KWKG-Wälzungsmechanismus: Was ändert sich und was kostet es?
Seit dem 1.1.2016 ist das neue Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG 2016) in Kraft. Damit ändern sich auch die rechtlichen Vorgaben zum KWK-Wälzungsmechanismus.
Trotz der erheblichen wirtschaftlichen Folgen, die durch die Anpassung des KWKG-Wälzungsmechanismus für stromintensive Unternehmen bei allen Umlagen, die mit den Netzentgelten in Rechnung gestellt werden, entstehen können, haben sich viele Unternehmen noch nicht mit den neuen Problemstellungen beschäftigt. Werden betroffene Unternehmen nicht rechtzeitig tätig, drohen aber wirtschaftliche Nachteile, die nicht mehr rückgängig zu machen sind.
Änderung der Schwellenwerte für die Letztverbrauchergruppen B und C
Wie der KWKG-Wälzungsmechanismus künftig funktioniert, ist in § 26 Abs. 2 KWKG 2016 geregelt. Der Schwellenwert, ab welchem eine reduzierte KWKG-Umlage zu zahlen ist (Letztverbrauchergruppe B bzw. C), wird von 100.000 kWh auf 1 GWh angehoben. Allein damit erhöht sich die finanzielle Belastung jedes Stromverbrauchers, der an einer Abnahmestelle mehr als 100.000 kWh Strom verbraucht.
Von der Standortbetrachtung zum Stromselbstverbrauch
Weit bedeutender dürfte aber sein, dass es bei der Ermittlung des Schwellenwertes für die Letztverbrauchergruppen B und C nunmehr ausdrücklich auf die von einem Letztverbraucher selbst verbrauchten Strommengen ankommt. Bisher wurde gerade bei einem Stromverbrauch von mehreren Unternehmen, die sich in einer Kundenanlage (§ 3 Nr. 24 a oder b EnWG) befanden, regelmäßig der gesamte Strom zusammengefasst, der dort von allen Unternehmen verbraucht wurde. Eine solch standortbezogene Betrachtung dürfte in Zukunft grundsätzlich nicht mehr möglich sein. Es stellt sich allenfalls noch die Frage, ob der Stromverbrauch von mehreren Unternehmen an einer Abnahmestelle zumindest dann zusammengefasst werden kann, wenn es sich dabei um „verbundene Unternehmen“ (zum Beispiel im Sinne des § 15 AktG) handelt. Sollte ein Netzbetreiber die Ermittlung der Schwellenwerte der Letztverbrauchergruppe B und C für jede einzelne juristische Person fordern und „Konzernsachverhalte“ gänzlich unberücksichtigt lassen, so kann dies zumindest kritisch hinterfragt werden.
Neue Nachweispflichten
Neu ist auch die Einführung von Nachweispflichten des Letztverbrauchers, wenn dieser mehr als 1 GWh je Abnahmestelle Strom verbraucht. In welcher Art und Weise die Nachweise geführt werden müssen, wird aber nicht definiert. Zunächst ist es – insbesondere wenn mangels geeichter Messeinrichtungen selbstverbrauchte und weitergeleitete Strommengen nicht voneinander abgegrenzt werden können – denkbar, den Umfang des weitergeleiteten Stroms zu schätzen. Allerdings haben einige Netzbetreiber in ersten Informationsschreiben, die uns bekannt geworden sind, gefordert, dass der Umfang der in einer Kundenanlage weitergeleiteten Strommengen über geeichte Messeinrichtungen erfasst werden muss.
Eine Schätzung wäre danach nicht zulässig!
In einer Vielzahl von Kundenanlagen wird es aber an geeichten Messeinrichtungen fehlen und die Betreiber der Kundenanlage werden regelmäßig auch nicht über eine Befreiung nach § 35 MessEG verfügen. Die von Netzbetreibern in einem solchen Fall angedrohte Folge hätte ganz erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen.
So soll der gesamte Stromverbrauch in einer Kundenanlage mit der vollen KWKG-Umlage (Letztverbrauchergruppe A) belastet werden, wenn weitergeleitete Strommengen nicht über geeichte Messeinrichtungen erfasst werden.
Denkbar wäre auch, dass Netzbetreiber bei der Ermittlung der Schwellenwerte für die Letztverbrauchergruppen B und C nur Messergebnisse als zulässig erachten, wenn diese einem bilanzierungsrelevanten Zählpunkt zugeordnet werden können. Auch hier kennen wir erste entsprechende Positionierungen, die wir aber nicht für überzeugend halten.
Welche Position sich rechtlich letztlich durchsetzt, ist derzeit noch offen.
Abnahmestelle
Neben den zuvor dargestellten Änderungen wurde erstmals der Begriff der „Abnahmestelle“ im KWKG gesetzlich definiert. Ziel des Gesetzgebers war es (offensichtlich), eine Harmonisierung mit den Definitionen in Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) und der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) zu erreichen. Ob es auch in der Praxis zu einer solchen Angleichung kommt, bleibt aber abzuwarten. Man könnte auf die Idee kommen, den Begriff der Abnahmestelle deutlich enger als bisher auszulegen, was ebenfalls zu einer höheren finanziellen Belastung der jeweils betroffenen Unternehmen führen könnte. Dies ist aber keinesfalls zwingend.
Auswirkungen für weitere Netzumlagen
Die Abwicklung der „§ 19 Abs. 2 StromNEV-Umlage“ orientiert sich auch an den Vorgaben des KWKG-Belastungsausgleichs. Insoweit wurde die StromNEV – hier § 19 Abs. 2 Satz 8 StromNEV – infolge der Novellierung des KWKG ebenfalls angepasst. Damit gelten bei der Ermittlung „§ 19 Abs. 2 StromNEV-Umlage“ die gleichen Probleme, wie bei der Ermittlung der KWK-Umlage.
Bemerkenswert ist indes, dass der Gesetzgeber im Rahmen der letzten Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) zum 19.2.2016 die Regeln zur „Offshore-Umlage“ nach § 17 f Abs. 5 EnWG nur teilweise angepasst hat. Ob der neue KWKG-Belastungsausgleich mit der geschilderten Problematik damit auch für die „Offshore-Haftungsumlage“ gilt, erscheint fraglich.
Was tun?
Die Anpassung des KWKG-Belastungsausgleichs kann für einzelne Unternehmen – je nach Auslegung der Normen – zu erheblichen finanziellen Nachteilen führen. Werden die finanziellen Belastungen der KWKG-Umlage, der „§ 19 Abs. 2 StromNEV“ und der „Offshore-Haftungsumlage“ für die Letztverbrauchergruppe A aufaddiert (insgesamt: 0,863 Ct/kWh) und ins Verhältnis zu den Belastungen der Letztverbrauchergruppe B (insgesamt: 0,117 Ct/kWh) gesetzt, so entsteht für das Kalenderjahr 2016 eine Differenz und je nach Sachverhaltskonstellation ein wirtschaftliches Risiko von bis zu 0,746 Ct/kWh. In jedem Fall sollten insbesondere Unternehmen, die innerhalb einer Kundenanlage im Sinne des § 3 Nr. 24 a und b EnWG tätig sind (z.B. Industriestandorte, Gewerbeparks, Flughäfen, Universitäts- und Krankenhausareale, etc.) und Strom innerhalb der Kundenanlage weiterleiten, hier kurzfristig tätig werden und die offenen Rechtsfragen mit ihrem Anschlussnetzbetreiber, gegebenenfalls unter Einbindung des Übertragungsnetzbetreibers und der Regulierungsbehörde, proaktiv klären. Denn bei der endgültigen Abrechnung der Netzumlagen für das Kalenderjahr 2016 könnte es sonst zu bösen Überraschungen kommen.
Ansprechpartner: Dr. Thies Christian Hartmann/Ulf Jacobshagen/Dr. Markus Kachel/Jens Panknin