstufe, müssen auf Gas angewiesene Unternehmen die Abschaltung ihrer Gasversorgung und damit erhebliche Betriebseinschränkungen bis hin zum Produktionsstop fürchten. Während die Corona-Pandemie noch nicht überwunden ist, könnte die deutsche Wirtschaft nun abermals vor der Herausforderung stehen, erhebliche Arbeitsausfälle zu kompensieren. Was bedeutet dies für Arbeitgeber und Arbeitnehmer?

Lohnfortzahlung bei Betriebsstörung durch Rohstoffmangel

Für den Fall, dass Gaslieferungen tatsächlich ausbleiben und Unternehmen dadurch ihre Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen können, bliebe deren Anspruch auf Lohnzahlung wohl grundsätzlich bestehen: Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sind Arbeitgeber selbst dann zur Lohnfortzahlung verpflichtet, wenn sie ihre Belegschaft infolge einer Betriebsstörung durch Rohstoffmangel nicht beschäftigen können. Der Anspruch auf Lohnzahlung entfällt nur so weit, als dieses arbeitgeberseitige Betriebsrisiko zuvor wirksam einzel- oder kollektivvertraglich auf die Arbeitnehmer abgewälzt wurde. Um Kurzarbeit überhaupt einführen zu können, bedarf es einer wirksamen arbeitsrechtlichen Grundlage, sei es in einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder auch in einer arbeitsvertraglichen (Änderungs-)Vereinbarung.

Kurzarbeit zur Beschäftigungssicherung

Die Einführung von Kurzarbeit unter erheblichen wirtschaftlichen Förderungen und rechtlichen Erleichterungen erwies sich schon im Rahmen der Corona-Pandemie als wirksames Mittel, um Arbeitnehmer im Beschäftigungsverhältnis zu halten sowie wirtschaftlich abzusichern und gleichzeitig Personalkosten der Unternehmen zu senken. In vielen Unternehmen galt bis vor kurzem Kurzarbeit oder gilt noch immer. Sämtliche Corona-bedingten Erleichterungen zum Kurzarbeitergeld wurden, wenn überhaupt, nur bis zum 30.6.2022 verlängert (wir berichteten). Daher gilt es, die Bezugsvoraussetzungen im Blick zu behalten.

Noch reicht es aus, dass mindestens 10 Prozent der Beschäftigten von einem Arbeitsausfall betroffen sind – allerdings darf dieser nur „vorübergehend“ sein. Beschäftigte müssen auch weiterhin keine Minusstunden aufbauen, bevor Kurzarbeitergeld gezahlt werden kann. Die Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes für Betriebe ist auf bis zu 28 Monate verlängert. Daneben bleibt auch die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes (auf 70/77 Prozent ab dem vierten Monat und auf 80/87 Prozent ab dem siebten Monat) bestehen. Entgegen den ursprünglichen Plänen behalten auch Zeitarbeitnehmer Anspruch auf Kurzarbeitergeld. All dies gilt momentan jedoch nur bis 30.6.2022. Zudem werden die Sozialversicherungsbeiträge seit dem 1.4.2022 nicht mehr pauschaliert und in voller Höhe, sondern nur noch zur Hälfte erstattet, wenn die Kurzarbeit mit einer Qualifizierung des Mitarbeiters verbunden wird.

Zeit zu handeln

Arbeitgeber, die potenziell von Gasabschaltungen betroffen sein können, sollten schon jetzt ihre arbeitsvertraglichen Grundlagen zur Einführung von Kurzarbeit (erneut) untersuchen und wenn erforderlich durch (neue) Vereinbarungen mit den Tarifpartnern bzw. Betriebsräten absichern, um gegebenenfalls sofort Kurzarbeit einführen zu können. Dazu gehört auch die rechtliche Detailprüfung, inwieweit Arbeitgeber Leistungen bereits im Zuge der Corona-Pandemie ausgeschöpft haben oder erneut nutzen können.

Aber auch die Politik ist wieder gefragt: Es muss sichergestellt sein, dass die durch mögliche Gasabschaltungen eintretenden Betriebseinschränkungen als „vorübergehend“ anzuerkennen und nicht etwa als dauerhaft anzunehmen sind. Und die in der Corona-Krise bewährten und zum Teil noch bis 30.6.2022 verlängerten Erleichterungen und Förderungen für Kurzarbeitergeld müssen für eine mögliche Gas-Krise weitergelten – auch wenn Corona längst noch nicht vorbei sein dürfte.

Ansprechpartner*innen: Dr. Jost Eder

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